TE Vfgh Erkenntnis 1989/2/27 B141/88

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Veröffentlicht am 27.02.1989
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt / Willkür keine
StGG Art5 / Verwaltungsakt / Verletzung keine
StGG Art6 Abs1 / Liegenschaftserwerb
Tir GVG 1983 §6 Abs1 litc

Leitsatz

Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Kaufvertrages, da das Waldgrundstück nicht selbst bewirtschaftet werden kann; keine Willkür; keine denkunmögliche Gesetzesanwendung, keine Verletzung der Liegenschaftserwerbsfreiheit

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Kaufvertrag vom 24. Juli 1986 erwarb die Freiwillige Rettung Innsbruck - Bezirksstelle Innsbruck-Stadt des Österreichischen Roten Kreuzes, Landesverband Tirol, von R S die Liegenschaft EZ 4288 KG Hötting, bestehend aus dem Grundstück 3297/2 Wald im Ausmaß von 6.332 m2, um einen Kaufpreis von

S 250.000,--.

2.1. Mit Eingabe vom 5. August 1986 suchte die Käuferin um grundverkehrsbehördliche Genehmigung dieses Rechtserwerbes an und verwies darauf, daß sie Eigentümerin eines angrenzenden Waldgrundstückes sei, zu dem die Zufahrt nur über das angekaufte Grundstück möglich und durch dessen Erwerb gesichert sei.

Die Grundverkehrsbehörde Innsbruck ersuchte hierauf die Abteilung IX (Agrar-, Forst- und Gartenamt) des Stadtmagistrates Innsbruck um örtliche Beschreibung und Stellungnahme nach dem Tiroler Grundverkehrsgesetz, LGBl. 69/1983 (künftig: GVG 1983). Die Magistratsabteilung gab folgende Äußerung ab:

"Die gef. Abteilung ist der Meinung, daß die Zufahrt zur sogenannten 'Rettungshütte' in Hötting auch durch eine Servitut gesichert werden kann.

Es wäre daher wohl zweckmäßig, wenn die Stadtgemeinde die gegenständliche Waldfläche erwirbt und bewirtschaftet, weil die Rettung Innsbruck das gegenständliche Grundstück nicht selbst im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften kann.

Die Grundparzelle selbst liegt östlich angrenzend an den sogenannten Stichweg oberhalb von Gramart und ist im Osten auf ca. 1/6 der Grundstücksfläche mit 10- bis 15-jährigen Fichten, Buchen und Kiefern bestockt. Die übrigen 5/6 der Parzelle weisen einen 80- bis 100-jährigen Altholzbestand auf. Die Baumartenverteilung beträgt hier 0,9 Fichten und 0,1 Kiefern und Lärchen. Der Bestockungsgrad wurde mit 0,8 und die mittlere Absolutbonität mit 7 ermittelt."

Hierauf versagte die Grundverkehrsbehörde Innsbruck mit Bescheid vom 11. Dezember 1986 dem beabsichtigten Rechtserwerb die Zustimmung gemäß §6 Abs1 litc GVG 1983.

2.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 27. Oktober 1987, Z LGv-277/2, als unbegründet abgewiesen.

Dies wurde im wesentlichen wie folgt begründet:

"Nach dem Ausweis der Verwaltungsakten und dem eigenen Vorbringen der Käuferin im Verwaltungsverfahren kann als außer Streit gestellt erachtet werden, daß die Rechtserwerberin weder über einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb ... verfügt noch sie eine wie immer geartete Intention aufweist, das Kaufgrundstück als Basis für einen solchen - noch zu gründenden - Betrieb zu verwenden. Im Grundverkehrsrecht war aber seit jeher (§5 Abs1 Z. 1 StGBl. 583/1919) der Gedanke tragend, es komme darauf an, ob ein 'ausreichender Grund zur Annahme vorliegt, daß der Erwerber das Grundstück nicht selbst bewirtschaften wird' (VfGH-Slg. 5683/1968). ...

Die Nicht-Selbstbewirtschaftung nach §6 Abs1 litc GVG bildet einen speziellen Versagungstatbestand (VfGH-Slg. 8245/1978)

...

Im Verwaltungsverfahren sind auch keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, daß die künftige Verwendung der Liegenschaft im Vergleich zu den nach §4 geschützten Interessen als höherwertig anzusehen wären bzw. die vom Gesetzgeber genannten Zustimmungsvoraussetzungen im Sinne des §5 GVG vorliegen würden. Der Behörde I. Instanz ist in diesem Zusammenhang durchaus beizupflichten, daß für den angestrebten Zweck ('Sicherung der Zufahrt') ausreichend wäre, wenn sich die Berufungswerberin eine Dienstbarkeit sichern würde (vergl. hiezu auch das Erkenntnis des VfGH. vom 27.9.1986, B212/85-18)."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Liegenschaftserwerbsfreiheit geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1.1. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz lastet die Beschwerdeführerin der belangten Behörde an, weil sie sich von unsachlichen Erwägungen leiten habe lassen. Diese bestünden darin, daß ganz offensichtlich die Stadtgemeinde Innsbruck ein Interesse am Erwerb der Liegenschaft besitze. Anders sei es nämlich nicht erklärbar, daß die belangte Behörde in der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 8. September 1986 die Auffassung vertrete, es wäre zweckmäßig, wenn die Stadtgemeinde die gegenständliche Waldfläche erwerbe und bewirtschafte, weil die Rettung Innsbruck das Grundstück nicht selbst im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften könne. Ein weiteres Indiz für Willkür liege in der Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt, nämlich zu den Darlegungen der Beschwerdeführerin, daß sie ihr an das Kaufgrundstück angrenzendes Waldgrundstück bereits seit 1918 forstwirtschaftlich betreut habe.

4.1.2. Die belangte Behörde tritt diesen Vorwürfen in ihrer Gegenschrift entschieden entgegen. Der Vorwurf, die belangte Behörde hätte mit der bekämpften Entscheidung erreichen wollen, daß der Erwerb der strittigen Liegenschaft durch die Stadtgemeinde Innsbruck erfolgen könne, stelle "eine derartige Ungeheuerlichkeit dar, daß Überlegungen anzustellen sein werden, ob dieses Vorbringen nicht den (Straf-)Tatbestand des §297 StGB. erfüllt". Die Vorwürfe seien auf Grund der Zusammensetzung der Landesgrundverkehrsbehörde schon vom Ansatz her undenkbar. Im übrigen verweist die belangte Behörde darauf, daß die Beschwerdeführerin selbst unter Hinzurechnung der vom strittigen Rechtsgeschäft umfaßten Waldfläche insgesamt lediglich über Wald in der Größenordnung von 1 ha verfügen würde, sodaß von einem forstwirtschaftlichen Betrieb nicht die Rede sein könne.

4.1.3. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides, insbesondere §4 Abs1 und §6 Abs1 litc GVG wurden nicht behauptet, solche sind aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles im Verfassungsgerichtshof auch nicht entstanden; hiezu genügt es, auf die Vorjudikatur zu verweisen (vgl. VfSlg. 6991/1973, 7538/1975, 7546/1975, 7685/1975, 8011/1977, 8245/1978, 9009/1981). Die belangte Behörde hat den genannten Bestimmungen auch keinen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt. Die Beschwerdeführerin behauptet vielmehr ein willkürliches Vorgehen der belangten Behörde.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985).

Auch davon kann jedoch keine Rede sein. Das Verfahren ergibt nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß die belangte Behörde der Beschwerdeführerin den Kauf der in Rede stehenden Liegenschaft untersagt habe, um deren Ankauf der Stadtgemeinde Innsbruck zu ermöglichen. Daß im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen wird, für die Sicherung der Zufahrt zum Grundstück der Beschwerdeführerin sei der Eigentumserwerb am Kaufobjekt keineswegs notwendig, da hiefür eine Servitut ausreiche, wird der Behörde ebenfalls zu Unrecht als Indiz für Willkür vorgehalten. Die belangte Behörde bezog sich mit den gerügten Ausführungen nämlich ausschließlich auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die schon das Genehmigungsansuchen mit der Notwendigkeit einer Sicherung der Zufahrt begründet hatte. Der belangten Behörde kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie in Ansehung des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin selbst unter Hinzurechnung der vom strittigen Rechtsgeschäft umfaßten Fläche lediglich über Wald in einer Größenordnung von 1 ha verfügen würde, das Vorliegen eines forstwirtschaftlichen Betriebes verneint. Unter diesen Umständen kann jedenfalls nicht davon die Rede sein, daß die belangte Behörde die Rechtslage in gehäuftem Maße verkannt oder eine ordnungsgemäße Ermittlungstätigkeit in einem entscheidungswesentlichen Punkt unterlassen hätte.

Die behauptete Gleichheitsverletzung liegt somit nicht vor.

4.2.1. Die Beschwerdeführerin behauptet weiters, der angefochtene Bescheid verletze sie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Liegenschaftserwerbsfreiheit. Daß im gegenständlichen Verfahren ein öffentliches Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes nicht gegeben ist, sei unbestritten. Den Versagungstatbestand des §6 Abs1 litc GVG habe die belangte Behörde jedoch denkunmöglich angewendet, da sie der Beschwerdeführerin unterstellt habe, das erworbene Grundstück lediglich als Durchfahrtsstraße benützen zu wollen; die belangte Behörde übergehe dabei das Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß sie das in ihrem Eigentum stehende Waldgrundstück bereits seit 1918 durch zuständige Mitglieder hege und pflege. Da von der bisherigen Eigentümerin das Kaufobjekt überhaupt nicht bewirtschaftet worden sei, hätte es gerade das öffentliche Interesse an der Schaffung bzw. Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden forstwirtschaftlichen Grundbesitzes erfordert, den Rechtserwerb zu bewilligen.

4.2.2. Das durch Art6 StGG gewährleistete Recht, Liegenschaften zu erwerben und darüber frei zu verfügen, richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur gegen jene historisch gegebenen Beschränkungen, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Klassen bestanden haben. Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen enthalten sind, werden durch Art6 StGG nicht ausgeschlossen (VfSlg. 9682/1983). Das durch Art6 StGG gewährleistete Recht könnte durch den angefochtenen Bescheid somit nur dann berührt worden sein, wenn die Genehmigung des Rechtsgeschäftes versagt worden wäre, um einen Landwirt beim Erwerb der Grundstücke zu bevorzugen (VfSlg. 9070/1981, 10797/1986).

Derartiges wird von der Beschwerdeführerin gar nicht behauptet, ein solcher Vorwurf gegen die belangte Behörde wäre auch offenkundig unbegründet.

In Wahrheit wird unter dem Titel der Verletzung der Liegenschaftserwerbsfreiheit eine behauptete Eigentumsverletzung geltend gemacht, die - bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen - nur vorläge, wenn die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte. Dies ist jedoch offenkundig nicht der Fall. Hiezu genügt es, einerseits auf die Ausführungen zu 4.1.3., andererseits auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (so insbesondere VfSlg. 7604/1975, 8011/1977, 8257/1978, 9009/1981 sowie VfGH 24.9.1987 B1105/86), auf die auch die belangte Behörde in der Gegenschrift Bezug nimmt, zu verweisen.

4.3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht Selbstbewirtschaftung, Liegenschaftserwerbsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:B141.1988

Dokumentnummer

JFT_10109773_88B00141_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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