TE Vfgh Beschluss 1989/2/27 B1532/88, B54/89

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Veröffentlicht am 27.02.1989
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33

Leitsatz

Verspätete Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages - vom Zeitpunkt des Wegfalles des Hindernisses für die fristgerechte Beschwerdeeinbringung an gerechnet

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Beschwerde werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 19. April 1988, Z128.684/4-ZDOK/3/88, wies die Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK) den von W G unter Berufung auf §2 Abs1 Zivildienstgesetz, BGBl. 679/1986, (ZDG) gestellten Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung als unbegründet ab.

1.1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, am 7. September 1988 zur Post gegebene und auf Art144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde des (durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt vertretenen) W G an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung im Grundrecht nach §2 Abs1 ZDG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wurde.

1.2.1. In Entsprechung der Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes vom 16. September 1988, B1532/88-2, den Tag der Bescheidzustellung bekanntzugeben, teilte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21. September 1988 (hg. ONr. 3) mit, daß ihm der angefochtene Verwaltungsakt am 1. August 1988 zugestellt worden sei.

1.2.2. Da aus den von der ZDOK als belangter Behörde vorgelegten Administrativakten hervorging, daß der in Rede stehende Bescheid bereits am 5. Juli 1988 beim Postamt 1180 Wien hinterlegt und ab 6. Juli 1988 zur Abholung bereitgehalten wurde, fragte der Verfassungsgerichtshof bei diesem Amt mit Note vom 7. November 1988 nach, ob und wann der Beschwerdeführer die hinterlegte Sendung behoben habe.

1.2.3. In Beantwortung dieser Anfrage gab das Postamt 1180 Wien mit Schreiben vom 22. November 1988 (hg. ONr. 9) bekannt, daß die hinterlegte Sendung am 8. Juli 1988 von W G persönlich übernommen wurde.

Mit Note vom 25. November 1988 stellte der Verfassungsgerichtshof dem Einschreiter eine Ablichtung dieser postamtlichen Mitteilung zu.

1.3.1. In der Folge brachte W G mit einer am 9. Dezember 1988 zur Post gegebenen Eingabe den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ein (protokolliert zum hg. AZ B54/89).

1.3.2. Begründend führte der Einschreiter dazu aus, er habe unmittelbar nach Behebung des bekämpften Bescheides der ZDOK seinen Anwalt und damaligen Arbeitgeber mit der Einbringung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde beauftragt. Sein Rechtsfreund habe aber aufgrund eines Irrtums, und zwar offensichtlich durch Verblättern im Vormerkkalender um vier Wochen, Dienstag, den 13. September 1988 anstatt Dienstag, den 16. August 1988 als letzten Tag der Beschwerdefrist vorgemerkt und darum in weiterer Folge die Beschwerde um etwa vier Wochen verspätet erhoben. Erst aus der Note des Verfassungsgerichtshofes vom 25. November 1988 sei ihm die Tatsache der verspäteten Beschwerdeerhebung zur Kenntnis gelangt. Da seinem Anwalt ein derartiger, auf leichter Fahrlässigkeit beruhender Fehler erstmalig unterlief, liege ein Wiedereinsetzungsgrund vor.

2.1. Zum Wiedereinsetzungsantrag:

2.1.1. Gemäß §33 VerfGG 1953 kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden.

Da das VerfGG 1953 in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach §148 Abs2 ZPO muß ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen vierzehn Tagen gestellt werden; diese - nicht verlängerbare - Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis, das die Fristversäumung verursachte, weggefallen ist.

2.1.2. Im konkreten Fall standen der Irrtum des Anwaltes und die daraus folgende falsche Fristvormerkung der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde entgegen. Eine derartige Fehlleistung bei der Vormerkung des Termins für den Ablauf der Beschwerdefrist wurde nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wiederholt als Nächlässigkeit qualifiziert, die gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht und die damit auf einem - die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindernden - minderen Grad des Versehens iS des §146 Abs1 ZPO beruht (s. zB VfSlg. 11427/1987, 11537/1987).

Dieses Hindernis entfiel allerdings nicht erst mit Zustellung der Note des Verfassungsgerichtshofes vom 25. November 1987, sondern schon früher: Denn der Beschwerdeführer hatte - laut eigenem Vorbringen - am 21. September 1988 als Kanzleibediensteter seines Rechtsfreundes den Mängelbehebungsauftrag des Verfassungsgerichtshofes selbst bearbeitet, und zwar unter Zuhilfenahme des vom Anwalt (unrichtig) geführten Kalenders und der darin vermerkten Termine in seiner Beschwerdesache. So gesehen mußte der Einschreiter, der den bekämpften Bescheid am 8. Juli 1988 persönlich behoben hatte, bei gebotener Aufmerksamkeit, auch unter Berücksichtigung der behaupteten Belastung durch die (immerhin fünf Wochen nach der Bescheidbehebung spielenden) Ereignisse im Anschluß an die polizeiliche Räumung zweier Häuser in Wien-Mariahilf schon am 21. September 1988 erkennen (vgl. dazu: VfSlg. 11706/1988), daß der von seinem Anwalt im Kalender vermerkte (End-)Termin für die Einbringung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde (: 13. September 1988) nicht sechs, sondern etwa zehn Wochen nach dem Tag der Zustellung bzw. der Übernahme des Bescheides lag, eine Beschwerdeerhebung iS der Terminvormerkung somit verspätet war.

Bei dieser Sachlage wäre der Einschreiter - weil der (von ihm als einziger Wiedereinsetzungsgrund geltend gemachte) Irrtum (Fehler) bei der Fristvormerkung offen lag, das Hindernis für die fristgerechte Beschwerdeeinbringung somit weggefallen war - gehalten gewesen, binnen vierzehn Tagen, und zwar vom 21. September 1988 an gerechnet, einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen.

Der erst am 9. Dezember 1988 zur Post beförderte Antrag war darum verspätet und als unzulässig zurückzuweisen.

2.2. Zur Beschwerde:

2.2.1. Kraft §82 Abs1 iVm §15 Abs1 VerfGG 1953 kann eine Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG nur innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides erhoben werden, und zwar beim Verfassungsgerichtshof selbst, wobei, richtige Adressierung vorausgesetzt, die Tage des Postenlaufes in diese Frist nicht einzurechnen sind (§35 Abs2 VerfGG 1953; VfSlg. 11148/1986; VfGH 28.9.1987 B564/87).

2.2.2. Da der Wiedereinsetzungsantrag - wie zu Abschnitt 2.1. beschrieben - als unzulässig zurückgewiesen wurde, ist auch die erst am 7. September 1988 zur Post gegebene Beschwerde gegen den bereits am 6. Juli 1988 zugestellten Bescheid der ZDOK als verspätet anzusehen.

2.2.3. Die Beschwerde war daher als unzulässig zurückzuweisen.

2.3. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 litb und §33 VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:B1532.1988

Dokumentnummer

JFT_10109773_88B01532_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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