TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/14 91/19/0220

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Veröffentlicht am 14.10.1991
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
MRK Art8 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §12;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des Bekir S in X, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 21. Mai 1991, Zl. Fr 244/91, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 21. Mai 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß den §§ 3 und 4 Fremdenpolizeigesetz ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen. Die belangte Behörde stellte fest, daß der Beschwerdeführer mit den rechtskräftigen Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27. März 1984, 4. Oktober 1985 und 23. August 1990 wegen des Verbrechens gemäß § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz zu Freiheitsstrafen in der Dauer von einem Jahr (unter Gewährung einer bedingten Strafnachsicht mit einer Probezeit von drei Jahren), zwei Jahren bzw. dreieinhalb Jahren verurteilt wurde, und ging deshalb vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz aus. Im Rahmen der Interessenabwägung im Sinne des § 3 Abs. 3 leg. cit. nahm sie darauf Bedacht, daß sich der Beschwerdeführer seit 1971 im Bundesgebiet aufhält und hier auch seine Frau und seine in Österreich geborenen Kinder wohnen. Das Aufenthaltsverbot stelle somit einen "nicht unbeträchtlichen Eingriff" in das Familienleben des Beschwerdeführers dar, doch sei unter Berücksichtigung der Schwere und Gefährlichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf das Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen geboten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Gemäß § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, (MRK) genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Nach § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. ist, wenn durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde, seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;

3.

die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

Nach Art. 8 Abs. 2 MRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

2. Die belangte Behörde hat auf Grund der strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers mit Recht das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz angenommen. Auf Grund der genannten bestimmten Tatsache war die Annahme gerechtfertigt, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder laufe anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwider (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0236).

3. Der Beschwerdeführer hält das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung im Sinne des § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz für unrichtig und meint, im Hinblick darauf, daß er sich seit 20 Jahren in Österreich aufhalte und auch seine Frau sowie seine beiden Kinder im Alter von 16 und 15 Jahren hier leben, hätte das Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden dürfen. Er sei ständig berufstätig gewesen; seine beiden Kinder seien als Lehrlinge in Berufsausbildung.

Der Beschwerdeführer vermag mit diesen Ausführungen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat auf alle vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände Bedacht genommen und deshalb das Aufenthaltsverbot als "nicht unbeträchtlichen Eingriff" in das Familienleben des Beschwerdeführers bezeichnet. Sie hat aber mit Recht darauf hingewiesen, daß die besondere Gefährlichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen Verbrechen den hier maßgebenden öffentlichen Interessen derart großes Gewicht verleihe, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes trotz seiner Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie dringend geboten sei. Die belangte Behörde befindet sich damit im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der in vergleichbaren Beschwerdefällen die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität hervorgehoben und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten voller sozialer Integration des Fremden nicht für rechtswidrig erkannt hat, weil das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiege als das gegenläufige private Interesse des Fremden (siehe das hg. Erkenntnis vom 12. März 1990, Zl. 90/19/0157, mit weiteren Judikaturhinweisen).

4. Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991190220.X00

Im RIS seit

14.10.1991

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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