Index
L34009 Abgabenordnung Wien;Norm
AbgÄG 02te 1987;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des Georg S in J, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 10. April 1991, Zl. MD-VfR-Sch 8/91, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 1990 stellte der Beschwerdeführer beim Magistrat der Stadt Wien den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung einer Berufung gegen den Bescheid dieser Behörde, MA 4/7, vom 5. September 1990, betreffend Vergnügungssteuer. Diesen Antrag begründete der Beschwerdeführer wie folgt:
"Den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien beinhaltend die Vorschreibung einer Vergnügungssteuer gemäß § 6/4 des Vergnügungssteuergesetzes 1987 für die Aufstellung von Warenautomaten der Type "Talismat" habe ich zur weiteren Erledigung, insbesondere der Einbringung einer Berufung meiner Ehegattin übergeben. Diese hat den Bescheid samt einem bereits ausgearbeiteten Berufungstext zu anderen Unterlagen auf ihrem Schreibtisch abgelegt, um in den nächsten Tagen die Berufung entsprechend fertigzustellen. Eine Mitarbeiterin meiner Ehegattin ist irrtümlich davon ausgegangen, daß es sich bei diesen Unterlagen inklusive Bescheid und Berufungsentwurf bereits um erledigte Rechtssache handelt und hat sie daher diese Unterlagen in Gesamtheit in den Aktenordner "erledigte Rechtssachen" abgelegt.
Da meine Ehegattin die Unterlagen, insbesondere den gegenständlichen Bescheid mit Entwurf des Berufungstextes auf ihrem Schreibtisch nicht mehr vorfand, ist sie irrtümlich davon ausgegangen, daß die Berufung offenbar von mir selber erledigt wurde:
Bei der zufälligen Durchsicht der erledigten Rechtssachen durch meine Ehegattin am 25. Oktober 1990 wurde der Fehler der irrtümlichen Ablage festgestellt. ..."
Gleichzeitig holte der Beschwerdeführer die versäumte Prozeßhandlung nach.
Mit Bescheid vom 5. Dezember 1990 wies der Magistrat der Stadt Wien den Wiedereinsetzungsantrag ab. Unter einem wurde die Berufung zurückgewiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien die dagegen erhobene Berufung als unbegründet ab. Sie führte hiezu aus, unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers könne nicht davon gesprochen werden, daß er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, die Berufungsfrist einzuhalten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Antragsteller seinen Antrag in Hinsicht auf die Erfüllung der nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht zu substantiieren. Diesbezüglich enthalte der Antrag vom 31. Oktober 1990 kein konkretes Vorbringen, sodaß der Beschwerdeführer gegen das Gebot verstoßen habe, innerhalb der gesetzlichen Frist alle Wiedereinsetzungsgründe vorzubringen und glaubhaft zu machen. Der Beschwerdeführer behaupte selbst nicht, daß ein Terminvormerk für fristgebundene Angelegenheiten in seinem Betrieb geführt werde. Mangels eines solchen Fristvormerkes könne ausgeschlossen werden, daß der Beschwerdeführer die fristgerechte Erledigung von Terminsachen kontrollieren könne. Dafür spreche, daß er selbst ausführe, bei einer "zufälligen Durchsicht" sei der Fehler entdeckt worden. Dazu komme, daß der Beschwerdeführer selbst nicht behaupte, seine Frau mit seiner Vertretung gegenüber der Abgabenbehörde BEVOLLMÄCHTIGT zu haben. Somit müsse jede Berufung von ihm unterfertigt werden. Eine gänzliche Delegierung sei nicht erfolgt und es müsse den Beschwerdeführer unter diesem Gesichtspunkt die Verantwortung für die nicht fristgerechte Einbringung des Rechtsmittels selbst treffen. Die Zurückweisung der Berufung entspreche dem Gesetz, da die Rechtsmittelfrist von einem Monat unbestritten versäumt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt seines Vorbringens erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie darauf verletzt, daß die Berufung nicht als verspätet zurückgewiesen werde. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 240 Abs. 1 WAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 83 bis 85) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.
Diese Bestimmung entspricht inhaltlich der Fassung des § 308 Abs. 1 BAO idF vor dem insoweit mit 18. Juli 1987 in Kraft getretenen BGBl. Nr. 312/1987, die der zuletzt genannten Bestimmung folgenden Satz hinzugefügt hat:
"Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."
Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 240 Abs. 1 WAO etwa aus dem Grunde, daß er den zuletzt genannten Zusatz nicht aufweist, keine Bedenken; denn die verfassungsgesetzlich verankerte Gesetzgebungshoheit der Bundesländer räumt diesen im Rahmen der verfassungsgesetzlichen Bestimmungen volle Gestaltungsfreiheit in materiellrechtlicher und verfahrensrechtlicher Hinsicht ein. Es ist daher verfassungsgesetzlich nicht ausgeschlossen, daß auf einem Sachgebiet sowohl im Vergleich zu anderen Bundesländern als auch im Vergleich zum Bund verschiedenartige Regelungen getroffen werden, soweit nur die genannten Gesetze in sich - d.h. jeweils für sich betrachtet - gleichheitsmäßig gestaltet sind (vgl. VfSlg. 7038/1973; 10048/1984; 10367/1985).
Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den insofern gleichartigen Bestimmungen des § 46 Abs. 1 VwGG idF vor der Novelle BGBl. Nr. 564/1985, des § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 idF vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990, des § 308 Abs. 1 BAO in der oben erwähnten Fassung sowie des § 167 Abs. 1 FinStrG idF vor dem zweiten AbgÄG 1987, BGBl. Nr. 312, war eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand schon dann ausgeschlossen, wenn die Partei leichtes Verschulden an dem als Wiedereinsetzungsgrund behaupteten Sachverhalt traf. Eine schuldhafte Verletzung der die Partei treffenden Diligenzpflicht war daher schon bei leichter Fahrlässigkeit, also bei - allerdings subjektiver - Voraussehbarkeit der möglichen Säumnis anzunehmen (vgl. etwa den Beschluß eines verstärkten Senates vom 25. März 1976, Slg. Nr. 9024/A, sowie die Beschlüsse vom 1. März 1983, Slg. Nr. 5764/F, und vom 3. Februar 1984, Zlen. 83/17/0242, 84/17/0004, zu § 46 Abs. 1 VwGG; weiters die Erkenntnisse vom 29. Juni 1978, Zl. 1503/77, und vom 28. September 1978, Zl. 2210/78, zu § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950; vom 26. November 1981, Zlen. 16/3857/80, 81/16/0027, zu § 167 Abs. 1 FinStrG sowie Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, Seite 740, zu § 308 Abs. 1 BAO). Gleiches muß auch für die Vorschrift des § 240 Abs. 1 WAO gelten.
Der Beschwerdeführer bestreitet ein solches Verschulden mit der Behauptung, schon aus dem Vorbringen (ergänze: im Wiedereinsetzungsantrag) gehe "sicherlich" klar hervor, daß laufend eine entsprechende Überwachung erfolge. Nachdem es sich bei der "Beteiligten" um die Ehegattin des Beschwerdeführers handle, sei vollkommen klar, daß die notwendige Korrespondenz jeweils gemeinsam durchgegangen werde und daß sohin auch eine entsprechende Überwachungsmöglichkeit bestehe.
Dem ist zunächst zu erwidern, daß es sich bei diesem Vorbringen um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung handelt. Der Beschwerdeführer hätte im Rahmen der ihn treffenden Diligenzpflicht nicht nur den Vormerk der Berufungsfrist anordnen, sondern als Unternehmer - etwa wie ein Rechtsanwalt - die Beschwerdefrist kalendermäßig konkret bestimmen und die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht überwachen müssen. Aus dem oben wiedergegebenen Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich jedoch in keiner Weise, daß er allgemein oder im besonderen Fall irgendeiner solchen Überwachungspflicht nachgekommen wäre, ja das Bestehen einer solchen Pflicht überhaupt erkannt hätte. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist jedoch nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt ist (vgl. hiezu unter anderem den hg. Beschluß vom 29. Juni 1989, Zlen. 89/16/0105, 0106, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).
Wenn der Beschwerdeführer weiters meint, bei der zwischen ihm und seiner Ehegattin bestehenden Vertrauenssituation hätten stichprobenartige Überprüfungen ausgereicht, ist darauf zu verweisen, daß der Beschwerdeführer auch eine dahin zielende Behauptung nicht aufgestellt hat. Davon abgesehen, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. September 1986, Zl. 86/04/0072, dargetan, daß (zumindest grundsätzlich) die Berufung auf eine stichprobenartige Überprüfung allein noch nicht als ausreichend anzusehen ist.
Neu und damit unzulässig ist auch das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei tatsächlich ein Terminvormerk erfolgt. Ein solches Vorbringen war auch nicht aus der Behauptung zu erschließen, es sei bereits der entsprechende Entwurf des einzubringenden Rechtsmittels vorgelegen.
Wodurch das Versäumnis schließlich entdeckt wurde und ob dies im Rahmen einer "zufälligen Durchsicht" erfolgte, ist im gegebenen Zusammenhang ohne Bedeutung.
Dem Neuerungsverbot verfällt schließlich auch die Beschwerdebehauptung, die Gattin des Beschwerdeführers sei von ihm (gemeint offenbar: zu seiner Vertretung vor den Abgabenbehörden) BEVOLLMÄCHTIGT gewesen. Auch dieser Umstand war aus der Behauptung, er habe den anzufechtenden Bescheid "zur weiteren Erledigung, insbesondere der Einbringung einer Berufung" seiner Ehegattin übergeben, noch nicht zu erschließen. Davon abgesehen wäre damit für den Beschwerdeführer auch nichts gewonnen, weil ein Verschulden des Parteienvertreters dem Verschulden der Partei gleichzuhalten ist (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 19. Jänner 1977, Slg. Nr. 9226/A).
Die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes haftet dem angefochtenen Bescheid daher nicht an.
Da - wie bereits erwähnt - das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen ist, der durch die Behauptung des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist gesteckt ist, ist das Verfahren auch nicht (wie der Beschwerdeführer meint) deshalb mangelhaft geblieben, weil er nicht aufgefordert wurde, sein Vorbringen entsprechend zu ergänzen. Wenn es in der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt, der Beschwerdeführer habe gegen das Gebot verstoßen, innerhalb der gesetzlichen Frist alle Wiedereinsetzungsgründe vorzubringen und GLAUBHAFT ZU MACHEN, so ist dieser Hinweis insofern mißverständlich, als die belangte Behörde in Wahrheit erkennbar (und in nicht rechtswidriger Weise) davon ausgegangen ist, das Vorbringen des Beschwerdeführers rechtfertige auch im Falle von dessen Glaubhaftmachung eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht. Auch darin, daß der Beschwerdeführer nicht aufgefordert wurde, "die notwendigen Unterlagen vorzulegen", liegt daher kein Verfahrensmangel.
Auch die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers geht daher ins Leere.
Da der Wiedereinsetzungsantrag in nicht rechtswidriger Weise abgewiesen wurde, erfolgte auch die Zurückweisung der Berufung als verspätet zu Recht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991170074.X00Im RIS seit
16.07.2001