TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/15 91/05/0116

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Veröffentlicht am 15.10.1991
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Index

L37162 Kanalabgabe Kärnten;
L82302 Abwasser Kanalisation Kärnten;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art119a Abs5;
GdKanalisationsG Krnt 1978 §5 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der Ludmilla W in F, vertreten durch Dr. H Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 6. März 1991, Zl. AW-Allg-89/1/91, betreffend Kanalanschluß (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde F), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 31. August 1983 wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, das auf der jeweils näher bezeichneten Liegenschaft in F befindliche Objekt an die Gemeindekanalisationsanlage anzuschließen. Der Berufung gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. April 1985 keine Folge gegeben.

Aufgrund der Vorstellung der Beschwerdeführerin behob die belangte Behörde mit Bescheid vom 24. November 1988 den Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 18. April 1985 und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde zurück. In der Folge wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben des Bürgermeisters vom 18. Juli 1989 zur Kenntnis gebracht, die mitbeteiligte Stadtgemeinde habe in Befolgung der Rechtsansicht der Landesregierung den Sachverständigen D.I.H.O. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, welches hinsichtlich der Kanalanschlußpflicht im Bereich des Bauabschnittes 04 im allgemeinen und der Liegenschaft der Beschwerdeführerin im besonderen folgende Feststellungen treffe: Die durchschnittlichen Hausanschlußkosten für 315 Hausanschlüsse im Bauabschnitt 04 betrügen je Anschluß S 19.156,12. Die um 50 % erhöhten Durchschnittskosten ergäben sich daher mit S 28.734,19. Die für das Wohnhaus der Beschwerdeführerin ermittelten Anschlußkosten beliefen sich auf S 9.301,--. Sie lägen damit wesentlich unter den durchschnittlichen Anschlußkosten von S 19.156,12, sodaß ein Ausnahmetatbestand gemäß § 5 Abs. 1 lit. a des Gemeindekanalisationsgesetzes nicht gegeben scheine. Zu dieser Mitteilung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie hätte das Recht, in ein Gutachten, falls ein solches vorliege, zur Gänze Einsicht zu nehmen. Überdies müßte sie in sämtliche Unterlagen betreffend die Projektierung und Finanzierung des Kanalisationsprojektes und die Akten aller anschlußpflichtigen Grundstückseigentümer in F Einsicht nehmen, um die Berechnung der Anschlußkosten nachvollziehen zu können. Nach einer Niederschrift vom 17. Jänner 1989 mit einem Vertreter der Beschwerdeführerin erklärte der Verhandlungsleiter, die Überlassung des Gesamtgutachtens sei nicht möglich, da darin auch andere anzuschließende Grundstücke bzw. Gebäude behandelt würden. Mit einem der Beschwerdeführerin am 11. Jänner 1991 zugestellten Schreiben des Bürgermeisters wurde ihr das Gutachten des XY vom 15. Juni 1988 übermittelt und ihr Gelegenheit geboten, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens eine neuerliche bzw. ergänzende Stellungnahme abzugeben. Die Beschwerdeführerin ersuchte daraufhin um Fristerstreckung, brachte jedoch gleichzeitig vor, daß ein erstes Studium des Gutachtens ergeben habe, daß die mitbeteiligte Stadtgemeinde beim Bau des Kanalprojektes 04 nicht den Gesetzesanforderungen entsprechend vorgegangen sei. Um einen vollständigen Überblick über das Kanalprojekt zu erhalten und um zu beweisen, daß die Berechnungen der Stadtgemeinde nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, werde um Einsicht in die ergänzenden Akten ersucht. Anläßlich einer Besprechung am 31. Jänner 1991 wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß zwei Wochen und eine Verlängerungswoche zum Studium eines Gutachtens, dessen Erstellung weit über ein Jahr gedauert habe, zu kurz sei und ersuchte um weiteren Aufschub. Sodann verwies sie darauf, daß aus dem Gutachten nicht erkennbar sei, wo der private Teil des Anschlusses beginne bzw. wie dieser errechnet worden sei. In verschiedenen Fällen sei bis zur Hauskante, in anderen Fällen bis 30 m und mehr über Privatgrundstücke gegraben worden. Die Vertreter der Stadtgemeinde erklärten, daß ein Einblick in Akten anderer Anschlußpflichtiger nicht möglich sei.

Mit Bescheid vom 6. Februar 1991 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 31. August 1983 neuerlich abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Sachverständige D.I.H.O. habe eine Neuermittlung der privaten Anschlußkosten unter Zugrundelegung des Gemeinderatsbeschlusses vom 2. Dezember 1982 durchgeführt, wonach die öffentliche Anschlußleitung bis maximal 2 m innerhalb des Grundstückes reiche. Demgemäß seien die durchschnittlichen Hausanschlußkosten, welche vorher mit S 18.538,59 je Anschluß (zuzüglich 50 % Überschreitung S 27.807,89) ermittelt worden waren, auf S 19.156,-- je Anschluß (zuzüglich 50 % Überschreitung S 28.734,19) vom Sachverständigen korrigiert worden. Im übrigen werde unter Berücksichtigung des eingeholten Gutachtens dieses Sachverständigen festgestellt, daß die Stadtgemeinde mit der Ermittlung der Anschlußkosten die Firma S beauftragt habe. Die vorliegende Kostenschätzung sei mit Jänner 1984 datiert. In Punkt a) der Vorbemerkungen zu diesen Kostenschätzungen würden Eigenleistungen des Grundeigentümers definiert. Zur Länge der privaten Hausanschlüsse werde in Punkt A 3 festgelegt, daß sich diese bis zum gemeindeseitig zu erichtenden Kontrollschacht ca. 1 bis 2 m innerhalb des Grundstückes erstrecke. Die von der Gemeinde errichtete bzw. zu errichtende Kanalanlage reiche daher bis zum Kontrollschacht einschließlich desselben 1 bis 2 m innerhalb der Grundstücksgrenze. Eine solche Festlegung durch eine Gemeinde sei durchaus üblich und zweckmäßig. Die Grundlagen für die Kostenschätzungen seien von der Firma S getrennt für die Eigenleistungen des Grundeigentümers und die Anschlußleistungen seitens der Stadtgemeinde angegeben worden. Die Einheitspreise für die Kostenschätzung seien einem aktuellen Anbot der Firma U entnommen, welches ebenfalls der Kostenschätzung beigefügt sei. Auf diese Einheitspreise sei ein Aufschlag von 20 % berücksichtigt worden. In diesem Zuschlag dürften Erschwernisse für geringe Mengen, Preissteigerungen und vermutlich Reserven für unvorhergesehene Erschwernisse enthalten sein. Die Einheitspreise seien unter der Voraussetzung ortsüblich und angemessen, daß eine ausführende Firma zumindest einen Großteil der Hausanschlüsse durchführen könne. Die für das Wohnhaus der Beschwerdeführerin ermittelten Anschlußkosten beliefen sich auf S 9.301,-- und lägen somit unter den durchschnittlichen Anschlußkosten von S 19.156,12, sodaß ein Ausnahmetatbestand gemäß § 5 Abs. 1 lit. a des Gemeindekanalisationsgesetzes nicht gegeben scheine. Weiters sei der Beschwerdeführerin volle Akteneinsicht sowie Einsicht in die sonstigen Unterlagen gewährt worden. Innerhalb der ursprünglich mit zwei Wochen festgelegten und dann bis 1. Februar 1991 erstreckten Frist sei eine Stellungnahme hiezu nicht abgegeben worden. Die am 4. Februar 1991 eingereichte "Besprechungsniederschrift" sei nicht geeignet, sich auf die Entscheidung der Berufungsbehörde auszuwirken.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Vorstellung der Beschwerdeführerin wies die belangte Behörde mit den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. März 1991 als unbegründet ab. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin hätte keine dezidierte Stellungnahme innerhalb der ihr gesetzten Frist zum gegenständlichen Gutachten abgegeben. Der Gutachter D.I.O.H. sei in seinem Gutachten vom 15. Juni 1988 zu dem Ergebnis gekommen, daß die durchschnittlichen Kosten zur Herstellung eines Anschlußkanales in der mitbeteiligten Stadtgemeinde bei S 19.156,12 lägen bzw. daß sich die Kosten zur Herstellung des Anschlußkanales bei der Beschwerdeführerin auf S 9.301,-- beliefen. Damit sei eindeutig klargestellt, daß der Ausnahmetatbestand des § 5 Abs. 1 des Gemeindekanalisationsgesetzes in der gegenständlichen Angelegenheit nicht in Frage kommt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die tragenden Aufhebungsgründe eines aufhebenden Bescheides der Gemeindeaufsichtsbehörde sind für das fortgesetzte Verfahren vor den Gemeindebehörden, vor der Aufsichtsbehörde und vor dem Verwaltungsgerichtshof selbst bindend (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshof vom 25. Jänner 1983, Zl. 82/05/0107, vom 28. Juni 1983, Zl. 05/1231/79, u.a.).

In dem umbekämpft gebliebenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Juni 1988 hat diese ausgesprochen, daß das Gutachten samt Befund des D.I.O.H. vom 24. November 1988 der Beschwerdeführerin in vollem Umfang zur Kenntnis gebracht hätte werden müssen, um den Bestimmungen der §§ 17 und 37 AVG Rechnung zu tragen. In gegenständlicher Angelegenheit benötige die Partei nämlich tatsächlich Vergleichsmöglichkeiten, um feststellen zu können, ob der Ausnahmetatbestand des § 5 Abs. 1 des Gemeindekanalisationsgesetzes gegeben sei oder nicht. Bereits im Verfahren auf Gemeindeebene hat die Beschwerdeführerin vorgebracht, daß es erforderlich sei, in weitere Akten Einsicht zu nehmen, um einen vollständigen Überblick über das Kanalprojekt erhalten zu können.

Dieses Vorbringen ist berechtigt. Um beurteilen zu können, wie die durchschnittlichen Anschlußkosten von S 19.156,12 ermittelt wurden, ist es erforderlich, die Länge der diesen Anschlußkosten zugrunde gelegten Leitungen zu kennen. Nur nach Kenntnis der jeweils angenommenen Länge der Leitungen ist die Beschwerdeführerin in die Lage versetzt, ein konkretes Vorbringen zur Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit der jeweils angenommenen Länge der Leitung zu erstellen. Dadurch, daß die belangte Behörde den auf dem Fehlen von maßgeblichen Informationen beruhenden Verfahrensmangel nicht erkannt hat und in der Folge die erforderlichen Ermittlungen weder selbst durchgeführt, noch den Bescheid aufgehoben und zur Verfahrensergänzung an die Gemeinde zurückverwiesen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Das Gutachten des D.I.H.O. vom 15. Juni 1988 berücksichtigt aus nicht angeführten Gründen nur den "Bauabschnitt 04". Der "örtliche Durchschnitt" kann sich aber nicht nur auf einen ohne erkennbare Gründe gewählten bestimmten Bauabschnitt beziehen, da es damit der Gemeinde freistünde, den jeweiligen Bauabschnitt so festzulegen, daß dort die Vergleichswerte besonders hoch oder auch besonders niedrig liegen. Der "örtliche Durchschnitt" des § 5 Abs. 1 des Gemeindekanalisationsgesetzes bezieht sich auf den "Ort". Ein Ort ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine geschlossene Siedlung (vgl. Das große Dudenlexikon, sechster Band, S. 98). Es ist daher bei der Ermittlung des örtlichen Durchschnittes nicht von einem Bauabschnitt, sondern von einer geschlossenen Siedlung auszugehen. Wie dem vorgelegten Gutachten weiters zu entnehmen ist, stützte sich der Gutachter bei der Wahl der Anschlußpunkte nicht auf ein für die Gemeinde wasserrechtlich bewilligtes Kanalprojekt, sondern vielmehr auf eine Niederschrift über die Sitzung des Gemeinderates vom 21. Dezember 1982. In dieser Sitzung wurde unter Punkt 3. und 6. festgehalten, daß je Grundstück bzw. Liegenschaft grundsätzlich jeweils eine Anschlußleitung vom Hauptkanal bis maximal 2 m innerhalb des Grundstückes einschließlich eines dort zu errichtenden Anschluß- bzw. Kontrollschachtes hergestellt werde, ein Rechtsanspruch der Grundstücks- bzw. Liegenschaftseigentümer auf kostenlose Anschlußherstellung bestehe in keinem Falle. Die Wahl eines Anschlußpunktes innerhalb der jeweiligen Liegenschaft als Ausgangsbasis für die Ermittlung der Länge der jeweiligen Leitung ist schon deshalb sachlich unbegründet, weil in der Sitzung des Gemeinderates vom 21. Dezember 1982 festgehalten wurde, daß gar kein Anspruch auf Anschlußherstellung durch die Gemeinde besteht und daher für die Beschwerdeführerin keine Sicherheit gegeben ist, daß in der Folge nicht doch Kosten der gesamten Anschlußleitung vorgeschrieben werden. Es hätte daher festgestellt werden müssen, wie weit nach dem wasserrechtlich bewilligten Kanalprojekt die eigentliche, von der Gemeinde errichtete ("öffentliche") Kanalleitung geht.

Aus diesen Gründen war der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Hinsichtlich des Verfahrenskostenaufwandes gemäß den §§ 47 ff. VwGG wird auf das hg. Erkenntnis vom 24. September 1991, Zlen. 91/05/0106, 0115 und 0117, verwiesen.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991050116.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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