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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des Anatolij K in L, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Februar 1991, Zl. 4.287.831/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der UdSSR, reiste illegal am 28. November 1989 in das Bundesgebiet ein und stellte am folgenden Tag Asylantrag. Bei der niederschriftlichen Befragung am 4. Dezember 1989 brachte der Beschwerdeführer vor, während der Schulzeit sei er beim "Komsomol" gewesen, bei der kommunistischen Partei oder einer anderen militärischen oder politischen Vereinigung sei er nicht gewesen. Wegen seiner Religion (griechisch-katholisch) sei er nicht verfolgt worden. Mit den Behörden seines Heimatlandes habe er nie Schwierigkeiten gehabt und habe auch nicht Verfolgungen befürchten müssen. Der Grund seiner Flucht liege ausschließlich darin, daß der Beschwerdeführer mit der politischen und wirtschaftlichen Lage in seinem Heimatland nicht zufrieden gewesen sei und deshalb ausreisen habe wollen. Andere Gründe für seine Flucht gebe es nicht. Er hasse die Kommunisten und halte es in dem Land, in dem Kommunisten regierten, nicht aus. Er sei mit einer Reisegruppe aus seinem Heimatland nach Ungarn und von dort zu Fuß bei Nacht nach Österreich gekommen.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 2. März 1990 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Berufung erhoben, in der er ausführte, er sei aus der Sowjetunion geflüchtet, weil dieses Land seine Menschen schikaniere und terrorisiere. Er habe bei Streiks mitgemacht, zuletzt im August 1989 habe er Minenarbeiter unterstützt und sei deswegen von den Behörden festgenommen und bedroht worden. Er sei 1982 in der Nacht zur Polizei gebracht worden und dort ohne Angabe von Gründen geschlagen und getreten worden. Es sei ihm nicht möglich in sein Heimatland zurückzukehren, da er dort in ein Strafgefangenenlager oder nach Sibirien gebracht würde.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Februar 1991 wurde die Berufung abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, angesichts der gegenwärtig in der UdSSR herrschenden politischen und wirtschaftlichen Umstände bestehe kein Anlaß, an der Richtigkeit der Angaben vor der Behörde erster Instanz zu zweifeln; hingegen müsse dem weiteren damit im Widerspruch stehenden Vorbringen in der Berufung die Glaubwürdigkeit versagt werden. Wenn der Beschwerdeführer tatsächlich vor seiner Ausreise irgendeiner Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre, hätte er dies bereits bei seiner Befragung vor der Behörde erster Instanz vorgebracht, zumal einerseits dieser Befragung ein Dolmetscher beigezogen gewesen sei, sodaß Mißverständnisse auszuschließen seien und andererseits gezielt nach Indizien einer Verfolgung gefragt worden sei. Bei der Befragung habe der Beschwerdeführer ausdrücklich angegeben, Probleme und Schwierigkeiten nicht gehabt zu haben und auch hinsichtlich seiner politischen Gesinnung keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein. Erfahrungsgemäß machten Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben, die der Wahrheit am nächsten kämen. Eine wohlbegründete Furcht liege insbesondere dann nicht vor, wenn der Asylwerber das politische System in seinem Heimatland ablehne, jedoch konkret keinen Verfolgungen im Sinne der Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen sei. Da der Beschwerdeführer diese Ablehnung auch nicht öffentlich bekannt gemacht habe, könne es auch aus diesem Grunde zu keinen Verfolgungshandlungen im Sinne der Flüchtlingskonvention kommen. Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei, daß den vom Asylwerber im Laufe des Verwaltungsverfahrens vorgebrachten Argumenten entnommen werden könne, er müsse konkrete Verfolgung befürchten. Dies könne im vorliegenden Fall nicht entnommen werden, zumal er anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung mehrmals ausdrücklich erklärt habe, daß er zu keinem Zeitpunkt Verfolgungen zu gewärtigen gehabt habe. Dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers sei zu entnehmen, daß er sich nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung, sondern aus Unzufriedenheit mit dem herrschenden politischen System und der Wirtschaftslage außerhalb seines Heimatlandes befinde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, als Flüchtling anerkannt zu werden, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968 über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 126, in der Fassung der Novelle vom 27. November 1974, BGBl. Nr. 796, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Punkt 2 der zitierten Konvention ist als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigekit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Im Asylverfahren ist das Vorbringen des Flüchtlings als zentrales Entscheidungskriterium heranzuziehen und es obliegt dem Asylwerber, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1991, Zlen. 90/01/0229, 0230 und die dort zitierte Judikatur). Die belangte Behörde war daher entgegen den Beschwerdeausführungen nicht verhalten, Ermittlungen über die "Verhältnisse in der Sowjetunion und im speziellen der Situation "des Beschwerdeführers" durchzuführen.
Die erstmals in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer sei wegen Unterstützung eines Streikes im August 1989 von den Behörden festgenommen und bedroht worden, hat die belangte Behörde angesichts der Ausführungen des Beschwerdeführers bei seiner erstinstanzlichen Einvernahme zu Recht als widersprüchlich und daher unglaubwürdig erachtet. Der in der Berufung erstmals behauptete Vorfall aus dem Jahre 1982 kann der Beschwerde auch nicht zum Erfolg verhelfen, zumal er in keinem zeitlichen Naheverhältnis zur Ausreise des Beschwerdeführers steht.
Die erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer sei wegen seiner Zugehörigkeit zur "ukrainischen griechisch-katholischen Kirche" Verfolgungen und Überwachungen ausgesetzt gewesen, ist eine unbeachtliche Neuerung und steht überdies im Widerspruch zu den Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren.
Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991010113.X00Im RIS seit
16.10.1991