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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §201;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert sowie die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der
S Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. Mai 1989, GZ 7 - 1893/88, betreffend Säumniszuschlag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin machte für das vierte Kalendervierteljahr 1984 eine Investitionsprämie in Höhe von S 23,810.797,-- geltend. Nach Durchführung einer Betriebsprüfung wurde mit Bescheid vom 22. April 1988 ein Investitionsprämienbetrag von S 22,811.608,-- zurückgefordert. Als Fälligkeitstag war in diesem Bescheid der 28. März 1988 angegeben. Der (vorgedruckte) Satz "Der Nachzahlungsbetrag war bereits fällig" war gestrichen.
Mit Bescheid vom 22. April 1988 schrieb das Finanzamt einen Säumniszuschlag in Höhe von S 456.232,-- vor. In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde ausgeführt, in der Lastschriftanzeige Nr. 4 vom 22. April 1988 sei als Zahlungsfrist der 27. Mai 1988 angegeben. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei die Belastung mit der Investitionsprämie ebenso wie alle übrigen Nachzahlungen auf Grund der Betriebsprüfung mit einem Fälligkeitsdatum 27. Mai 1988 zu behandeln. Außerdem seien die Bestimmungen des § 217 Abs. 4 BAO, wonach bei Abänderung eines Bescheides die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages erst mit dem ungenützten Ablauf der Nachfrist im Sinne des § 210 Abs. 4 BAO eintritt, sinngemäß anzuwenden.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat dabei die Auffassung, daß die Fälligkeit des rückgeforderten Investitionsprämienbetrages (entsprechend der unrichtigen Angabe im Rückforderungsbescheid) am 28. März 1988 eingetreten sei. Eine analoge Anwendung des § 217 Abs. 4 BAO sei auf den Streitfall nicht zulässig.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid der belangten Behörde Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 28. November 1989, B 744/89, wurde die Behandlung der Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof abgelehnt und die Beschwerde antraggemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, daß ihr keine Säumniszuschläge vorgeschrieben werden, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Investitionsprämiengesetz (I PrämG) ist die sich aus dem Verzeichnis ergebende Investitionsprämie, sofern nicht gemäß § 201 BAO ein Abgabenbescheid zu erlassen ist, gutzuschreiben. Die Gutschrift wirkt auf den Tag der Einreichung des vollständigen Verzeichnisses zurück. Führt eine Festsetzung gemäß § 201 BAO zur Verminderung einer gutgeschriebenen Investitionsprämie, dann gilt als Fälligkeitstag der Nachforderung der Zeitpunkt, in dem die Gutschrift der Investitionsprämie wirksam war.
Werden Abgaben später als einen Monat vor Ihrer Fälligkeit festgesetzt, so steht dem Abgabepflichtigen gemäß § 210 Abs. 4 BAO für die Entrichtung der Abgabennachforderung eine Nachfrist von einem Monat ab der Bekanntgabe des maßgeblichen Bescheides zu.
Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so tritt mit Ablauf dieses Tages gemäß § 217 Abs. 1 BAO die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein, soweit der Eintritt dieser Verpflichtung nicht gemäß Abs. 2 bis 6 oder § 218 BAO hinausgeschoben wird.
Beginnt eine gesetzlich zustehende oder durch Bescheid zuerkannte Zahlungsfrist spätestens mit Ablauf des Fälligkeitstages oder einer sonst für die Entrichtung einer Abgabe zustehenden Frist, so tritt die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 3 BAO erst mit dem ungenützten Ablauf der zuletzt endenden Zahlungsfrist ein.
Wird ein Bescheid, der eine sonstige Gutschrift zur Folge hatte, abgeändert und ist für die Entrichtung einer allfälligen sich daraus ergebenden Abgabennachforderung eine Nachfrist gemäß § 210 Abs. 4 oder 6 BAO zuzuerkennen, so tritt gemäß § 217 Abs. 4 BAO hinsichtlich dieser Abgabennachforderung die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages erst mit dem ungenützten Ablauf dieser Nachfrist ein.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß der Fälligkeitstag der Rückforderung an Investitionsprämie dem Gesetz entsprechend tatsächlich der 14. März 1985 (Tag der Einreichung des Verzeichnisses) gewesen ist. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin wurde in dem - nicht bekämpften - Bescheid gemäß Investitionsprämiengesetz der Fälligkeitstag tatsächlich - allerdings dem Gesetz widersprechend - mit 28. März 1988 angegeben. Aus dem Umstand, daß in der - eine bloße, der Rechtskraft nicht fähige Mitteilung darstellenden - Lastschriftanzeige eine Nachfrist von einem Monat ab Bekanntgabe des Rückforderungsbescheides eingeräumt worden ist, kann die Beschwerdeführerin keine Rechte ableiten.
Vielmehr ist die Rechtmäßigkeit des gegenständlichen Säumniszuschlages ausschließlich anhand der Bestimmungen des § 217 BAO zu überprüfen. Die Beschwerdeführerin hat den Rückforderungsbetrag nicht zum Fälligkeitstag entrichtet. Von den im ersten Satz des § 217 Abs. 1 BAO angeführten Ausnahmetatbeständen, bei deren Vorliegen der Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung der gegenständlichen Nebengebühr hinausgeschoben wird, kommen im Beschwerdefall die in den Abs. 2, 5 und 6 umschriebenen von vornherein nicht in Betracht.
Voraussetzung für die Ausnahmeregelung des § 217 Abs. 3 BAO ist es, daß die (weitere) gesetzlich zustehende oder durch Bescheid zuerkannte Zahlungsfrist spätestens mit Ablauf des Fälligkeitstages oder einer sonst für die Entrichtung einer Abgabe zustehenden Frist beginnt. Unter einer "gesetzlich zustehenden" Frist kann dabei aus der Sicht des Beschwerdefalles auch die im § 210 Abs. 4 BAO geregelte Nachfrist betrachtet werden.
Die der Beschwerdeführerin offenkundig irrtümlich in der Lastschriftanzeige zugebilligte Zahlungsfrist hat nicht mit dem im Bescheid (ebenfalls unrichtig) ausgewiesenen Fälligkeitstag (28. März 1988), sondern erst mit der am 27. April 1988 erfolgten Bekanntgabe des Rückforderungsbescheides begonnen. Der in der ersten Alternative des § 217 Abs. 3 BAO geregelte Tatbestand liegt somit im Beschwerdefall nicht vor.
Die zweite Alternative des § 217 Abs. 3 BAO sieht vor, daß eine gesetzlich zustehende (oder durch Bescheid zuerkannte) Zahlungsfrist unmittelbar an eine "sonst für die Entrichtung einer Abgabe zustehende Frist" anschließt. Aus der Bedeutung des hier verwendeten Wortes "sonst" kann dabei erschlossen werden, daß es sich bei der letztgenannten Frist um eine andere als die eingangs genannte "gesetzlich zustehende" Frist handeln muß. Da der Beschwerdeführerin eine - von der Nachfrist des § 210 Abs. 4 BAO unterschiedliche - Frist nicht zugestanden ist, kommt im Beschwerdefall auch eine Anwendung der zweiten Alternative des § 217 Abs. 3 BAO nicht in Betracht. Die Bestimmung des § 217 Abs. 3 BAO hat also - trotz der Einräumung einer (die Einbringung hemmenden) Nachfrist im Sinne des § 210 Abs. 4 BAO - zur Folge, daß bei Erlassung eines Bescheides über Selbstbemessungsabgaben nach § 201 BAO die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages nicht verhindert wird (vgl. Stoll, BAO-Handbuch, S. 504 und S. 544).
Abs. 4 des § 217 BAO hat schließlich zur Voraussetzung, daß ein Bescheid, der eine sonstige Gutschrift zur Folge hatte, abgeändert oder aufgehoben worden ist. Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall gleichfalls nicht erfüllt. Ein geänderter oder aufgehobener Bescheid liegt nicht vor, die Gutschrift an Investitionsprämie erfolgte vielmehr entsprechend § 9 IPrämG auf Grund einer Selbstbemessung. Dies wird auch von der Beschwerdeführerin erkannt, die hiezu die Auffassung vertritt, § 217 Abs. 4 BAO sei per analogiam auf den Streitfall anzuwenden.
Eine Gesetzeslücke, die durch Analogie geschlossen werden könnte, liegt jedoch im Bereich des § 217 Abs. 4 BAO nicht vor:
Zwischen Fällen, in denen sich eine Gutschrift auf Grund eines - nach amtswegigen Ermittlungen erlassenen - Bescheides ergibt, und Fällen, in denen eine Gutschrift - wie im Beschwerdefall - aus einer Selbstberechnung folgt, bestehen derartige Unterschiede im Tatsächlichen, daß eine Analogie ausgeschlossen ist. Wie aus der Bestimmung des § 9 IPrämG ersichtlich ist, hat der Gesetzgeber vielmehr ausdrücklich darauf Bedacht genommen, daß nicht dem Gesetz entsprechende Gutschriften im Hinblick auf den bei einer solchen Selbstberechnung eingeräumten Vertrauensvorschuß mit der Säumnisfolge des Zuschlages nach § 217 BAO zu belegen sind.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990130019.X00Im RIS seit
11.07.2001