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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der H-GmbH in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt St. Pölten vom 24. Juli 1991, Zl. 00/37/4-1991/Mag.Gu.-, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in einer Bausache, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
In der vorliegenden Beschwerde wird folgender Sachverhalt behauptet:
Der die baubehördliche Bewilligung für die Anbringung einer Werbeanlage versagende und die Entfernung der konsenslos montierten Werbeanlage auftragende Bescheid des Magistrats der Landeshauptstadt St. Pölten sei der Beschwerdeführerin am 28. Jänner 1991 (durch Hinterlegung) zugestellt und am 30. Jänner 1991 ausgefolgt worden. Noch am 30. Jänner 1991 sei der Bescheid im Unternehmen der Beschwerdeführerin mit dem Eingangsstempel "30.1.1991" versehen und dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin im Telefaxweg mit dem Auftrag übermittelt worden, gegen diesen Bescheid zu berufen. Das Rückschein-Kuvert mit dem Hinterlegungsdatum sei im Telefaxweg nicht übermittelt worden. Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, welcher sie seit vielen Jahren vertrete, sei bekannt, daß im Unternehmen der Beschwerdeführerin Poststücke grundsätzlich am Tage der Zustellung übernommen und mit dem jeweiligen Eingangsstempel versehen werden, sodaß im Unternehmen der Beschwerdeführerin das Zustellungsdatum mit dem Datum des Eingangsstempels übereinstimme. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin habe deshalb das Eingangsdatum auch nicht weiter überprüft, als einige Tage später der im Postweg versandte Originalbescheid beim Rechtsvertreter einlangte, sei der Bescheid in den Akt abgelegt worden, zumal das Original mit der im Telefaxweg übermittelten Fotokopie ohnehin übereingestimmt habe. Das tatsächliche Zustelldatum 28. Jänner 1991 sei dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin erst im Zuge der Ausfertigung der Berufung am 13. Februar 1991 während weiteren Aktenstudiums aufgefallen.
Die Beschwerdeführerin habe danach am 13. Februar 1991 durch ihren Rechtsvertreter den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gestellt und gleichzeitig die Berufung eingebracht, der Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten habe diesen Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen. Die dagegen fristgerecht erhobene Berufung sei mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen worden.
Es erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid erkennbar im Recht auf Bewilligung der Wiedereinsetzung bei Vorliegen der dafür normierten gesetzlichen Voraussetzungen beschwert.
Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die mit einem Rechtsnachteil verbundene Versäumung einer Frist zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, ENr. 33 ff zu § 71 AVG, und die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 656 f zitierte Judikatur). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit im Hinblick auf die Bestimmung des § 71 Abs. 1 lit. a AVG in Verbindung mit § 12 AVG nur dann in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann dem Beschwerdevorbringen die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht entnommen werden.
Zu Unrecht schon bekämpft die Beschwerdeführerin die Rechtsansicht der belangten Behörde, das dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin anzulastende Verschulden, die Prüfung des Zustelldatums des erstinstanzlichen Bescheides unterlassen zu haben, könne nicht mehr als minderer Grad des Versehens qualifiziert werden. Dem Standpunkt der belangten Behörde ist beizupflichten. Wird ein Rechtsanwalt von seinem Mandanten mit der Einbringung eines Rechtsmittels gegen eine Entscheidung beauftragt, so bildet es ein wesentliches Element seiner damit übernommenen Pflichten, sich selbst vom Ablauf der ihm zur Verfassung der Rechtsmittelschrift zur Verfügung stehenden Frist zu überzeugen. Wenn der Rechtsanwalt dies unterläßt und der ihm vom Mandanten erteilten Information über den Zustellzeitpunkt der angefochtenen Entscheidung ungeprüft vertraut, verletzt er damit seine Diligenzpflicht in einer Weise, welche die belangte Behörde zutreffend als minderen Grad des Versehens nicht mehr ansehen konnte. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten positiven Erfahrungen ihres Rechtsvertreters mit ihr können daran nichts ändern, weil die Prüfungspflicht des Rechtsanwalts vom Grad der Verläßlichkeit seines Mandanten nicht abhängen kann, können doch nach der Lebenserfahrung auch sorgfältigen Mandanten Versehen unterlaufen, die jedenfalls abzufangen nun einmal zu den essentiellen Obliegenheiten eines Rechtsanwaltes zählt.
Die Beschwerdeführerin läßt aber zudem jegliches Vorbringen darüber vermissen, welches unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis sie dafür ins Treffen geführt hätte, daß es zur Anbringung des mit dem Zustelldatum nicht übereinstimmenden Eingangsstempels auf dem anzufechtenden Bescheid überhaupt kommen konnte. Erst recht fehlt jede Behauptung eines im Verwaltungsverfahren aufgestellten Sachvorbringens, welches eine Prüfung des Verschuldensgrades der dafür verantwortlichen Personen im Unternehmen der Beschwerdeführerin ermöglicht hätte.
Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991050182.X00Im RIS seit
15.10.1991