TE Vfgh Erkenntnis 1989/2/27 B766/88

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Veröffentlicht am 27.02.1989
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt / Willkür keine
B-VG Art83 Abs2 / Zuständigkeit
StGG Art5 / Bescheid verfahrensrechtlicher
AVG 1950 §69 Abs1 litb
AVG 1950 §69 Abs4

Leitsatz

Verweigerung der Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich der Versagung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung; keine Bedenken gegen §69 Abs1 litb AVG 1950; kein Eigentumseingriff; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine Willkür

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Dem Rechtsvorgänger der nunmehrigen Beschwerdeführerin war mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Söll vom 26. September 1984 die grundverkehrsbehördliche Zustimmung zu einem Rechtserwerb auf Grund eines Pachtvertrages vom 28. April 1975, betreffend eine Teilfläche von rund 240 m2 aus Gp. 2110 in EZ 106 I KG Söll, gemäß §§3 Abs1, 4 Abs1 und 6 Abs1 litc und Abs2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983 (GVG) verweigert worden.

Die dagegen eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 26. Juli 1985 als unbegründet abgewiesen.

2. Mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 28. Dezember 1987, Z LGv-1132/9-84, wurde ein von der Beschwerdeführerin am 2. Juni 1986 eingebrachter Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß §69 Abs1 litb AVG 1950 abgewiesen. Dies wurde im wesentlichen wie folgt begründet:

    "... Die Berufungsbehörde bejahte in diesem Bescheid (gemeint

ist der Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der

Tiroler Landesregierung vom 26. Juli 1985) ihre Zuständigkeit zur

Sachentscheidung im wesentlichen mit der Begründung, daß es sich

einerseits bei der in Rede stehenden Grundfläche um einen

Bestandteil eines geschlossenen Hofes ... handle und das Grundstück

schon aus diesem Grunde eine landwirtschaftliche (Zweck)Widmung

aufweise (vgl. §1 des Tiroler Höfegesetzes); andererseits damit,

daß nach dem zur Genehmigung vorgelegten Vertrag das vom

Rechtsgeschäft betroffene Grundstück nach wie vor mit der

Dienstbarkeit des Viehtriebes ... zugunsten eines bäuerlichen

Betriebes belastet sei, also ein für ein land- und

forstwirtschaftliches Grundstück geradezu typischer Sachverhalt

vorliege ... Aber selbst für den Fall, daß man die (nach der

Aktenlage konsenslose) Bauführung im Jahre 1975 dahingehend verstanden wissen hätte wollen, daß damit die Widmung des Grundstückes, einem landwirtschaftlichen Betrieb zu dienen, entfallen wäre, sei das verfahrensgegenständliche Rechtsgeschäft unter dem Gesichtspunkt der Hintanhaltung von Umgehungshandlungen in die Regelungen des Grundverkehrs einzubeziehen. Es könne nämlich nicht angehen, daß ein vormals zweifellos einem landwirtschaftlichen Betrieb gewidmetes Grundstück ohne die erforderliche Zustimmung entzogen werde und die Grundverkehrsbehörde ein Jahrzehnt später vor vollendete Tatsachen gestellt werde.

Was nunmehr die im Wiederaufnahmsantrag enthaltene Behauptung anlangt, daß das vom strittigen Rechtsgeschäft betroffene Gebäude mit mündlicher Baubewilligung des Bürgermeisters der Gemeinde Söll erstellt worden wäre, kann für die Antragstellerin nichts gewonnen sein, weil sowohl die Tiroler Bauordnung LGBl. Nr. 42/1974 (später wiederverlautbart als TBO 1978, LGBl. Nr. 43, als auch die Tiroler Landesbauordnung LGBl. Nr. 1/1901) die schriftliche Erlassung eines Bau-(Bewilligungs-)Bescheides zwingend vorschreibt (vorgeschrieben hat). ... Damit kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, daß neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen wären, die die Richtigkeit des seinerzeit angenommenen Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen würde.

Bezüglich der Behauptung, daß die Bauführung nicht im Jahre 1975,

sondern bereits im Jahre 1974 erfolgt sei, ... erweist es sich aber

damit ohne jedwede Bedeutung, ob die behauptete Bauführung ein Jahr

früher oder später erfolgt ist. ... Die Wiederaufnahmewerberin hat

nunmehr selbst erklärt, daß die Änderung des Verwendungszweckes des Grundstückes auf eine im Jahre 1974 erfolgte Bauführung durch ihren Rechtsvorgänger zurückzuführen sei. Da aber die Einräumung des Rechtes bzw. die Erteilung der Zustimmung, auf fremdem Grund ein Bauwerk zu errichten, bereits seit der Grundverkehrsnovelle 1962 (§3 Abs1 litc GVG.) genehmigungspflichtig gewesen ist und eine solche Genehmigung wohl unzweifelhaft nicht eingeholt wurde, erscheint vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. z.B. VfSlg. 7838/1976, 9063/1981) die Annahme der Grundverkehrsbehörde, daß es sich bei dem Vertragsobjekt bei Abschluß des strittigen Rechtsgeschäftes um ein landwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §1 Abs1 Z. 1 GVG. gehandelt hat, selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Bauführung bereits im Jahre 1974 erfolgt ist, im Ergebnis als richtig. Jedenfalls kann bei erwiesener Situation nicht erkannt werden, wie diese als Wiederaufnahmsgrund aufgestellte Behauptung für sich allein oder in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeiführen hätte können ..."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, offenkundig auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1.1. Die Behauptung, der angefochtene Bescheid verletze sie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, begründet die Beschwerdeführerin damit, die belangte Behörde habe für ihre Zuständigkeit die Bestimmung des §1 Abs1 Z1 GVG herangezogen, obwohl auf dem in Rede stehenden Grundstück bereits im Jahre 1974 eine Bauführung erfolgt sei. Demnach hätte "sowohl die Bezirkshauptmannschaft Kufstein als Grundverkehrsbehörde Söll mit ihrem Bescheid vom 26.9.1984, als auch die belangte Behörde mit ihren beiden Bescheiden vom 26.7.1985 und 28.12.1987 eine behördliche Zuständigkeit in Anspruch genommen, die den genannten Behörden nicht zusteht", da ein bebautes Grundstück nur bei einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung als land- und forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §1 Abs1 Z1 GVG 1970 gewertet werden könne.

4.1.2. Daß die belangte Behörde zur Erlassung des hier angefochtenen Bescheides vom 28. Dezember 1987 zuständig war, ergibt sich aus §69 Abs4 AVG 1950, wonach die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Behörde zusteht, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat. Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.

4.2.1. Die Beschwerdeführerin behauptet weiters, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt zu sein. Der angefochtene Bescheid greife in ihr Eigentumsrecht ein, weil auf Grund des Pachtvertrages vom 28. April 1975 ein von ihrem Rechtsvorgänger errichtetes, nunmehr in ihrem Eigentum stehendes Haus vernichtet würde, falls der angefochtene Bescheid aufrecht bleibe. Der Eingriff erfolge gesetzlos, weil keine gesetzliche Bestimmung existiere, wonach die Verpachtung bebauter Grundstücke, wenn das Rechtsgeschäft nur Österreicher betreffe, den Bestimmungen des GVG unterliege. Richtigerweise hätte die belangte Behörde erkennen müssen, daß die Frage, "ob das gegenständliche Grundstück bereits im Jahre 1974 aufgeschottert wurde und ob das gegenständliche Haus bereits im Jahre 1974 gebaut wurde, ob also anläßlich des Abschlusses des Pachtvertrages am 28.4.1975 das gegenständliche Grundstück tatsächlich nicht mehr land- oder forstwirtschaftlich nutzbar war, von entscheidender Bedeutung ist ... (und) sich mit den neuen Tatsachen und Beweismitteln auseinandersetzen müssen".

4.2.2. Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid die von der Beschwerdeführerin beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens verweigert. Sie hat damit einen rein verfahrensrechtlichen Bescheid erlassen, der die bisherige Rechtslage unberührt ließ. Gegenstand ist daher nicht die Frage der Verfassungsmäßigkeit des rechtskräftigen Bescheides der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 26. Juli 1985, sondern ausschließlich die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Verweigerung der Wiederaufnahme des Verfahrens. Durch einen solchen Bescheid kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in ein anderes verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht als in das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und in das Recht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht eingegriffen werden (vgl. VfSlg. 3779/1960, 7555/1975). Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt daher schon aus diesem Grunde nicht vor.

Sollte aber das Vorbringen der Beschwerdeführerin darauf abzielen, sie sei durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, so wäre auch dies nicht zielführend.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen §69 Abs1 litb AVG 1950, auf den sich die belangte Behörde beruft, wurden nicht vorgebracht, derartige Bedenken sind auch aus Anlaß des vorliegenden Verfahrens im Verfassungsgerichtshof nicht entstanden (vgl. hiezu auch VfSlg. 5135/1965, 9159/1981, 9945/1984).

Ebensowenig kann davon die Rede sein, daß die belangte Behörde den angewendeten Bestimmungen einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte. Eine Gleichheitsverletzung käme daher nur in Frage, wenn der belangten Behörde Willkür vorzuwerfen wäre.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985).

Auch dies trifft offenkundig nicht zu. Das gesamte Vorbringen der Beschwerdeführerin richtet sich nämlich in Wahrheit, wie bereits erwähnt, gegen die inhaltliche Richtigkeit des Bescheides vom 26. Juli 1985. Was den angefochtenen Bescheid vom 28. Dezember 1987 betrifft, kann der belangten Behörde eine gehäufte Verkennung der Rechtslage oder das Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt offenkundig nicht vorgeworfen werden.

Auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt somit offenkundig nicht vor.

4.3. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Wiederaufnahme, Bescheid verfahrensrechtlicher, Eigentumseingriff

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:B766.1988

Dokumentnummer

JFT_10109773_88B00766_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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