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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
AVG §62 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der S-KG in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 8. Juni 1990, Zl. GA 11 - 538/4/90, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die wesentlichen Teile der zwischen der Beschwerdeführerin und einem anderen Unternehmen (im Vertragstext "Eigentümer" genannt) am 9. Mai 1988 abgeschlossenen und beurkundeten, als "Werbeflächen-Benützungsvertrag" bezeichneten Vereinbarung lauten:
"§ 1
Vertragsobjekt
Der Eigentümer räumt (der Beschwerdeführerin) entgeltliche Benützungsrechte zur Errichtung von Außenwerbungsanlagen (Werbetafeln) im Bereich der F-Märkte laut Beilage A, die integrierter Bestandteil des Vertrages ist (und allfällig nachfolgende numerierte Beilagen), ein.
...
§ 3
Kündigung
Das Vertragsverhältnis beginnt am 1. Mai 1988 und endet am 31. Dezember 1991. Sollte das Vertragsverhältnis zu diesem Termin nicht aufgekündigt werden, verlängert sich die Vereinbarung jeweils um ein weiteres Jahr.
...
§ 4
Entgelt
Das Jahresentgelt für die Benützung beträgt
S 800,--/Laufmeter Plakatfläche, zuzüglich 10 % Umsatzsteuer.
..."
Aus der der Vertragsurkunde angeschlossenen Beilage A gehen die Standorte der Werbeflächen, aus der ebenfalls angeschlossenen Beilage B das Ausmaß der Werbeflächen am jeweiligen Standort und das Gesamtausmaß (letzteres mit 549,1 Laufmeter) hervor.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 1988 (im folgenden als "Gebührenbescheid" bezeichnet) setzte das Finanzamt für das oben angeführte Rechtsgeschäft ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 1,916.962,64 Gebühr gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG 1957 im Betrage von S 19.170,-- sowie gemäß § 6 GebG 1957 eine Bogengebühr und gemäß § 9 GebG 1957 eine auf die letztere entfallende Erhöhung fest. In der Begründung wurde dargelegt, die Bemessungsgrundlage sei ausgehend von einem dreifachen Jahresentgelt von S 1,568.424,-- und einer einmaligen Leistung von S 348.538,64 mit S 1,916.962,64 ermittelt worden.
Die Beschwerdeführerin beantragte, gemäß § 245 Abs. 2 BAO die dem genannten Bescheid, der "nahezu begründungslos" sei, ganz bzw. teilweise fehlende Begründung mitzuteilen, und die Einhebung der Abgabe auszusetzen.
Das Finanzamt erließ daraufhin - ohne den Antrag auf Beigebung einer Begründung zu erledigen - am 6. September 1989 einen Bescheid (im folgenden "Berichtigungsbescheid" genannt), mit dem der "Gebührenbescheid" gemäß § 293 BAO wie folgt berichtigt wurde:
"Wert: 44 Monate + unbestimmte Zeit = sechsfaches Jahresentgelt und Entgelt für acht Monate = 80 Monate. Da sich der Vertrag nach Ablauf der vereinbarten bestimmten Dauer jeweils um ein Jahr verlängert, sind der Bemessung die bestimmte Dauer und die unbestimmte Dauer zugrunde zu legen. Laut Beilage B des Werbeflächenbenützungsvertrages Gesamtlaufmeter 549,1. Miete/Pacht 483.208 x 6 + einmaliges Entgelt vom 1. Mai bis 31. Dezember 1988 S 322.138,64 = S 3,221.386,64. 1 % Gebühr S 32.214,--; vier weitere Bogen gemäß § 6 GebG feste Gebühr S 480,--, 50 % Erhöhung gemäß § 9 GebG S 240,--; Gesamtgebühr S 32.934,--."
Der Berichtigungsbescheid sei zu erlassen gewesen, weil der Gebührenbescheid einen Maschinschreibfehler bei maschineller Bescheidausfertigung aufweise.
Zugleich erließ das Finanzamt einen Bescheid, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Aussetzung der Einhebung abgewiesen wurde (im folgenden "Aussetzungsbescheid" genannt).
Mit dem Schriftsatz vom 6. Oktober 1989 erhob die Beschwerdeführerin (wörtlich) "Berufung gegen den Bescheid vom 13. Oktober 1988, den Berichtigungsbescheid vom 6. September 1989 und den Bescheid über die Aussetzung der Einhebung vom 6. September 1989" mit der Erklärung, sämtliche Bescheide ihrem gesamten Inhalte nach anzufechten. Unter Punkt II. des Schriftsatzes wurde ausgeführt, es sei von einem Tafelbestand von 249,9 Laufmetern, woraus sich ein jährliches Entgelt von S 199.920,-- ergebe, auszugehen. Unter Zugrundelegung einer dreijährigen "Bemessungsdauer" ergebe sich somit ein Betrag von S 599.760,--. Es werde daher beantragt, der Berufung Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, daß die Rechtsgeschäftsgebühr mit S 5.998,-- festgesetzt werde. Der Schriftsatz enthält weiters unter Punkt I. den Antrag, den "Berichtigungsbescheid" ersatzlos zu beheben und unter III. den Antrag, den "Aussetzungsbescheid" im Sinne einer Stattgebung des Aussetzungsantrages abzuändern, und jeweils die Ausführung der entsprechenden Berufungsgründe.
Das Finanzamt wies mit Berufungsvorentscheidung die von der Beschwerdeführerin erhobene "Berufung gegen den Stempel- und Rechtsgebührenbescheid vom 6. September 1989" ab. Zugleich wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung die Berufung der Beschwerdeführerin "gegen den Bescheid vom 6. September 1989 betreffend die Aussetzung der Einhebung" als unbegründet ab.
Die Beschwerdeführerin beantragte daraufhin - durch Anführung der Aktenzahl erkennbar auf ihre Berufung gegen den "Berichtigungsbescheid" bezogen -, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen. Einen entsprechenden Antrag stellte sie betreffend ihre Berufung gegen den "Aussetzungsbescheid".
Über Aufforderung der belangten Behörde, eine "Entgeltsabrechnung" für die Jahre 1988 und 1989 vorzulegen und die Standplätze und "jeweiligen Laufmeter" der aufgestellten Werbetafeln bekanntzugeben, legte die Beschwerdeführerin - ohne weitere Erläuterung - "Mietabrechnungen" vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin (wörtlich) "gegen den Bescheid über die Festsetzung der Rechtsgebühr vom 13. Oktober 1988" ("Gebührenbescheid") als unbegründet ab und änderte den angefochtenen Bescheid gemäß § 289 Abs. 2 BAO dahin ab, daß die Gebühr gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG 1957 mit 1 v.H. von S 3,221.386,64, das sind S 32.214,-- festgesetzt wurde. Der Spruch des angefochtenen Bescheides hält weiters fest, daß in der Höhe der gemäß § 6 GebG 1957 festgesetzten Gebühr und der gemäß § 9 GebG 1957 festgesetzten Gebührenerhöhung keine Änderung eintrete. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird nach Wiedergabe des Verfahrensganges unter anderem dargelegt, aus § 17 Abs. 1 und 2 GebG 1957 folge, daß ein zustande gekommenes Rechtsgeschäft bei eindeutigem Urkundeninhalt dem Urkundeninhalt entsprechend zur Gebührenbemessung heranzuziehen sei. In der Vertragsurkunde sei von den Parteien der Inhalt der Beilagen zum "integrierten" Bestandteil des Vertrages erhoben worden. Für die Gebührenbemessung sei daher von einer Laufmeterzahl von 549,1 auszugehen. Daraus und aus der im vorliegenden Fall zu Grunde zu legenden Vertragslaufzeit von 80 Monaten ergebe sich eine Bemessungsgrundlage von S 3,221.386,64.
Mit einer gesondert ergehenden Berufungsentscheidung wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den "Aussetzungsbescheid" ab; mit einer weiteren Berufungsentscheidung hob sie den "Berichtigungsbescheid" (ersatzlos) auf.
Die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung über die Berufung gegen den "Gebührenbescheid"; die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihren Rechten auf Unabänderlichkeit (Rechtskraft) eines von ihr nicht bekämpften Bescheides und auf gesetzeskonforme Gebührenbemessung verletzt. Die Berufungsentscheidungen betreffend den "Berichtigungsbescheid" und den "Aussetzungsbescheid" werden nicht angefochten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, eine Anfechtung des "Gebührenbescheides" sei mangels einer auf diesen Bescheid bezogenen Anfechtungserklärung im Rechtsmittel vom 6. Oktober 1989 unterblieben. Der angefochtene Bescheid spreche daher über ein Rechtsmittel ab, das gar nicht eingebracht worden sei. Die belangte Behörde habe daher eine Entscheidungsbefugnis in Anspruch genommen, die ihr mangels Bekämpfung des erstinstanzlichen Bescheides gar nicht zugekommen sei.
Diesen Darlegungen ist zunächst der eindeutige Wortlaut der Anfechtungserklärung im Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 6. Oktober 1989 entgegenzuhalten, wonach sich die Berufung (unter anderem) "gegen den Bescheid vom 13. Oktober 1988" (das ist der "Gebührenbescheid") richtet. Darüberhinaus läßt auch der Aufbau des Berufungsschriftsatzes nach Berufungsanträgen und -gründen keine Zweifel daran, daß sich eine der verbundenen Berufungen gegen den "Gebührenbescheid" in seiner Fassung vor der Erlassung des "Berichtigungsbescheides" richtet: Während die Punkte I. und III. inhaltlich eindeutig auf den "Berichtigungsbescheid" und den "Aussetzungsbescheid" bezogene Berufungsgründe sowie die Anträge enthalten, den "Berichtigungsbescheid" ersatzlos aufzuheben (I.) und den "Aussetzungsbescheid" im Sinne einer Stattgebung des Aussetzungsantrages abzuändern (III.), enthält Punkt II. des Schriftsatzes inhaltlich auf den "Gebührenbescheid" bezogene Berufungsgründe sowie den Antrag, den "angefochtenen Bescheid" (in einem über den Umfang der Abänderung durch den "Berichtigungsbescheid" hinausgehenden Umfang, nämlich) dahin abzuändern, daß die Rechtsgeschäftsgebühr mit S 5.998,-- festgesetzt werde.
Im vorliegenden Fall wurde der "Berichtigungsbescheid" mit gesondertem, unangefochten gebliebenen Bescheid der belangten Behörde aus dem Rechtsbestand beseitigt. Im Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides lag der belangten Behörde somit ein unerledigtes Rechtsmittel gegen den - infolge ersatzloser Aufhebung des "Berichtigungsbescheides" wieder in der ursprünglichen Fassung dem Rechtsbestand angehörenden - "Gebührenbescheid" vor. Der meritorischen Entscheidung über dieses Rechtsmittel stand auch nicht der unerledigte Antrag der Beschwerdeführerin nach § 245 Abs. 2 BAO entgegen, da durch einen solchen Antrag zwar der Lauf der Berufungsfrist gehemmt, eine während der Hemmung der Berufungsfrist erhobene Berufung jedoch nicht unzulässig wird. Die geltend gemachte Unzuständigkeit der belangten Behörde liegt somit nicht vor.
Im Beschwerdeverfahren ist weiters strittig, ob der Bemessung der Gebühr das im Vertrag beurkundete Ausmaß der vermieteten Werbeflächen oder der im Berufungsverfahren behauptete "Tafelbestand" zu Grunde zu legen ist. Der Auffassung der belangten Behörde, sie habe vom Urkundeninhalt auszugehen, hält die Beschwerdeführerin entgegen, das strenge Urkundenprinzip gelte nur für die im II. Abschnitt (ergänze: des Gebührengesetzes) behandelten Schriften und Urkunden, nicht aber für die im III. Abschnitt behandelten Rechtsgeschäfte. "Diesen Beweis" habe die Beschwerdeführerin geführt. Die belangte Behörde hätte daher von jenen Daten ausgehen müssen, die ihr die Beschwerdeführerin als für die Gebührenbemessung relevant bekanntgegeben habe.
Dem ist folgendes entgegenzuhalten: Aus der Vertragsurkunde gehen (im Zusammenhalt mit Beilagen A und B, die mit der Urkunde verbunden und gemäß § 1 des Vertrages "integrierte Bestandteile" desselben sind) alle für Zustandekommen und Inhalt des Vertrages bedeutsamen Umstände einschließlich der für die Bemessung der Gebühr wesentlichen Tatsachen deutlich und vollständig hervor. Nach dem aus § 17 Abs. 1 GebG 1957 folgenden Urkundenprinzip ist für die Beurteilung der Gebührenschuld der schriftlich festgelegte Urkundeninhalt maßgeblich; hingegen ist unmaßgeblich, ob das Rechtsgeschäft in weiterer Folge aufrechterhalten und ob und wie es ausgeführt wird (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1990, Zl. 89/15/0140, und die dort angeführte Vorjudikatur). Erfüllt ein Schriftstück die Voraussetzungen einer Urkunde über ein Rechtsgeschäft und enthält es alle für die Gebührenbemessung bedeutsamen Umstände - also auch die Bemessungsgrundlage -, so richtet sich die Gebührenpflicht ausschließlich nach dem Urkundeninhalt (Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum Gebührengesetz § 15 bis 18 B V 1).
Gegen den eindeutigen Urkundeninhalt ist lediglich der Beweis zulässig, daß das beurkundete Rechtsgeschäft im Zeitpunkt der Urkundenerrichtung nicht (gültig) zustande gekommen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. Juni 1991, Zl. 90/15/0019, und die dort angeführte Vorjudikatur); dies wird im Beschwerdefall gar nicht behauptet. Die Urkunde ist auch - die im Beschwerdeverfahren strittige Frage des Ausmaßes der vermieteten Werbeflächen betreffend - nicht undeutlich im Sinne des § 17 Abs. 2 GebG 1957. Eine Beweisführung gegen die in der zuletzt zitierten Vorschrift normierte widerlegbare Vermutung des die Gebührenschuld begründenden oder die höhere Gebühr nach sich ziehenden Tatbestandes kam daher im Beschwerdefall nicht in Betracht.
Nur der Vollständigkeit halber ist daher darauf zu verweisen, daß mit der nicht weiter konkretisierten Behauptung der Beschwerdeführerin, es sei "von einem Tafelbestand von 249,9 Laufmeter auszugehen", und der Vorlage von "Mietabrechnungen" der - nach dem oben Gesagten im vorliegenden Fall ohnedies nicht zulässige - Beweis gegen den Urkundeninhalt weder angetreten noch erbracht wurde.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990150101.X00Im RIS seit
28.06.2001