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19/05 Menschenrechte;Norm
MRK Art6 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des Petr B in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 27. Dezember 1990, Zl. Wa-122/90, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom 27. April 1990, mit dem in Bestätigung eines zuvor im Mandatsverfahren erlassenen Bescheides dieser Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Waffengesetz 1986 (WaffG) der Besitz von Waffen und Munition verboten worden war, keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, im Zuge einer gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung am 1. März 1990 seien in der vom Beschwerdeführer benützten Wohnung eine Schrotflinte (Pumpgun), ein Winchester-Gewehr, ein Anschütz-KK-Gewehr, ein Luftdruck-Scheibengewehr sowie eine Faustfeuerwaffe (Revolver Kal. 5,75) vorgefunden und beschlagnahmt worden. Der Beschwerdeführer sei nicht im Besitz eines waffenrechtlichen Dokumentes und daher nicht zum Besitz der Faustfeuerwaffe und der Schrotflinte berechtigt gewesen. Die Behörde erster Instanz habe auf Grund des unerlaubten Waffenbesitzes, mit dem sich der Beschwerdeführer über waffenrechtliche Bestimmungen hinweggesetzt habe, im Sinne des § 12 WaffG die Annahme für gerechtfertigt angesehen, der Beschwerdeführer werde Waffen mißbräuchlich verwenden. Weiters sei die Behörde erster Instanz bei ihrer Entscheidung davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer am 25. Jänner 1984 vom Kreisgericht Korneuburg gemäß § 36 Abs. 1 WaffG wegen unbefugten Besitzes von Faustfeuerwaffen und mit Urteil desselben Kreisgerichtes vom 30. März 1984 wegen Fälschung öffentlicher Urkunden und wegen der Vorbereitung einer solchen Fälschung rechtskräftig verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe in seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung ausgeführt, er habe die bei ihm vorgefundene Faustfeuerwaffe lediglich im Zuge der Abwicklung einer Verlassenschaftssache innegehabt. Eine Einsichtnahme der belangten Behörde in den gerichtlichen Verlassenschaftsakt habe nicht zweifelsfrei ergeben, daß bzw. wie lange der Beschwerdeführer die Faustfeuerwaffe unbefugt besessen habe. Fest stünden aber die angeführten gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers, wobei aus der erstangeführten, durch das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 10. Dezember 1985 bestätigten Verurteilung hervorgehe, daß der Beschwerdeführer auch das Delikt der Ansammlung von Kampfmitteln (§ 280 StGB) verwirklicht habe. Gegen den Beschwerdeführer seien auch Anzeigen wegen gewerbsmäßigen Betruges, Erpressung und wegen Vergehens nach dem Waffengesetz (letzteres im Zusammenhang mit der beim Beschwerdeführer aufgefundenen Faustfeuerwaffe) beim Landesgericht St. Pölten erstattet worden. Bei der Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers ergäben sich aus den angeführten Verurteilungen - unabhängig davon ob diese bereits getilgt seien - zwingende Tatsachen im Sinne des § 12 WaffG. In diese Beurteilung habe auch die Anzeige wegen gewerbsmäßigen Betruges und wegen Erpressung einbezogen werden können. Der Ausgang dieses Gerichtsverfahrens habe aber wegen der Dringlichkeit der beschwerdegegenständlichen Angelegenheit und wegen der bereits hinreichend anzunehmenden Tatsachen im Sinne des § 12 WaffG nicht abgewartet werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, Waffen, deren Besitz nicht verboten ist, zu besitzen, verletzt. Insbesondere habe die belangte Behörde durch die Einbeziehung bloßer Anzeigen, die bislang zu keiner Verurteilung geführt hätten, gegen die Unschuldsvermutung verstoßen. Derartige Anzeigen dürften nicht als Tatsachen im Sinne des § 12 WaffG gewertet werden. Die von der belangten Behörde in ihre Wertung einbezogenen gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers beruhten beide auf dem selben Vorfall. Keineswegs könne aus diesen bereits getilgten Verurteilungen auf eine Neigung des Beschwerdeführers zur Begehung von Gewalttaten geschlossen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 1 WaffG hat die Behörde einer Person, den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Person durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte. Diese Vorschrift dient, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat (siehe das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1987, Zl. 87/01/0140, und die dort angeführte Vorjudikatur), der Verhütung einer mißbräuchlichen Verwendung von Waffen und setzt nicht voraus, daß bereits tatsächlich eine mißbräuchliche Verwendung durch jene Personen erfolgt ist, gegen die das Waffenverbot verhängt wird. Voraussetzung für die Verhängung eines Waffenverbotes ist somit die gerechtfertigte Annahme der Gefahr eines MISZBRAUCHES von Waffen. Anders als etwa bei den Entziehungstatbeständen des § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 WaffG setzt der strengere Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG eine (anzunehmende) qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen, nämlich Mißbrauch voraus. Demgegenüber ist der Entzug waffenrechtlicher Urkunden von der mangelnden Verläßlichkeit abhängig. Insofern ist das Waffenverbot an strengere Voraussetzungen geknüpft (vgl. das o. a. hg. Erkenntnis).
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die noch von der Behörde erster Instanz als maßgeblich erachtete Frage des unbefugten Besitzes des Beschwerdeführers an einer Faustfeuerwaffe dahin gestellt gelassen, hat aber eine wegen des Auffindens der Faustfeuerwaffe beim Beschwerdeführer erstattete Anzeige an das Landesgericht St. Pölten als für die Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers geeignet angesehen. Abgesehen davon, daß selbst der erwiesene unbefugte Besitz einer verbotenen Waffe für sich allein kein Indiz für die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen darstellt, ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, wenn er in der von der belangten Behörde vorgenommenen Wertung der diesbezüglichen Anzeige bei Gericht einen Verstoß gegen das Prinzip der Unschuldsvermutung erblickt.
Wohl ist der belangten Behörde darin zu folgen, wenn sie die Auffassung vertritt, daß bei der Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers auch bereits getilgte Verurteilungen mit herangezogen werden durften. Allerdings kann das Vorliegen von gerichtlichen Verurteilungen, die bereits getilgt sind und denen ein Vorfall zugrundeliegt, der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits mehrere Jahre zurücklag, ohne Hinzutreten eines aktuellen, als Tatsache im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG zu wertenden Verhaltens des Beschwerdeführers nicht die von der belangten Behörde gestellte Prognose, der Beschwerdeführer werde Waffen mißbräuchlich verwenden, rechtfertigen. Da die belangte Behörde von einem als erwiesen anzusehenden, die mißräuchliche Verwendung von Waffen erwarten lassenden Verhalten, das zeitlich nicht zu weit zurückliegt, nicht ausgegangen ist und nach den obigen Darlegungen auch nicht ausgehen konnte, hat sie dadurch, daß sie somit ohne Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen gegen den Beschwerdeführer ein Waffenverbot verhängte, die Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben werden.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den pauschalierten Kostenersätzen bereits berücksichtigt ist.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991010026.X00Im RIS seit
25.04.2001Zuletzt aktualisiert am
23.03.2009