Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §45 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert sowie die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dr. NN in W gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VII) vom 16. November 1990, GZ 6/3-3063/90, betreffend Einkommensteuer 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte in der Einkommensteuererklärung für 1987 eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung infolge Heiratsausstattung der Tochter Susanne in Höhe von S 250.000,--. Aus den Beilagen zu dieser Erklärung war ersichtlich, daß der Beschwerdeführer die Heiratsausstattung in fünf Teilbeträgen zu je S 50.000,-- am 25. Jänner, 28. Februar, 30. Juni, 1. August und 8. Dezember 1987 hingegeben hatte.
Bei der Ermittlung der Einkommensteuer für 1987 wurde die beantragte Steuerermäßigung mit der Begründung nicht zuerkannt, daß das ab 1. Jänner 1984 geltende Abzugsverbot für die Hingabe einer Heiratsausstattung erst mit Wirkung ab 6. August 1987 aufgehoben worden sei.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 1987 erhob der Beschwerdeführer mit der Begründung Berufung, daß auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1987, G 52/87, die Abzugsfähigkeit des Heiratsgutes für das Steuerjahr 1987 wieder gegeben gewesen sei.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie vertrat dabei die Auffassung, daß die ersten vier Teilbeträge der Heiratsausstattung vor dem Wirksamwerden der Aufhebung des 2. Satzes des § 34 Abs. 2 EStG 1972 durch den Verfassungsgerichtshof geleistet worden seien und demzufolge nur die am 8. Dezember 1987 erfolgte Teilzahlung "allenfalls" Berücksichtigung hätte finden können; dieser Betrag von S 50.000,-- sei jedoch unter der zumutbaren Mehrbelastung im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG 1972 geblieben.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid der belangten Behörde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem zweiten Satz des § 34 Abs. 2 EStG 1972 in der Fassung des Bundesgesetzes vom 29. November 1983, BGBl. Nr. 587, ist die Leistung eines Heiratsgutes (einer Ausstattung) keine außergewöhnliche Belastung. Diesen Satz hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 16. Juni 1987, G 52/87-7, als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung wurde im BGBl. Nr. 380/1987, ausgegeben am 6. August 1987, kundgemacht.
Gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG ist mangels Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten durch den Verfassungsgerichtshof die Aufhebung des § 34 Abs. 2 zweiter Satz EStG 1972 am Tage der Kundmachung, somit am 6. August 1987, in Kraft getreten. Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG ist die aufgehobene Bestimmung auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles weiterhin anzuwenden, zumal der Verfassungsgerichtshof nichts anderes ausgesprochen hat. Als Verwirklichung des Tatbestandes im genannten Sinne ist dabei die Leistung des Heiratsgutes anzusehen. Wurde das Heiratsgut vor dem 6. August 1987 geleistet, konnte diese Leistung nach der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage keine außergewöhnliche Belastung darstellen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 1988, Zl. 88/14/0116, und vom 24. Oktober 1990, Zl. 90/13/0224).
Diese Rechtsfolge trat unabhängig vom Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung ein, weil eben auf Grund der Bestimmungen des Art. 140 Abs. 5 und 7 B-VG die Aufhebung des zweiten Satzes des § 34 Abs. 2 EStG 1972 erst für die Leistungen eines Heiratsgutes (einer Ausstattung) nach dem 5. August 1987 wirksam wurde (vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1988, Zl. 88/14/0116, und die dort angeführten weiteren Hinweise). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt es damit auf den "Zeitpunkt der Berechnung des Einkommens" - ebenso wie auf den Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 1987 - nicht an. Der Argumentation des Beschwerdeführers ist dabei insbesondere entgegenzuhalten, daß die bis zum 5. August 1987 wirksame Bestimmung des § 34 Abs. 2 zweiter Satz EStG 1972 ausdrücklich auf die "Leistung des Heiratsgutes", also auf die tatsächliche Vorausgabung des Aufwandes abgestellt hat. Auch wenn der Bemessung der Einkommensteuer im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG 1972 das innerhalb des Kalenderjahres bezogene Einkommen - bei dessen Ermittlung regelmäßig eine Vielzahl einzelner Sachverhalte zu berücksichtigen sein wird - zugrunde zu legen ist, ist dadurch, daß in der gegenständlichen Bestimmung des § 34 Abs. 2 zweiter Satz EStG 1972 ausdrücklich auf die LEISTUNG des Heiratsgutes abgestellt worden ist, im Sinne der zitierten Rechtsprechung der Zeitpunkt der Verausgabung der als Heiratsausstattung hingegebenen Beträge maßgebend.
Dem Umstand, daß im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG 1972 bei der Abgabenfestsetzung auf das innerhalb des Kalenderjahres bezogene Einkommen abgestellt ist, kann entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch nicht der Grundsatz entnommen werden, daß der Ermittlung des Einkommens stets die am Ende des Steuerabschnittes (Kalenderjahres) geltende Rechtslage zugrunde zu legen ist, besonders dann nicht, wenn es um Ausgaben geht, die während eines Teiles des Jahres kraft Gesetzes oder nach den Wirkungen eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes nicht abzugsfähig waren. Gesetzliche Übergangsbestimmungen können Abweichendes anordnen, kommen im Beschwerdefall aber nicht in Betracht.
Auch der Auffassung des Beschwerdeführers, der - aus der Sicht des am 8. Dezember 1987 geleisteten Teilbetrages allenfalls maßgeblichen - Ermittlung der zumutbaren Mehrbelastung im Sinne des § 34 Abs. 5 EStG 1972 könne nur das ab 6. August 1987 bis 31. Dezember 1987 erzielte Einkommen zugrunde gelegt werden, kann nicht gefolgt werden: § 34 Abs. 5 EStG 1972 ist durch das angeführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1987, G 52/87, nicht berührt worden. Nach dieser Gesetzesstelle ist bei der Feststellung der zumutbaren Mehrbelastung von dem nach § 2 Abs. 2 EStG 1972 ermittelten Einkommen des Steuerpflichtigen auszugehen. Im § 2 Abs. 2 EStG 1972 wird der im Abs. 1 als Grundlage der Steuerfestsetzung bestimmte Begriff "Einkommen" näher definiert. Nach Abs. 1 des § 2 EStG 1972 ist der Besteuerung das während des Kalenderjahres bezogene Einkommen zugrunde zu legen. Daraus folgt, daß auch die zumutbare Mehrbelastung im Sinne des § 34 Abs. 5 EStG 1972 vom Jahreseinkommen zu ermitteln ist.
Der Grundsatz des Parteiengehörs (vgl. § 115 Abs. 2 BAO) verpflichtet schließlich die Abgabenbehörde entgegen den Beschwerdeausführungen nicht, der Partei vor Erlassung der in Aussicht genommenen Entscheidung die von der Behörde eingenommene Rechtsansicht vorzuhalten (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1967, Zl. 316/66).
Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor, sodaß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990130287.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
14.04.2017