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L10016 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Steiermark;Norm
B-VG Art117 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der N-GmbH in V, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 31. Juli 1986, Zl. 03-20 Si 26-85/2, betreffend Feststellung eines Grundstückes als öffentliche Straße (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.200,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach Durchführung einer Augenscheinsverhandlung erging der Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. Dezember 1984, dessen Spruch wie folgt lautet:
"Gemäß den § 3 und 4 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1974 in der Fassung LGBl/1974/133, in Verbindung mit § 56 AVG 1950, in der Fassung BGBl. 1982/199, wird festgestellt, daß es sich bei dem im Privateigentum stehenden, in der trichterförmigen Einmündung des Sandgrubenweges in die Feldkirchnerstraße (L 313) liegende Straßenstück Grundst. Nr. nn1 EZ. n5, KG. S, um eine öffentliche Straße im Sinne des § 2 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 handelt, daß für alle Arten des öffentlichen Verkehrs benützt werden kann.
Gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950, in der Fassung BGBl. 1982/199 wird die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzuge ausgeschlossen."
In der Begründung dieses Bescheides wird das Verwaltungsgeschehen ausführlich dargestellt und heißt es dabei unter anderem:
"Mit Teilungsplan vom 8.1.1960 des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen D.I. H wurde von Grundst. Nr. nn2, KG. S, eine Teilfläche mit der neuen Parzellenbezeichnung nn3 abgetrennt und diese von der Firma A. käuflich erworben; der Erwerb erfolgte rücksichtlich eines diesbezüglichen Auflagepunktes im Rahmen des gewerberechtlichen
Betriebsstättengenehmigungsbescheides für den Betrieb einer Schotterabbauanlage zum Zwecke der Verbreiterung der Verkehrsfläche des Sandgrubenweges, Grundst. Nr. nn4, KG. S, insbesondere im Ausmündungsbereich.
Durch Asphaltierung dieser Teilfläche wurde diese in den Naturbestand des Straßengrundstückes Nr. nn4, KG. S, integriert. Dementsprechend wurden zum Anlaß weiterer Grundstücksvermessungen im Zuge des Teilungsplanes D.I. K vom 10.1.1961 bwz. der dazu erstellten Beurkundung vom 19.1.1961 das Grundst. Nr. nn3, KG. S, im Zusammenhang mit Grundst. Nr. nn4 als öffentliches Gut bereits ausgewiesen, zumal schon damals die erklärte Absicht zur Übernahme dieser Grundstücksfläche in das öffentliche Gut (VZ 2-Verzeichnis) bestanden hatte. Dementsprechend wurden auch zum Anlaß der Widmung von Grundst. Nr. nn2, KG. S, zu Bauzwecken eine gesonderte Grundabtretung zur Herstellung von Verkehrsflächen vorgeschrieben und die Ausfahrt aus dem Grundstück Nr. nn2, KG. S, über dessen südwestliche Ecke in die öffentliche Verkehrsfläche genehmigt.
Das in der Natur bis zu seiner Veränderung vom 5.12.1984 als Wegfläche ausgebildet gewesene Grundstück Nr. nn3, KG. S, ist im Flächenwidmungsplan der Gemeinde S als Verkehrsfläche (Gemeindestraße) ausgewiesen.
Zum Anlaß der Widmung von Grundst. Nr. nn2, KG. S, zu Bauzwecken mit Bescheid vom 15.2.1961, GZ. 600/102/1961/Ed, wurde in Punkt (7) der Widmungsbedingungen die Auflage erteilt, daß für eine allfällige Verbreiterung der Wegparzelle Grundst. Nr. nn4, KG. S, der erforderliche Grund aus dem Widmungsgrundstück Nr. nn2, KG. S, kostenlos an die Gemeinde abzutreten ist.
Diese Abtretung wurde im Zuge dieses Verfahrens durch den Teilungsplan des D.I. K vom 10.1.1961 in der Form vorbereitet, daß die Grundstücke Nr. nn4 und nn3, beide KG. S, gemeinsam bereits als öffentliches Gut ausgewiesen wurden, um so dann in weiterer Folge in Form einer Mappenberichtigung die erforderliche Verbreiterungsfläche aus den Widmungsgrundstück Nr. nn2, KG. S, zu Grundst.Nr. nn3, KG. S hinzuzuschlagen.
Am 27.9.1984 wurde seitens der Gemeinde festgestellt, daß die Verkehrsfläche im Einmündungstrichter, in etwa im Bereiche der Katastergrenzen des Grundst. Nr. nn3, KG. S, mit gelber Farbe schraffiert wurde. Über Vorhalt wurde seitens der Firma A mitgeteilt, diese Fläche an die Firma N-GmbH, V, veräußert zu haben. Über Vorhalt erklärte die Letztgenannte, sich als grundbücherliche Eigentümerin zu einem solchen Vorgehen berechtigt zu halten, es handle sich um keine öffentliche Verkehrsfläche im Sinne des § 1, Stmk.
Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1964.
Diesem Standpunkt folgend wurden von der grundbücherlichen Eigentümerin in der Folge der Flächenbereich in etwa des Grundstückes Nr. nn3, KG. S, aufgegraben, die Befestigungsrollierung und Fahrbahndecke entfernt und nach Einbringen von Humus Büsche gepflanzt."
Zusammenfassend heißt es schließlich in der Begründung dieses Bescheides, aus den vielfachen Zeugenaussagen erweise sich, "daß der Straßenteil Grundstück Nr. nn3 für alle Arten des Verkehrs für jedermann ungehindert zur Deckung eines dringenden Verkehrsbedürfnisses benützt wurde".
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung.
Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde gab der Berufung der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 29. August 1985 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es abschließend, aus dem umfangreichen Ermittlungsverfahren im gegenständlichen Fall ergebe sich auch nach Auffassung der Berufungsbehörde, daß das Grundstück Nr. nn3 Teil der öffentlichen Straße sei. Dieses Grundstück als Teil der öffentlichen Straße sei in langjähriger Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt worden. An diesem Umstand ändere auch die Vielzahl von Verfahrensrügen nichts, die "von der belangten Behörde nach bestem Wissen und Gewissen untersucht und geprüft und als unrichtig erkannt wurden". Allerdings hätte jede Mitteilung an die Beschwerdeführerin über die Ermittlung des jeweiligen "Verfahrensrügenergebnisses" zur Folge gehabt, daß weitere und andere Verfahrensrügen vorgebracht worden seien. Trotz all dem vertrete die Berufungsbehörde die Auffassung, daß der maßgebende Sachverhalt im verwaltungsbehördlichen Verfahren hinreichend geklärt sei. Die Fragen des dringenden Verkehrsbedürfnisses und der langjährigen Übung hätten nach Auffassung der Behörde auf Grund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens und der Aussagen der Betroffenen über den Zweck der Wegbenützung ausreichend klargestellt und nachgewiesen werden können. In freier Beweiswürdigung komme auch die Berufungsbehörde zur Überzeugung, daß das gegenständliche Weggrundstück stets allgemein als öffentlicher Weg ungehindert benützt worden sei.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid der Vorstellung.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 94 Abs. 5 Gemeindeordnung 1967 der Vorstellung keine Folge gegeben "und der angefochtene Bescheid bestätigt". Die Anträge in den ergänzenden Schriftsätzen vom 20. Mai 1986 und 8. Juli 1986 auf Aufnahme ergänzender Beweise bzw. Durchführung eines Ortsaugenscheines wurden als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, der Einwand der Beschwerdeführerin in der Berufung, daß der Gemeinderat für die Entscheidung der vorliegenden Sache nicht zuständig sei, weil es darum gehe, die öffentliche Straße zu erweitern, und zwar um das Grundstück Nr. nn3, gehe ins Leere. Das Wesen der Entscheidung nach § 3 Landesstraßenverwaltungsgesetz 1964 liege darin, daß es sich hier um eine dem öffentlichen Recht zugehörige Befugnis der Gemeinde handle, im Rahmen der Hoheitsverwaltung festzustellen, daß ein Grundstück, auf das die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 leg. cit. zuträfen, als öffentliche Straße zu gelten habe; ob also eine bestehende Straße bereits als öffentliche Straße im Sinne des § 2 in Verwendung stehe.
Wie es in der Begründung an anderer Stelle weiters heißt, liege ein dringendes Verkehrsbedürfnis dann vor, wenn ohne Benützung der Straße oder des Straßenteiles wichtige Verkehrsbelange der Allgemeinheit nicht befriedigt oder wesentlich beeinträchtigt würden. Betrachte man im Sinne dieser Voraussetzung das durchgeführte Ermittlungsverfahren, so ergebe sich, daß "ausgenommen von den Aussagen einiger Anrainer" die Einfahrt in den Sandgrubenweg ohne Befahren des Grundstückes Nr. nn3 wesentlich beeinträchtigt werde. Diese Anrainer hätten aber bisher den Wegteil nur mit Pkw benützt. Es möge durchaus zutreffen, daß ein Einbiegen in den Sandgrubenweg mit Pkw auch ohne Benützung des Grundstückes Nr. nn3 möglich sei. Bei einem Befahren mit Lkw treffe diese Voraussetzung bereits nicht mehr zu. Die Feststellung des Bürgermeisters hinsichtlich der Öffentlichkeit dieses Wegstückes umfasse nach dem Bescheid aber das Befahren mit Fahrzeugen aller Art. Es sei daher das dringende Verkehrsbedürfnis schon allein unter diesem Gesichtswinkel als gegeben anzunehmen. Ein weiteres Indiz sei auch die Tatsache, daß sich die Gewerbebehörde genötigt gesehen habe, seinerzeit die Verbreiterung der Einfahrtstraße vorzuschreiben. Diese Vorschreibung habe ihre Notwendigkeit sicherlich in der Tatsache des flüssigeren und gefahrloseren Einfahrens in den Sandgrubenweg gehabt. Wie sich aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren ergeben habe, sei ein Befahren des Sandgrubenweges mit Lkw auch heute noch durchaus notwendig und auch gegeben, sodaß die Notwendigkeit des Befahrens des Grundstückes Nr. nn3 auch heute noch ihre Gültigkeit habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in folgenden Rechten verletzt:
"a) Auf Nichtanwendung der Bestimmung des § 2 des Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes betreffend das Grundstück Nr. nn3 KG. S wegen Fehlens der Tatbestandsvoraussetzungen
b) auf Durchführung eines mängelfreien Vorstellungsverfahrens
c) auf Nichtdurchführung eines Verfahrens durch eine unzuständige bzw. abgelehnte Behörde."
Die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 (LStVG. 1964), LGBl. Nr. 154, in der (für die hier anzuwendenden Gesetzesbestimmungen maßgebenden) Fassung der Novelle LGBl. Nr. 195/1969, sind öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes alle Straßen, die entweder von den zuständigen Stellen bestimmungsgemäß dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden sind oder die in langjähriger Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt werden. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind unter der Bezeichnung "Straße" auch Wege sowie im Straßenzug befindliche Plätze, Brücken, Durchfahrten, Durchgänge, Stiegen, Über- und Unterfahrungen und Tunnels mitverstanden.
Gemäß § 3 LStVG. 1964 entscheidet im Zweifel, ob eine Straße als öffentlich anzusehen ist oder in welchem Umfang sie der allgemeinen Benützung freisteht (Gemeingebrauch), die Gemeinde auf Antrag oder von Amts wegen.
Gemäß § 4 Abs. 3 LStVG. 1964 muß der Bescheid, mit dem die Öffentlichkeit ausgesprochen wird, zum Ausdruck bringen, für welche Arten des öffentlichen Verkehrs (Fahr-, Reit-, Radfahr-, Fußgängerverkehr usw.) die Straße benützt werden kann.
Die §§ 7 und 8 LStVG. 1964 haben folgenden Wortlaut:
"§ 7
(1) Die unter dieses Gesetz fallenden Straßen sind in folgende Gattungen eingereiht:
1. Landesstraßen, das sind Straßen, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Verkehr oder für die Wirtschaft des Landes oder größerer Teile desselben zu solchen erklärt wurden (§ 8).
2. Eisenbahn-Zufahrtsstraßen, das sind jene außerhalb eines Ortsstraßennetzes gelegenen öffentlichen Straßen, welche die Verbindung der Bahnhöfe und Aufnahmestellen mit der nächst erreichbaren, dem Bahnhofverkehr entsprechenden öffentlichen Straße (Ortsplatz) vermitteln und als solche erklärt wurden (§ 8).
3. Konkurrenzstraßen, das sind solche Straßen, die vom Land auf Grund von Vereinbarungen unter Beitragsleistung des Bundes oder einer oder mehrerer Ortsgemeinden oder Interessenten neu angelegt, instandgesetzt oder erhalten werden (§ 8).
4. Gemeindestraßen, das sind Straßen, die vorwiegend dem Verkehr innerhalb von Ortsgemeinden oder zwischen Nachbargemeinden dienen und zu solchen erklärt wurden (§ 8). Als Gemeindestraßen gelten auch alle öffentlichen Verkehrsanlagen, die nicht zu einer anderen Gattung der Straßen gehören.
5. Öffentliche Interessentenwege, das sind Straßen für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung, die überwiegend nur für die Besitzer oder Bewohner einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen und als solche erklärt wurden (§ 8).
(2) Besonders angelegte Radfahrwege bilden, sofern sie neben einer Straße führen, in der Regel einen Bestandteil der betreffenden Straße.
§ 8.
(1) Die Einreihung (Erklärung) und Neuanlage, sowie die Auflassung einer Straße als Landesstraße (§ 7 Abs. 1 Z. 1) beschließt der Landtag über Antrag der Landesregierung. Vor einer solchen Antragsstellung ist die Stellungnahme des im § 11 Abs. 3 bezeichneten Beirates einzuholen. Die Einreihung (Erklärung) und Neuanlage sowie die Auflassung einer Eisenbahn-Zufahrt- oder Konkurrenzstraße (§ 7 Abs. 1 Z. 2 u. 3) beschließt die Landesregierung.
(2) Die Verlegung, den Umbau, die Verbreiterung oder wesentliche Verbesserung einer Landesstraße, Eisenbahn-Zufahrt- oder einer Konkurrenzstraße beschließt nach Maßgabe der vom Landtag hiefür bewilligten Mittel sowie der für die Konkurrenzstraße getroffenen Vereinbarung die Landesregierung.
(3) Die Einreihung, Neuanlage, Verlegung, den Umbau die Verbreiterung und wesentliche Verbesserung sowie die Auflassung einer Gemeindestraße (§ 7 Abs. 1 Z. 4) sowie eines öffentlichen Interessentenweges (§ 7 Abs. 1 Z. 5) erfolgt durch Verordnung der Gemeinde.
(4) Landes-, Eisenbahn-Zufahrt- und Konkurrenzstraßen oder Teile dieser Straßen sind, wenn sie als solche entbehrlich geworden sind, aufzulassen. Sie können aber im Verhandlungsweg auch anderen Zwecken zugeführt oder jenen Gemeinden entschädigungslos als Gemeindestraßen überlassen werden, auf deren Gebiet sie liegen.
(5) Durch die Auflassung von Gemeindestraßen darf das Recht der Anlieger auf Wahrung des Zuganges nicht beeinträchtigt werden."
Nach § 58 a LStVG. 1964 sind die in diesem Gesetz geregelten Aufgaben der Gemeinde solche des eigenen Wirkungsbereiches.
Die Beschwerdeführerin ist zunächst nicht im Recht, wenn sie unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides rügt, die belangte Behörde habe nicht erkannt, daß in erster Instanz der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde für die Verhandlung und Entscheidung im Verfahren nach § 3 LStVG. 1964 unzuständig gewesen sei.
Bei einer Entscheidung nach § 3 LStVG. 1964 handelt es sich gemäß § 58 a LStVG. 1964 um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde im Sinne des § 40 der (Steiermärkischen) Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115, in der Fassung LGBl. Nr. 14/1976.
Nach § 45 Abs. 2 lit. b der Gemeindeordnung 1967 obliegen dem Bürgermeister die Entscheidung und Verfügung in allen gemeindebehördlichen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, sofern hiefür gesetzlich nicht ein anderes Gemeindeorgan zuständig ist. Gemäß § 93 Abs. 1 erster Satz der Gemeindeordnung 1967 geht der Instanzenzug gegen Bescheide in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches an den Gemeinderat.
Da das Gesetz eine von der vorzitierten Zuständigkeitsvorschrift abweichende Regelung nicht enthält, unterliegt es keinem Zweifel, daß für eine Entscheidung nach § 3 LStVG. 1964 in erster Instanz der Bürgermeister zuständig ist.
Soweit sich die Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Rechtsstandpunktes auf die hg. Erkenntnisse vom 9. November 1970, Zl. 429/69, und vom 10. Oktober 1969, Zl. 306/69, beruft, übersieht sie, daß diese Erkenntnisse zur Rechtslage VOR der Landes-Straßenverwaltungsgesetznovelle 1969, LGBl. Nr. 195, ergangen sind (nach der damals geltenden Rechtslage war auf Grund der Sonderregelung des § 3 LStVG. 1964 eine Zuständigkeit des Gemeinderates gegeben).
Wie bereits im Verwaltungsverfahren bringt die Beschwerdeführerin in der Beschwerde weiters vor, es handle sich bei dem Grundstück Nr. nn3 KG. S nicht um eine Straße nach der Begriffsbestimmung des § 2 LStVG. 1964 und auch nicht um eine Nebenfläche einer solchen Straße nach der taxativen Aufzählung dieser Gesetzesbestimmung. Es gehe daher in Wahrheit nicht um eine Feststellung im Sinne des § 3 leg. cit., weil keine Zweifel bestünden, ob eine Straße, nämlich der Sandgrubenweg, eine öffentliche Straße sei. Vielmehr gehe es darum, die öffentliche Straße zu erweitern und zwar um das Grundstück Nr. nn3 KG. S. Damit handle es sich aber in Wahrheit um einen Tatbestand nach § 48 LStVG. 1964.
Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.
Im Beschwerdefall wurde nur das Grundstück "Nr. nn1 EZ. n5, KG. S" (offenbar richtig: Grundstück Nr. nn3) und damit - insofern unbestritten - nur ein Teil (und zwar nach der Aktenlage etwa der nord-östliche Teil) der "trichterförmigen Einmündung des Sandgrubenweges in die Feldkirchnerstraße (L 313)" als öffentlich erklärt. Dabei kann für die hier vorweg zu lösende Rechtsfrage der Beschwerdeeinwand dahingestellt bleiben, es sei nicht festgestellt worden, welche Teile des in Frage stehenden Grundstückes überhaupt hätten in Anspruch genommen werden können.
Es wurde daher nicht eine "Straße" im Sinne der Legaldefinition des § 2 LStVG. 1964 - und zwar auch nicht ein Teilstück im Sinne eines Straßenabschnittes - als öffentlich erklärt, sondern ein (in der Längsrichtung gesehener) einzelner Teil einer Straße.
Für eine derartige Öffentlicherklärung eines bloßen Teiles einer Straße bietet das Gesetz nach seinem klaren Wortlaut aber keine Ermächtigung.
Mit einer derartigen (partiellen) Öffentlicherklärung einer Grundfläche, die - wie hier - der Erweiterung oder Verbreiterung einer bestehenden öffentlichen Straße dienen soll, würde im übrigen der Zweck derselben, nämlich die Sicherung des Gemeingebrauches für ein dringendes Verkehrsbedürfnis nicht erreicht werden. Wie nämlich der Verwaltungsgerichtshof schon im Erkenntnis vom 7. Juni 1934, Slg. Nr. 17994/A, unter Bezugnahme auf die Vorjudikatur zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem Gesetz vom 15. Juni 1926, LGBl. für Steiermark Nr. 50, dargelegt hat, könnten die übrigen Bruchstücke (eines öffentlichen Weges) von ihren Eigentümern gesperrt werden; es müßte sodann erst untersucht werden, ob die Voraussetzung der Öffentlichkeitserklärung auch für diese Bruchstücke gegeben ist. Sollte dies nicht der Fall sein, so wäre die bisherige Öffentlichkeitserklärung mangels Vorliegens der Voraussetzungen hiefür zu Unrecht erfolgt. Wie der Gerichtshof im zitierten Erkenntnis weiteres ausgeführt hat, liegt es daher im Wesen der Öffentlichkeitserklärung, den ganzen in Betracht kommenden nicht öffentlichen Weg dem Verfahren der Öffentlichkeitserklärung zu unterwerfen (vgl. in diese Richtung weisend auch das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1969, Zl. 306/69, in dem ausgeführt wird, daß es sich bei einem Feststellungsverfahren nach § 3 LStVG. 1964 nicht um die Frage der Schaffung einer Verkehrsfläche und das hiefür bestehende Bedürfnis handelt, sondern darum, ob eine bestehende Verkehrsverbindung - gleichgültig, in welchem flächenmäßigen Umfang - zur Erfüllung eines dringenden Verkehrsbedürfnisses benützt worden ist). Von dieser Rechtsansicht abzugehen, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch im Lichte des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlaßt.
Der Wortlaut des § 3 LStVG. 1964 bietet aber auch keinen Anhaltspunkt für eine behördliche Ermächtigung, mit Bescheid festzustellen, daß bloß die Verbreiterung (einer Straße) als öffentlich zu gelten habe. Abgesehen davon würde gerade auch eine systematische Auslegung gegen die Annahme einer derartigen behördlichen Ermächtigung sprechen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. im hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1972, Slg. N.F. Nr. 8253/A, dargelegt hat, müssen alle öffentlichen Straßen, auf die das LStVG. 1964 anzuwenden ist, zu einer der im § 7 dieses Gesetzes genannten Straßengattungen gehören. Dies ergibt sich klar aus den Bestimmungen des II. Abschnittes des LStVG. 1964, insbesondere aus der erschöpfenden Aufzählung der Straßengattungen im § 7 und aus § 8, welcher eine vor allem als Zuständigkeitsvorschrift aufzufassende Regelung über alle in Betracht kommenden Widmungsmaßnahmen (im weiteren Sinn) für öffentliche Straßen enthält, DIE WIEDER AUF DIE JEWEILIGE STRASSENGATTUNG
ABGESTELLT SIND.
Wie der Gerichtshof im zitierten Erkenntnis weiters ausgeführt hat, gelten alle öffentliche Straßen, solange keine ausdrückliche Einreihung in eine andere Straßengattung nach den §§ 7 und 8 LStVG. 1964 erfolgt ist, kraft Gesetzes (§ 7 Abs. 1 Z. 4 zweiter Satz LStVG. 1964) als Gemeindestraßen.
Wollte man nun unter dem im § 3 LStVG. 1964 verwendeten Begriff "Straße" auch die der bloßen Verbreiterung einer Straße dienende Fläche verstehen, so würde dies dazu führen, daß etwa eine "als öffentlich" festgestellte Verbreiterung einer Landesstraße auf Grund der Sonderregelung des § 7 Abs. 1 Z. 4 zweiter Satz LStVG. 1964 - mangels einer audrücklichen Widmung nach § 8 LStVG. 1964 - als "Gemeindestraße" gelten würde; ein Ergebnis, das - losgelöst von allfälligen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Jänner 1971, Zl. 1823/69, und vom 27. Februar 1973, Zl. 1175/72, wonach die Verbreiterung einer Landesstraße nicht in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fällt) - mit der oben dargestellten Systematik des Gesetzes in Widerspruch stünde, wonach Widmungsmaßnahmen im weiteren Sinn (also auch Verbreiterungen einer Straße) auf die jeweilige Straßengattung abgestellt sind.
Da die belangte Behörde aus den oben dargelegten Gründen die Rechtslage verkannte, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden. Es war daher ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen entbehrlich.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1987170185.X00Im RIS seit
11.07.2001