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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert sowie die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Ernst P in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz (Berufungssenat I), vom 14.Juni 1983, GZ GA 10-276/3/89, BS I - 57/88, betreffend Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der im Jahre 1979 gegründeten P GmbH, die sich mit Kunststoff- und Metallwarenerzeugung befaßte. Am 28. Oktober 1985 wurde über das Vermögen der GmbH das Ausgleichsverfahren und am 10. April 1986 der Anschlußkonkurs eröffnet.
Aus der am 16. Jänner 1986 eingebrachten Umsatzsteuererklärung der GmbH für 1984 ergab sich, daß die Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis Dezember 1984 nicht in voller Höhe entrichtet worden sind (ausgewiesene Restschuld S 493.919,--). Im Jahre 1985 wurden nur für die Monate Jänner bis Mai Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben. Im Zuge einer im April 1987 durchgeführten Umsatzsteuer-Nachschau wurde festgestellt, daß auch Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Jänner bis Mai 1985 nicht zur Gänze entrichtet worden waren.
Im Zuge von Lohnsteuerprüfungen wurde ferner festgestellt, daß von der GmbH für die Zeit von Jänner 1984 bis April 1986 Lohnsteuer in Höhe von S 172.153,--, Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe in Höhe von S 94.291,-- und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichfonds für Familienbeihilfe in Höhe von S 6.934,63 nicht abgeführt (entrichtet) worden sind.
Anläßlich seiner ersten Vernehmung als Beschuldigter gab der Beschwerdeführer am 10. Juli 1986 gegenüber der Finanzstrafbehörde erster Instanz an, zu den Differenzen hinsichtlich Umsatzsteuervorauszahlungen und der lohnabhängigen Abgaben sei es dadurch gekommen, daß sich das Unternehmen bereits im Jahr 1984 in finanziellen Schwierigkeiten befunden habe, weswegen die Abgaben nicht immer in der richtigen Höhe geleistet werden konnten.
Nach einem umfangreichen finanzbehördlichen Strafverfahren wurde der Beschwerdeführer mit Erkenntnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz (Spruchsenat) vom 11. Jänner 1989 der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG, begangen durch Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate Jänner 1984 bis Mai 1985 im Ausmaß von S 612.792,-- sowie - hinsichtlich der angeführten lohnabhängigen Abgaben - der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig erkannt.
Auf Grund der durchgeführten Ermittlungen ging die Finanzstrafbehörde dabei davon aus, daß sich die Verkürzung von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Factoring-Geschäftes ergab: Dem Factor wurden Rechnungen der GmbH zum Ankauf von Kundenforderungen vorgelegt, hinsichtlich welcher eine Warenlieferung nicht bzw. noch nicht ausgeführt worden war. Die in diesen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer sei bei der Erstellung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen nicht berücksichtigt worden. In subjektiver Hinsicht billigte die Finanzstrafbehörde dabei dem Beschwerdeführer hinsichtlich der fingierten Rechnungen - denen also überhaupt keine Warenlieferungen noch etwa ein entsprechender Auftrag eines Kunden zugrunde lag - einen entschuldbaren Irrtum zu. Hinsichtlich der sonstigen Verkürzungen an Umsatzsteuervorauszahlungen gelangte die Finanzstrafbehörde auf Grund von Zeugenaussagen zu dem Schluß, daß der Beschwerdeführer gewußt habe, daß durch die von ihm angeordnete Vorgangsweise eine Verkürzung an Umsatzsteuervorauszahlungen eintritt. Er habe daher wissentlich gehandelt. Im Zusammenhang wies die Finanzstrafbehörde darauf hin, nur der Beschwerdeführer habe die in Rede stehenden Abgaben entrichten können. Er habe es unterlassen, die Abgaben zu entrichten, weil die GmbH nicht die notwendigen Barmittel zur Verfügung hatte.
Der gegen dieses Straferkenntnis vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde teilweise Folge gegeben: Der Beschwerdeführer wurde unter Aufrechterhaltung des Schuldspruches hinsichtlich der Finanzordnungswidrigkeit in bezug auf die lohnabhängigen Abgaben auch hinsichtlich der Unterlassung der Entrichtung von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen im Betrag von S 612.792,-- der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig erkannt. In der Begründung übernahm die belangte Behörde die Feststellungen der Finanzstrafbehörde erster Instanz. Zur Schuldseite vertrat sie die Ansicht, auf Grund des persönlichen Eindruckes des Beschuldigten lasse sich die - hinsichtlich des Tatbestandes nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG vorauszusetzende - Wissentlichkeit nicht nachweisen.
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Einer Finanzordnungswidrigkeit macht sich gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig, wer vorsätzlich unter anderem Abgaben, die selbst zu berechnen sind, und Vorauszahlungen an Umatzsteuer nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, daß der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages bekanntgegeben wird.
Aus der Sicht des objektiven Tatbestandes wendet sich der Beschwerdeführer zunächst gegen die Höhe des von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten nicht entrichteten Abgabenbetrages. Der Beschwerdeführer verweist dazu auf die Aussage des in der Berufungsverhandlung von der belangten Behörde als Zeugen vernommenen Betriebsprüfers, wonach ihm bei der am 2. April 1987 gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG vorgenommenen Umsatzsteuernachschau lediglich drei Ordner nicht numerierter "Kontrollscheine" zur Verfügung standen, sodaß eine Überprüfung der Vollständigkeit der Unterlagen nicht möglich gewesen sei. Dieses Vorbringen, das sich übrigens allein auf die Höhe der Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis Mai 1985 beziehen kann - die nichtentrichteten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Jänner bis Dezember 1984 wurden aus der vom Beschwerdeführer selbst eingereichten Umsatzsteuererklärung für 1984 ermittelt -, geht ins Leere: Wenn die belangte Behörde - lediglich - die durch die (unvollständigen) Unterlagen EINDEUTIG nachgewiesenen nicht entrichteten Abgabenbeträge ihrer Entscheidung zugrunde legte, kann der Beschwerdeführer nicht in einem subjektiven Recht verletzt sein.
Mit dem weiteren Einwand, die fingierten Ausgangsrechnungen seien "möglicherweise" keine Rechnungen im Sinne des § 11 UStG 1972, übersieht der Beschwerdeführer folgendes: Bereits im Straferkenntnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz - dem sich die belangte Behörde ausdrücklich angeschlossen hat - wurde dargelegt, daß die in den fingierten Rechnungen (als "W-Rechnungen" bezeichnet) ausgewiesene Umsatzsteuer bei der Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages NICHT berücksichtigt worden ist.
Der Beschwerdeführer erhebt schließlich Einwendungen gegen die Annahme der belangten Behörde, er habe vorsätzlich gehandelt. Vorsätzliches Handeln beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungegerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlußfolgerungen als Ausfluß der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom 21. November 1985, Zl. 85/16/0086, und vom 19. November 1986, Zl. 85/16/0096). Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund des (insbesondere im Straferkenntnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz ausführlich dargestellten) Feststellungsergebnisses zu der Auffassung gelangte, daß die gegenständlichen Abgaben (Umsatzsteuer-Vorauszahlungen und lohnabhängige Abgaben) vorsätzlich nicht entrichtet worden sind: Anläßlich seiner ersten Vernehmung durch die Finanzstrafbehörde erster Instanz - Angaben bei der ersten Vernehmung kommen der Wahrheit erfahrungsgemäß am nächsten (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1987, Zl. 87/16/0076) - gab der Beschwerdeführer an, daß Umsatzsteuer-Vorauszahlungen und lohnabhängige Abgaben wegen finanzieller Schwierigkeiten der GmbH nicht "in der richtigen Höhe geleistet werden konnten". Aus dieser Aussage ergibt sich schon, daß der Beschwerdeführer sich die Verwirklichung des tatbildmäßigen Unrechts - nämlich die Nichtentrichtung der Abgaben - direkt zum Ziel gesetzt hat. Daraus folgt, daß der Beschwerdeführer es mit direktem Vorsatz unterlassen hat, die gegenständlichen Abgabenschuldigkeiten zu entrichten. Dabei ist der Beweggrund dieses Verhaltens - die in der Folge ein Insolvenzverfahren herbeiführenden Liquiditätsprobleme - für die Feststellung des Vorsatzes nicht maßgeblich (vgl. OGH EvBl. 1957/431).
Mit den (in der Beschwerde neuerlich erhobenen) Einwendungen gegen die Annahme vorsätzlichen Verhaltens hat sich bereits die Finanzstrafbehörde erster Instanz - im Verwaltungsverfahren letztlich unwidersprochen - auseinandergesetzt. So gelangten auf Grund der vorliegenden Beweise (unter anderem auch der vom Kreisgericht Korneuburg in dem gegen den Beschwerdeführer durchgeführten Strafverfahren zu 11 d Vr 263/88 aufgenommenen Beweise) die Finanzstrafbehörden schlüssigerweise zu der Auffassung, daß der Beschwerdeführer trotz der Krankenhaus- und Kuraufenthalte in den Jahren 1984 und 1985 zur Ausübung der Geschäftsführertätigkeit befähigt gewesen ist.
Soweit vom Beschwerdeführer als Widerspruch gerügt wird, einerseits werde ihm von der Behörde ein Rechtsirrtum hinsichtlich der Anwendung der Bestimmung des § 11 Abs. 14 UStG zugebilligt, andererseits werde ihm aber Vorsatz zur Last gelegt, ist ihm entgegenzuhalten, daß aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe des Straferkenntnisses der Finanzstrafbehörde erster Instanz eindeutig erkennbar ist, daß die Behörde einen solchen Rechtsirrtum nur hinsichtlich der in den fingierten Rechnungen - denen überhaupt keine Lieferungen zugrunde lagen - ausgewiesenen Umsatzsteuer angenommen hat. Demzufolge hat die Behörde auch - wie bereits ausgeführt - diese Umsatzsteuerverbindlichkeiten nicht in den strafbestimmenden Wertbetrag aufgenommen.
Der Beschwerdevorwurf, die Behörde habe die Aussage des Beschwerdeführers selbst sowie des Steuerberaters der Gesellschaft und des Geschäftspartners W. unberücksichtigt gelassen und lediglich aus der Aussage der Zeugin M (der Buchhalterin) auf Vorsatz geschlossen, steht im Widerspruch zu der umfangreichen Beurteilung der aufgenommenen Beweise durch die Finanzstrafbehörde erster Instanz. Überdies steht das Ergebnis der von der Behörde durchgeführten Beweiswürdigung (§ 98 Abs. 3 FinStrG) mit den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens im Einklang; die Sachverhaltsannahmen der Behörde wurden in einem von wesentlichen Mängeln freien Verfahren gewonnen.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hinderte auch der Umstand, daß das gerichtliche Strafverfahren noch nicht abgeschlossen war, die belangte Behörde keineswegs daran, vom Gericht aufgenommene Beweise zu verwerten; ob es zu einer Verurteilung des Beschwerdeführers für im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit begangene gerichtlich strafbare Handlungen kommt, ist für den Vorwurf eines Finanzvergehens nicht von Bedeutung, da diesbezüglich eine Bindung der Finanzstrafbehörde an eine Entscheidung des Strafgerichtes nicht besteht. Im übrigen ist dem Finanzstrafrecht ein Grundsatz der Unmittelbarkeit fremd (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1986, Zl. 85/16/0096).
Der Beschwerdeführer wurde somit durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt, sodaß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Unmittelbarkeitsprinzip Gegenüberstellungsanspruch Fragerecht der Parteien VwRallg10/1/2Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990130279.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
02.03.2016