TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/10 91/06/0090

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Veröffentlicht am 10.10.1991
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Index

L82000 Bauordnung;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1029;
ABGB §96;
AVG §10 Abs2;
AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §41 Abs1;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §41 Abs1;
ZustG §17;
ZustG §5;
ZustG §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der EN in K, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. März 1991, Zl. 03 - 12 Ho 82 - 91/1, betreffend Nachbareinwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde G, 2. H, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in A), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Zweitmitbeteiligte beantragte am 10. April 1987 beim Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde unter Vorlage des rechtskräftigen Widmungsbewilligungsbescheides vom 1. Dezember 1971 die Erteilung einer Baubewilligung zwecks Errichtung eines Wohnhauses mit Doppelgarage auf der Gp. Nr. nn/5 der KG G. Der Bürgermeister erließ eine Kundmachung zur Bauverhandlung für den 28. April 1987, die u.a. den Hinweis enthielt, daß gemäß § 42 AVG Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung fänden und die Beteiligten dem Vorhaben, welches den Gegenstand der Verhandlung bildet, als zustimmend angesehen würden; als Gegenstand der Verhandlung war in dieser Kundmachung "Neubau:

Wohnhaus und Doppelgarage" angegeben. Nach Ausweis der bei den Verwaltungsakten befindlichen Rückscheine wurde diese Kundmachung u.a. an "M und EN" (dem Ehegatten der Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführerin) adressiert und am 17. April beim Postamt des Wohnortes der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten hinterlegt. Zur mündlichen Bauverhandlung vom 28. April 1987 erschienen weder die Beschwerdeführerin noch ihr Ehegatte.

Mit Bescheid vom 26. Juni 1987 bewilligte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde das Bauvorhaben unter zahlreichen Auflagen. Dieser Bescheid wurde in einer an "M und EN" adressierten Postsendung von der Beschwerdeführerin am 30. Juni 1987 übernommen, wie aus der leserlichen Unterschrift auf dem Rückschein ersichtlich ist.

Fristgerecht, nämlich am 13. Juli 1987 langte beim Gemeindeamt der mitbeteiligten Gemeinde sodann folgendes, vom

Ehegatten der Beschwerdeführerin gefertigtes Schreiben ein:

"BETR.: Einspruch gegen den Baubewilligungsbescheid

Zl.: 1393/G/87 (H)

Hiemit erhebt Herr MN gegen den Baubewilligungsbescheid Einspruch.

Im Namen von Frau EN der Grundst.-Eigentümerin des anliegenden Grundstücks, und im eigenen Namen, erhebe ich gegen den obgenannten Bescheid Einspruch und lege das Rechtsmittel der Berufung ein.

Der Einspruch richtet sich vor allem gegen die Größe des vorgesehenen Wohnhauses und gegen die vorgesehene Lage des Grundstücks. Im besonderen liegt die Vermutung der Überschreitung der max. zul. Bebauungsdichte vor.

Eine nähere Begründung unseres Einspruches wird demnächst zugesandt und erledigt."

Mit Bescheid vom 15. Juli 1987 hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung nicht stattgegeben. In der Begründung dieses Bescheides heißt es (neben Hinweisen auf die Bebauungsdichteverordnung, LGBl. Nr. 51/1975 idF LGBl. Nr. 24/1979) u.a., daß sich aus den Plänen, die der Baubehörde erster Instanz vorgelegt worden seien, keine Tatsache ergebe, die die in der Berufung angeführte Vermutung (gemeint ist offenbar jene hinsichtlich der Bebauungsdichte) bestätigen würde. Die (angekündigte) nähere Begründung der Berufung sei im Hinblick auf den zwischenzeitigen Ablauf der Berufungsfrist nicht mehr zulässig.

Dieser Bescheid wurde (der Zustellverfügung und dem Inhalt des Rückscheins zufolge) an "MN" adressiert, aber von der Beschwerdeführerin übernommen.

Gegen diesen Bescheid richtete sich folgendes Schreiben der Beschwerdeführerin vom 31. Juli 1987:

Betrifft: Berufung - 2084/GA 1987

          (gegen Bescheid)

Da mein Mann derzeit aus beruflichen Gründen in Amerika weilt,

möchte ich hiemit in seinem Namen ... sowie - als

Grundstückseigentümerin - im eigenen Namen gegen den

Bescheid ... das Rechtsmittel der Berufung ergreifen.

Begründung: Die Größe und Höhe der geplanten Gebäude (Wohnhaus und Garage) stehen nach unserer Ansicht in einem Mißverhältnis zur Grundstücksgröße und Lage, die Nutzfläche erscheint uns für die Grundstücksgröße als viel zu (hoch bzw. zu) groß. Außerdem empfinden wir die Lage und Höhe des Wohnhauses, so wie es geplant ist, als für unser Wohnen als stark störend und beeinträchtigend - es wird uns damit unsere gesamte Aussicht genommen und durch die unmittelbare Nähe ist auch mit einer wesentlichen Lärmbelästigung bzw. Störung der Intimsphäre zu rechnen. Abgesehen davon müßten für die Errichtung des Wohnhauses in bezeichneter Lage auch mindestens zwei schöne alte Bäume gefällt werden, wobei wir meinen, daß diese Bäume erhalten bleiben sollten und das Haus ja auch etwas weiter unten gebaut werden könnte. Wir bitten daher um nochmalige Überprüfung des Bescheides und wohlwollende Behandlung unseres Anliegens."

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. Jänner 1988 wurde der Vorstellung Folge gegeben, der Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde verwiesen: In der Begründung dieses Bescheides heißt es, daß die Berufungsbehörde auf den (Berufungs-)Einwand hinsichtlich der Bebauungsdichte nicht eingegangen, sondern lediglich die Bestimmungen der Bebauungsdichteverordnung über deren Berechnung zitiert habe. Wie groß die Bebauungsdichte beim vorgesehenen Objekt tatsächlich sei und ob diese mit dem Flächenwidmungsplan übereinstimme, sei jedoch nicht erörtert worden. Aus dem Akt der Gemeinde gehe auch nicht hervor, wer von den Vorstellungswerbern tatsächlich Grundeigentümer sei. Im Plan sei der Ehegatte der Beschwerdeführerin als Eigentümer angegeben. Sowohl in der Berufung als auch in der Vorstellung werde jedoch die Beschwerdeführerin als Eigentümerin bezeichnet. Die Ladung zur Verhandlung und der erstinstanzliche Bescheid sei an BEIDE Vorstellungswerber (ergänze: gemeinsam) ergangen. Die Eigentümereigenschaft sei jedoch entscheidend für die Parteistellung. Aus dem Akt gehe auch nicht hervor, daß die Baubehörde sich mit der Frage befaßt hätte, wer von den nunmehrigen Vorstellungswerbern die an beide Vorstellungswerber adressierte Ladung tatsächlich übernommen habe. Eine an zwei Eigentümer adressierte Ladung gelte nämlich nur an den Eigentümer, der sie übernommen habe, als zugestellt. Erst nach Feststellung dieser Umstände könnte ersehen werden, ob Präklusion eingetreten sei und sich ein Eingehen auf die in der Berufung erhobenen Einwendungen erübrigen würde.

Dieser Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Im fortgesetzten Verfahren teilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Zweitmitbeteiligten unter anderem zunächst mit, daß bei einer nochmaligen Überprüfung eine Überschreitung der höchstzulässigen Bebauungsdichte von 0,3 festgestellt worden sei und es daher notwendig werde, neuerlich eine Bauverhandlung durchzuführen. Unter anderem wurde der Erstmitbeteiligte zur Vorlage von entsprechenden Austauschplänen aufgefordert und für diesen Fall die unverzügliche Ansetzung eines neuen Termines zur Bauverhandlung in Aussicht gestellt.

Mit Kundmachung vom 3. Juni 1988, welche neuerlich die Belehrung über das Erfordernis der rechtzeitigen Erhebung von Einwendungen im Sinne des § 42 AVG enthielt und die auch der Beschwerdeführerin zugestellt wurde, beraumte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde (im Berufungsverfahren) eine mündliche Bauverhandlung für den 22. Juni 1988 an. Bei dieser Bauverhandlung erschien u.a. der Beschwerdevertreter namens der Beschwerdeführerin, wendete neuerlich eine Überschreitung der Bebauungsdichte ein und legte diesen Einwand näher dar. Der Beschwerdevertreter wies auch darauf hin, daß die Widmung des Baugrundes aus dem Jahr 1970, wegen "der nicht erfolgten Erneuerung" weggefallen sei.

Ohne daß aus den Verwaltungsakten weitere Verfahrensschritte ersichtlich wären, teilte der Bürgemeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Zweitmitbeteiligten mit Schreiben vom 16. Juni 1989 (also rund ein Jahr später) unter Hinweis auf den bisherigen Verfahrensgang mit, daß "laut rechtskräftigem Flächenwidmungsplan das Grundstück Nr. nn/5 KG G, im Freiland liegt". Da die Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 (ROG) nicht vorlägen und gemäß § 32 ROG bei sonstiger Nichtigkeit die Bescheide der Gemeinde dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen dürften, sei es der Baubehörde verwehrt, auch bei Vorliegen einer Widmungsbewilligung eine Baubewilligung zu erteilen. "Eine allfällige Entschädigung für die erteilte Widmung" sei im übrigen gemäß § 34 Abs. 5 ROG wegen Ablaufs der Jahresfrist nach Rechtswirksamkeit des Flächenwidmungsplanes "nicht mehr gegeben".

Innerhalb der dem Zweitmitbeteiligten zur Stellungnahme eingeräumten Frist brachte dieser (sinngemäß und zusammengefaßt) unter Vorlage eines Grundbuchsauszuges über die Liegenschaft der Beschwerdeführerin vor, nur der Beschwerdeführerin komme im Verfahren Parteistellung als Liegenschaftseigentümerin zu. Die von ihrem Ehemann (auch) im Namen der Beschwerdeführerin erhobene Berufung beruhe "nicht auf den Formvorschriften einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung". Das Rechtsmittel sei daher aus formellen Gründen "unbeachtlich". Überdies sei die Beschwerdeführerin mit ihren Einwendungen präkludiert. Die übrigen Ausführungen des Zweitmitbeteiligten lassen sich dahin zusammenfassen, daß ihm aufgrund der rechtskräftigen Widmungsbewilligung das Recht auf Erteilung der beantragten Baubewilligung zukomme.

Mit Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. Oktober 1989 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin "gemäß § 68 Abs. 4 AVG 1950 idgF" Folge gegeben und der Bescheid des Bürgermeisters behoben. In der Begründung dieses Bescheides führte die Berufungsbehörde nach einer Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und unter Hinweis auf die §§ 32 und 25 Abs. 3 des ROG aus, daß eine Baulandnutzung, wie sie vom Zweitmitbeteiligten angestrebt werde, nur im ausgewiesenen Bauland, nicht aber im Freiland möglich sei. Die Erteilung der Baubewilligung sei daher wegen Widerspruchs zum rechtsgültigen Flächenwidmungsplan zu versagen. Die (im rechtskräftigen Behebungsbescheid der belangten Behörde vom 21. Jänner 1988 für erforderlich erachtete) Überprüfung, wer die an die Beschwerdeführerin und ihren Ehegatten gemeinsam adressierte Ladung zur mündlichen Bauverhandlung vom 28. April 1987 tatsächlich übernommen habe, sei nicht möglich gewesen, weil die Zustellung durch Hinterlegung erfolgt sei. Aus den erwähnten Gründen "dürfte es nach Meinung des Gemeinderates ohne Belang sein", ob Präklusion eingetreten sei oder nicht, weil der Gemeinderat auch in diesem Fall den Bescheid des Bürgermeisters hätte beheben müssen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Zweitmitbeteiligte Vorstellung, in der er im wesentlichen sein bereits früher erstattetes Vorbringen, eine rechtswirksame Berufung der Beschwerdeführerin liege nicht vor, wiederholte.

Mit Bescheid vom 29. März 1991 hat die belangte Behörde der Vorstellung des Zweitmitbeteiligten Folge gegeben, den Berufungsbescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde zurückverwiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung aus, daß Parteistellung grundsätzlich nur der Liegenschaftseigentümerin (der Beschwerdeführerin) zukomme und folglich nur sie zur Bauverhandlung zu laden gewesen wäre. Da die Zustellung der Ladung zur Bauverhandlung an beide Ehegatten adressiert gewesen und nicht mehr feststellbar sei, "wer von beiden diese unterfertigt hat", könne auch nicht festgestellt werden, ob die Präklusion gemäß § 42 AVG bereits in diesem Zeitpunkt eingetreten sei. Die Frage, ob die Beschwerdeführerin zur Bauverhandlung geladen worden sei, könne aber vernachlässigt werden, weil sie jedenfalls den Bewilligungsbescheid übernommen habe und dagegen Berufung hätte erheben können. Ferner hätte sie ihre Einwendungen in der wiederholten Bauverhandlung vom 22. Juni 1988 vorbringen können. In dieser Verhandlung "wurden die von ihrem gewillkürten Vertreter vorgebrachten Einwendungen allesamt widerlegt bzw. wurden sie durch die Vorlage von Austauschplänen gegenstandslos", fährt die belangte Behörde in ihrer Begründung fort. Nur die Beschwerdeführerin oder ein von ihr gemäß § 10 AVG bevollmächtigter Vertreter wäre berechtigt gewesen, eine Berufung binnen zwei Wochen einzubringen. Durch die Änderung des Familienrechtes sei die früher bestandene allgemeine Vertretungsmacht des Ehegatten weggefallen und es bedürfe auch die Vertretung durch Familienmitglieder einer ausdrücklichen Vollmacht (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 4. November 1986, Zl. 86/05/0036, und vom 8. März 1977, Zl. 346/75). Dadurch, daß nicht die Beschwerdeführerin innerhalb offener Frist die Berufung eingebracht habe, sondern ihr Ehemann, jedoch ohne Vollmachtserteilung, sei dieses Rechtsmittel "aus formalen Gründen unbeachtlich" (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1972, Zl. 541/71). Ergänzend werde noch festgestellt, daß der Gemeinderat den angefochtenen Bescheid nur im Rahmen des Berufungsvorbringens überprüfen und abändern hätte dürfen, da der Nachbar im Bauverfahren zum Unterschied vom Bauwerber selbst nur ein eingeschränktes Berufungsrecht habe und die Berufungsbehörde an "dieses Vorbringen gebunden" sei. Darüberhinaus sei die Gemeinde im fortgesetzten Verfahren an die die Aufhebung tragende Rechtsansicht der Gemeindeaufsichtsbehörde gebunden - dies auch bei einem Widerspruch zur objektiven Rechtslage. Die Baubehörde zweiter Instanz hätte daher "nach Feststellung der Präklusion" die Bebauungsdichte und deren Übereinstimmung mit dem Flächenwidmungsplan "nicht mehr überprüfen brauchen". Es erübrige sich daher auch für die Aufsichtsbehörde, die Berufungsentscheidung dem Inhalt nach zu überprüfen, da die vom Ehemann der Beschwerdeführerin erhobene Berufung schon "aus formalen Gründen unzulässig" gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die zweitmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der den auf Gemeindeebene ergangenen Berufungsbescheid behebende, gemeindeaufsichtsbehördliche angefochtene Bescheid beruht in seinen tragenden Gründen (zum insoweit jedenfalls bestehenden Beschwerderecht an den Verwaltungsgerichtshof vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. Oktober 1971, Slg. Nr. 8091/A) im wesentlichen auf zwei Rechtssätzen: Zum einen sei dadurch, daß nicht die Beschwerdeführerin, sondern ihr Ehegatte "ohne Vollmachtserteilung" die Berufung eingebracht habe "das Rechtsmittel aus formalen Gründen unbeachtlich"; ferner hätte die Baubehörde zweiter Instanz aufgrund der (nach Auffassung der belangten Behörde offenbar dadurch eingetretenen) Präklusion und der Bindung "an die die Aufhebung tragende Rechtsansicht der Gemeindeaufsichtsbehörde" die "Bebauungsdichte und deren Übereinstimmung mit dem Flächenwidmungsplan" nicht zu überprüfen gehabt.

Die Rechtsansicht, die Beschwerdeführerin habe keine wirksame Berufung erhoben, begründet die belangte Behörde damit, daß ihr Ehegatte das Rechtsmittel "ohne Vollmachtserteilung" eingebracht habe und eine "allgemeine Vertretungsmacht des Ehegatten" nicht bestehe.

Gemäß § 10 AVG (in der hier noch anzuwendenden Fassung VOR der Novelle BGBl. Nr. 357/1990) können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Gemäß § 10 Abs. 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 13 Abs. 3 AVG von Amts wegen zu veranlassen.

Gemäß § 10 Abs. 4 AVG kann die Behörde schließlich von einer ausdrücklichen Vollmacht u.a. dann absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder bzw. Haushaltungsangehörige handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht bestehen.

In diesem Zusammenhang verweist die Beschwerdeführerin zunächst mit Recht darauf, daß sich ihr Ehegatte - wie aus dem oben wiedergegebenen Wortlaut seines Rechtsmittels ersichtlich ist - ausdrücklich darauf berufen hat, (auch) im Namen der Beschwerdeführerin einzuschreiten. Damit hat der Ehegatte der Beschwerdeführerin (im Zweifel) nicht etwa ein ihm nicht zukommendes gesetzliches Vertretungsrecht in Anspruch genommen, sondern - zumindest schlüssig (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Oktober 1990, Zl. 90/08/0054, und vom 28. Jänner 1991, Zl. 90/19/0455) - ein Vollmachtsverhältnis behauptet. Die Nichtvorlage der Vollmachtsurkunde stellt gemäß § 10 Abs. 2 AVG ein im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG behebbares Formgebrechen dar (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Jänner 1985, Slg. Nr. 11633/A). Die Berufungsbehörde hätte daher - richtigerweise - nicht etwa (wie die belangte Behörde meint) die Berufung als unzulässig zurückweisen (oder als "unbeachtlich" behandeln) dürfen, sondern dem Ehegatten der Beschwerdeführerin zur Behebung dieses Formgebrechens (und zwar entweder durch Nachreichung der Vollmacht oder durch Beibringung der Unterschrift der Beschwerdeführerin) Gelegenheit geben müssen. Nur wenn ein solcher Auftrag zur Mängelbehebung erfolglos bliebe, dürfte die Berufungsbehörde mit einer Zurückweisung des Rechtsmittels vorgehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. März 1987, Zl. 86/09/0044, vom 26. April 1988, Zl. 87/11/0131, vom 19. Mai 1988,

Zll. 87/16/0163, uva.); sie ist aber auch berechtigt, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auf die Vorlage einer Vollmacht im Sinne des § 10 Abs. 4 AVG zu verzichten.

Davon, daß die vom Ehegatten der Beschwerdeführerin in deren Namen eingebrachte Berufung "unbeachtlich" wäre, kann somit nicht die Rede sein. Dies ergibt sich auch nicht aus dem von der belangten Behörde als Beleg für ihre Rechtsauffassung zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1972, Zl. 541/71: Darin hat der Verwaltungsgerichtshof vielmehr ausgesprochen, daß gegen einen Bescheid nur derjenige Beschwerde erheben kann, an den sich dieser Bescheid richtet, ohne die hier maßgebende Frage einer fehlenden Vollmachtsurkunde zu behandeln. Geht man - in Übereinstimmung mit der Berufungsbehörde und der belangten Behörde - davon aus, daß nicht mehr festgestellt werden kann, ob die (an die Beschwerdeführerin und ihren Ehegatten gemeinsam gerichtete) Ladung zur Bauverhandlung, die postamtlich hinterlegt wurde, der Beschwerdeführerin tatsächlich zugekommen ist, so ist sie in Ansehung des erstinstanzlichen Baubewilligungsverfahrens übergangene Partei (zur Unzulässigkeit eines solchen Zustellvorganges vgl. WALTER-MAYER, Zustellrecht, Anm. 9 zu § 5 ZustellG), war aber dessen ungeachtet berechtigt, den (erlassenen) Baubewilligungsbescheid durch Berufung zu bekämpfen (vgl. die bei RINGHOFER, Verwaltungsverfahren MGA, S. 591, bei § 63, E 42, zitierte Rechtsprechung).

Darüberhinaus hat die belangte Behörde in ihrem kassatorischen Vorstellungsbescheid vom 29. Jänner 1988 die Auffassung vertreten, die Berufungsbehörde habe zunächst zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin im Sinne des § 42 AVG präkludiert sei und sich (verneinendenfalls) sodann mit dem Einwand der Beschwerdeführerin, die höchstzulässige Bebauungsdichte werde überschritten, auseinanderzusetzen. An diese, die Aufhebung des Berufungsbescheides tragende Rechtsauffassung des in Rechtskraft erwachsenen Vorstellungsbescheides vom 29. Jänner 1988 sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in weiterer Folge die Gemeindebehörden, die belangte Behörde als Gemeindeaufsichtsbehörde selbst, aber auch der Verwaltungsgerichtshof gebunden (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. Oktober 1971, Slg. Nr. 8091/A, sowie die Erkenntnisse vom 27. November 1972, Slg. Nr. 8325/A, vom 13. November 1973, Slg. Nr. 8494/A, vom 11. Dezember 1984, Slg. Nr. 11608/A, uva., zuletzt das hg. Erkenntnis vom 19. September 1991, Zl. 89/06/0110). Diese Bindung besteht darüberhinaus aber auch in der Frage der Zuständigkeit der Berufungsbehörde zu einer MERITORISCHEN Erledigung der Berufung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Mai 1989, Slg. Nr. 10128/A, und das Erkenntnis vom 19. September 1991, Zl. 89/06/0110), womit die Annahme des Vorliegens einer "unbeachtlichen" Berufung (womit die belangte Behörde offenbar eine unzulässige Berufung meint) ebenfalls im Widerspruch stünde, reicht doch im Falle eines unzulässigen Rechtsmittels die Zuständigkeit der Behörde nur soweit, dieses Rechtsmittel wegen dessen Unzulässigkeit zurückzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. Mai 1968, Slg. Nr. 7357/A, uva.).

Damit erweist sich auch der zweite, den angefochtenen Bescheid tragende Rechtssatz als unzutreffend, wonach die Berufungsbehörde die Bebauungsdichte und deren Übereinstimmung mit dem Flächenwidmungsplan nicht zu überprüfen gehabt hatte, da die belangte Behörde gerade das Gegenteil in den die Aufhebung des früheren Berufungsbescheides tragenden Gründen ihres Bescheides vom 29. Jänner 1988 ausgesprochen hat und - mangels eines Nachweises der ordnungsgemäßen Ladung der Beschwerdeführerin zu der in erster Instanz durchgeführten Bauverhandlung (wovon alle Beteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausgehen) - insoweit eine Präklusion der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht eingetreten ist.

Dies belastet den angefochtenen Bescheid zwar nicht - wie die Beschwerdeführerin meint - mit "Nichtigkeit", wohl aber mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG. Der in der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991 vorgesehene Pauschalsatz konnte nicht zugesprochen werden, weil die Beschwerde zwar nach Inkrafttreten dieser Verordnung erhoben, darin aber ausdrücklich nur ein Schriftsatzaufwand von S 10.110,-- (zuzüglich Barauslagen) verzeichnet wurde.

Schlagworte

Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang RechtsmittelÜbergangene ParteiVerhältnis zu anderen Materien und Normen Gemeinderecht VorstellungRechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenMaßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltVertretungsbefugnis Inhalt Umfang Vertretungsbefugter ZurechnungVerbesserungsauftragFormgebrechen behebbare UnterschriftSachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastBindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde ErsatzbescheidVorstellung gemäß B-VG Art119a Abs5Formgebrechen behebbare VollmachtsvorlageBaurecht Nachbar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991060090.X00

Im RIS seit

24.01.2001

Zuletzt aktualisiert am

29.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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