Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des Emil N in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. März 1991, Zl. 4.282.111/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein bulgarischer Staatsangehöriger, reiste am 10. September 1989 in das Bundesgebiet ein und stellte am 12. September 1989 Asylantrag. Bei seiner Einvernahme vor der Behörde erster Instanz gab der Beschwerdeführer an, er habe keiner Partei angehört und sei orthodoxen Glaubens. Von 1986 bis 1989 sei er als Koch beschäftigt gewesen. Da er als Regimegegner öffentlich gegen das Regime aufgetreten sei, sei er seit dem Jahre 1976 verfolgt worden. Die Polizei habe ihn des öfteren auf der Straße angehalten und zum Kommissariat gebracht. Als Regimegegner habe er in Bulgarien nicht mehr leben können. Er wolle im Westen ein neues Leben beginnen. Im Jahre 1982 habe er beim Militär am Kasten ein Schild mit den amerikanischen Bundesstaaten angebracht; daraufhin sei er 10 Tage inhaftiert worden.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 11. Dezember 1989 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer mit der Begründung berufen, während seiner Wehrdienstzeit sei er unangenehm aufgefallen, weil er die Unterdrückung und die Heuchelei nicht ertragen habe. Er habe schließlich lautstark protestiert und sei sofort von seinem Vorgesetzten einvernommen und auf brutale Weise bedroht worden. Das Ergebnis sei der Ausschluß aus dem "Komsomol" gewesen, was schwerwiegende Folgen in Bulgarien habe. Man sei für den Rest seines Lebens als unverläßlich, opportunistisch und der Regierung untreu verschrien. Der Beschwerdeführer habe dann später Arbeit im Sheraton Hotel als Gehilfe und Koch gefunden, doch habe er sich der kommunistischen Politik nicht beugen wollen. Deshalb sei er ohne Angaben von Gründen zwei Jahre später entlassen worden. Er habe die größten Schwierigkeiten Arbeit zu finden, um wenigstens überleben zu können.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. März 1991 wurde die Berufung abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es sei dem Beschwerdeführer im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht möglich gewesen glaubhaft darzutun, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung, die sich auf Umstände beziehen müsse, die im zeitlichen Naheverhältnis zur Ausreise aus dem Heimatland lägen, außerhalb seines Heimatlandes befände. Die vom Beschwerdeführer angeführten Ereignisse aus seiner Militärzeit seien daher nicht entscheidungsrelevant. Aus dem Vorbringen vor der Behörde erster Instanz sei nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer aus politischen Gründen im Jahre 1989 gekündigt worden wäre. Dem dazu widersprüchlichen Berufungsvorbringen müsse daher die Glaubwürdigkeit versagt werden. Wenn der Beschwerdeführer tatsächlich vor seiner Ausreise irgendeiner Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre, hätte er dies bereits bei seiner erstinstanzlichen Befragung vorgebracht, zumal einerseits dieser Befragung ein Dolmetscher beigezogen gewesen sei, sodaß Mißverständnisse auszuschließen seien, und andererseits gezielt nach Indizien einer Verfolgung gefragt worden sei.
Erfahrungsgemäß machten nämlich Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben, die der Wahrheit am nächsten kämen. Die Berufungsangaben seien daher nicht glaubwürdig. Allgemeine Vorbringen, wie Verfolgung, Diskriminierung, Schikane und ähnliches, ohne diese pauschalen Behauptungen durch nähere Angaben untermauern zu können, beinhalteten keine derart tiefgründige Indizwirkung, um dem in der Flüchtlingskonvention angesprochenen Tatbestand zu Grunde gelegt werden zu können. Es läge in der Natur der Sache, daß in Anwendungsfällen der angeführten Konventionsnorm die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Furcht nicht nur objektivierbar sein und von ihm behauptet, sondern auch glaubhaft gemacht werden müsse. Der Hochkommissär der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge sei gemäß § 9 Abs. 3 des Asylgesetzes gehört worden und habe der in Aussicht genommenen Abweisung - so wie in erster Instanz - zugestimmt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach dem Beschwerdevorbringen in seinem Recht, als Flüchtling anerkannt zu werden, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968 über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 126 (Asylgesetz), in der Fassung der Novelle vom 27. November 1974, BGBl. Nr. 796, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Punkt 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne des Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Der Beschwerdeführer rügt unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, daß die Behörde erster Instanz den Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlingswesen nicht vor der Erlassung ihres Feststellungsbescheides benachrichtigt habe. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Überprüfung des angefochtenen Bescheides, nicht aber der Bescheid der Behörde erster Instanz. Nun ergibt sich aus dem im Akt der belangten Behörde erliegenden Aktenvermerk, daß am 9. Jänner 1991 der Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge tatsächlich von der beabsichtigten Entscheidung der belangten Behörde verständigt worden ist.
Der Beschwerdeführer rügt weiters, die belangte Behörde hätte Anfragen an die österreichische Vertretungsbehörde zur Frage richten müssen, ob Personen, die öffentlich gegen das Regime auftreten, durch polizeiliche Übergriffe schikaniert würden, und an die staatlichen Behörden, ob der Beschwerdeführer vom Komsomol ausgeschlossen worden sei. Der Beschwerdeführer sei auch nicht ausreichend von der Behörde erster Instanz angeleitet worden, seine Fluchtgründe konkret und chronologisch darzustellen. Diesem Vorwurf der Verletzung der Rechtsbelehrungspflicht gemäß § 13a AVG ist entgegenzuhalten, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes es nicht Aufgabe der Behörde ist, dem Asylwerber Unterweisungen zu erteilen, wie er sein Vorbringen auszuführen habe, damit seinem Antrag allenfalls stattgegeben werden könnte (vgl. hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1988, Zlen. 88/01/0270, 0271 und die dort angeführte Judikatur). Die belangte Behörde ist auch nicht verhalten, allgemeine Berichte über das Verhalten der Polizei im Heimatstaat gegenüber Regimegegnern einzuholen und Anfragen an staatliche Behörden des Heimatlandes des Beschwerdeführers zu richten, dessen Schutz gerade er ablehnt. Die Ablehnung des kommunistischen Regimes allein ist nicht ausreichend, die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Ereignisse im Jahre 1976 und während seiner Militärdienstzeit im Jahre 1982, die zum Ausschluß aus dem Komsomol führten, sind wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, ohne rechtliche Bedeutung, weil sie in keinem zeitlichen Zusammenhang zur Ausreise des Beschwerdeführers stehen. Wenn die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangte, daß aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers eine Furcht vor Verfolgung aus den in der Konvention genannten Gründen nicht vorliegt - der Beschwerdeführer hat sich nach Ausschluß aus dem Komsomol zuletzt drei Jahre hindurch in einer seiner Ausbildung entsprechenden Berufsstelle befunden - dann hat sie nicht rechtswidrig gehandelt.
Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991010122.X00Im RIS seit
16.10.1991