TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/17 90/13/0061

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Veröffentlicht am 17.10.1991
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
95/06 Ziviltechniker;

Norm

BAO §23 Abs2;
BAO §28;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1;
EStG 1972 §23 Z1;
GewStG §1 Abs1;
ZivTG;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Hans S in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IV) vom 28. Dezember 1989, GZ 6/1-1327/87-13, betreffend Gewerbesteuer 1984 und 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.880,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer übt seine Tätigkeit auf Grund eines am 19. Juli 1974 ausgestellten Gewerbescheines für das Gewerbe "Baukoordination unter Ausschluß jeder an einen Befähigungsnachweis gebundenen Tätigkeit" aus. Auf eine entsprechende Anfrage des Finanzamtes vertrat der Beschwerdeführer in einer Beilage zu einer Eingabe vom 27. Februar 1987 die Auffassung, daß seine Berufstätigkeit der eines Architekten vergleichbar sei. Er wickle im Auftrag eines Bauherrn die gesamte technische, organisatorische und kommerzielle Leitung eines Bauvorhabens ab. Er führe die Ausschreibung durch, hole die Kostenvoranschläge ein, koordiniere die Bautätigkeit und führe die Qualitätskontrollen und die Abrechnungskontrollen durch. In einer weiteren Eingabe vom 12. März 1987 wurde die berufliche Ausbildung mit Lehre und Berufspraxis als Zimmerer, Polierschule (Werkmeister im Baugewerbe), Tätigkeit als Bautechniker, Ausbildung zum Baumeister in Abendkursen und Bauleiter in einem Architektenbüro angegeben.

In einem auf eine Anfrage des Finanzamtes ergangenen Schreiben vom 11. Mai 1987 vertrat die Ingenieurkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Ansicht, daß eine im Zuge von Bauvorhaben auf der Baustelle durchgeführte Qualitätskontrolle eine den konzessionierten Baumeistern bzw. Ziviltechnikern der einschlägigen Fachrichtung vorbehaltene Tätigkeit ist. Nach einer diesem Schreiben angeschlossenen, an die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gerichteten Auskunft der Ingenieurkammer vom 18. März 1987 besteht das typische Leistungsbild eines Architekten in der Planung, zu der die Tätigkeit als örtliches Bauaufsichtsorgan dazukommen könne, aber nicht dazukommen müsse. Planung und Bauaufsicht befänden sich bei kleineren und mittleren Bauvorhaben in aller Regel in einer Hand. Bei größeren Bauvorhaben der Gebietskörperschaften liege die Bauaufsicht nicht in der Hand des Planers.

Das Finanzamt erließ in der Folge Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 1984 und 1985 mit der Begründung, daß die Tätigkeit des Beschwerdeführers nur einen kleinen Teilbereich der Befugnisse eines Architekten, Ingenieurkonsulenten oder Zivilingenieurs aufweise. In der Berufung gegen diese Bescheide wurde die Ansicht vertreten, daß es sich bei den vom Beschwerdeführer erzielten Einkünften um solche aus selbständiger Arbeit handle. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers, nämlich die Durchführung der Ausschreibungen, Einholung von Kostenvoranschlägen, organisatorische Abwicklung der Bauvorhaben, Qualitätskontrolle, Kontrolle der gesamten Abrechnung und Planung, sei der eines Architekten nicht nur sehr ähnlich, sondern decke sich mit dieser fast vollständig.

Über entsprechende Aufforderung der belangten Behörde teilte der Beschwerdeführer in einer Eingabe vom 28. Juni 1989 mit, er sei seit dem Jahre 1965 als Bautechniker bzw. Bauleiter tätig gewesen. Seit 1970 übe er seine Tätigkeit ausschließlich im Bereich der Planung und Abwicklung von Bauvorhaben ab. Seine Tätigkeit umfasse die gesamte Planung (Entwurf, Einreichung, Ausführungspläne, Detailpläne, Kostenschätzung, Erstellung der Leistungsverzeichnisse) sowie die Bauleitung (örtliche Bauaufsicht, Koordinierung der Lieferungen und Leistungen, technische Überwachung, Kontrolle der Aufmessungen, Prüfung der Rechnungen auf Richtigkeit und Vertragsmäßigkeit, Schlußabnahme des Werkes). Der Beschwerdeführer arbeite zum größten Teil direkt für den Bauherrn, in einigen Fällen aber auch für Architekten. Im Rahmen seiner Tätigkeit betreue der Beschwerdeführer Bauprojekte unterschiedlichster Größe; in manchen Fällen umfasse sie lediglich die Verfassung von Einreichplänen. Gleichzeitig mit der Eingabe legte der Beschwerdeführer Unterlagen über zwei repräsentative Arbeiten der belangten Behörde vor.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Auffassung der belangten Behörde sei aus den vorgelegten Bauakten zu ersehen, daß sich die Tätigkeit des Beschwerdeführers keineswegs auf die Planung der Projekte beschränkt, sondern auch die Betreuung in organisatorischer und kommerzieller Hinsicht umfasse. Dies gehe bereits aus dem vom Finanzamt eingeholten Gutachten der Ingenieurkammer hervor, in dem die Ziviltechnikerähnlichkeit der vom Beschwerdeführer ausgeübten Tätigkeit verneint werde, weil allein die Qualitätskontrolle der Tätigkeit eines Zivilingenieurs entspreche, diese jedoch niemals typischer, das heißt überwiegender Leistungsinhalt eines Ziviltechnikers sei. Die Aufwendungen für Kleidung und Kleiderreinigung - die der Beschwerdeführer mit dem hohen Verschleiß anläßlich häufiger Baustellenbesuche begründet habe - sowie die hohen Benzinkosten - tägliche Fahrten zu Baustellen - ließen den Schluß zu, daß es sich nicht um eine primär planende baumeisterliche Tätigkeit handle. In Anlehnung an das vom Finanzamt eingeholte Gutachten der Ingenieurkammer sei daher eine einem Ziviltechniker ähnliche Tätigkeit nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 gehören zu den - nicht den gewerblichen Einkünften zuzurechnenden - Einkünften aus selbständiger Arbeit (vgl. auch § 1 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz) die Einkünfte aus freien Berufen. Das Gesetz bestimmt, daß dazu neben den Einkünften aus den wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeiten auch Einkünfte aus bestimmten taxativ aufgezählten Berufstätigkeiten und diesen ähnlichen Berufen gehören. Zu den namentlich den freien Berufen zugeordneten Tätigkeiten gehört auch die Tätigkeit der Architekten und Ziviltechniker.

Im Beschwerdefall ist ausschließlich die Frage strittig, ob die vom Beschwerdeführer im Streitjahr ausgeübte Tätigkeit der eines Architekten bzw. eines Ziviltechnikers ähnlich war oder nicht. Für die Abgrenzung, ob eine Tätigkeit eine gewerbliche oder eine freiberufliche im abgabenrechtlichen Sinn ist, ist nicht entscheidend, ob die zu beurteilende Tätigkeit eine solche im Sinne der Gewerbeordnung oder anderer berufsrechtlicher Vorschriften ist oder nicht; denn sogar Tätigkeiten, durch die ein Abgabepflichtiger gegen berufsrechtlicher Vorschriften verstößt, lösen die nach der Lage des Falles in Betracht kommenden abgabenrechtlichen Tatbestände aus (§ 23 Abs. 2 BAO), wobei damit noch nicht gesagt ist, daß es in derartigen Fällen, vom Gesichtspunkt der Gewinn- und Ertragsbesteuerung betrachtet, sich stets um eine gewerbliche Tätigkeit handeln muß. Ausschlaggebend ist vielmehr auf dem Boden der im Abgabenrecht anzuwendenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Inhalt einer Tätigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1981, Zlen. 14/3697/80, 81/14/0013, und die dort zitierte hg. Judikatur).

Ohne Bedeutung ist es nach übereinstimmender Ansicht von Lehre und Rechtsprechung (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zu § 22 EStG 1972, Tz 44 und die dort angeführte

hg. Rechtsprechung) in diesem Zusammenhang auch, wenn der Inhalt der Tätigkeit eines Abgabepflichtigen zwar dem Berufsbild etwa eines Ingenieurkonsulenten für Bauwesen entspricht, der Genannte aber kein erfolgreich abgeschlossenes Hochschulstudium nachweisen kann. Auch das Fehlen der Befugnis nach dem Ziviltechnikergesetz und das daraus folgende Fehlen der Berechtigung, öffentliche Urkunden auszustellen, ist für die Frage, ob eine Tätigkeit der eines Ziviltechnikers ähnlich ist oder nicht, nicht maßgebend (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 1989, Zl. 88/13/0108).

Der im Beschwerdefall von der Abgabenbehörde eingeholten Äußerung der Ingenieurkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland ist zu entnehmen, daß das typische Leistungsbild des Architekten in der Planung und - jedenfalls bei kleineren und mittleren Bauvorhaben, wie sie der Aktenlage nach der Beschwerdeführer betreut hat - in der örtlichen Bauaufsicht gelegen ist. Nach dem von der belangten Behörde insoweit nicht in Frage gestellten Vorbringen des Beschwerdeführers bestand aber gerade seine Tätigkeit in der Planung der Bauvorhaben und - in der Mehrzahl der Fälle - in der gleichzeitigen Übernahme der Bauaufsicht. Auch im angefochtenen Bescheid ist die belangte Behörde - nach Einsichtnahme in vom Beschwerdeführer vorgelegte Bauakten - davon ausgegangen, daß sich die Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht auf die Plaung der Projekte beschränkt habe, sondern auch "die Betreuung in organisatorischer und kommerzieller Hinsicht" umfaßt habe. Damit hat aber der Beschwerdeführer in den beschwerdegegenständlichen Jahren insgesamt Tätigkeiten ausgeübt, die ihrem Inhalt nach einem wesentlichen Teil der im Ziviltechnikergesetz angeführten Tätigkeit eines Ziviltechnikers entsprechen.

Eine andere Auffassung kann - im Gegensatz zu den Ausführungen im angefochtenen Bescheid - auch nicht der Äußerung der Ingenieurkammer vom 11. Mai 1987 entnommen werden, da darin lediglich zum Ausdruck kommt, daß der dem Beschwerdeführer erteilte Gewerbeschein diesen nicht zur Durchführung einer Bauaufsicht oder Baukontrolle (einschließlich einer Qualitätskontrolle) berechtigt, ein Umstand, der wie ausgeführt für die Qualifizierung der Einkünfte nicht von Bedeutung ist. Auch die von der belangten Behörde aus der Art der geltend gemachten Betriebsausgaben gezogene Schlußfolgerung, wonach der Beschwerdeführer die Baustellen regelmäßig aufsuchte, kann den von ihr im angefochtenen Bescheid eingenommenen Standpunkt nicht stützen, weil auch die - auch dem Berufsbild eines Ziviltechnikers bzw. Architekten entsprechende - Bauaufsicht derartige Tätigkeiten erforderlich macht.

Ist demnach davon auszugehen, daß die in Rede stehende Tätigkeit des Beschwerdeführers der Tätigkeit eines Ziviltechnikers unmittelbar ähnlich ist, dann stellten sich die Tätigkeiten des Beschwerdeführers als eine freiberufliche und die daraus erzielten Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit und nicht aus Gewerbebetrieb dar. Daraus folgt, daß die Tätigkeit des Beschwerdeführers kein der Gewerbesteuer gemäß § 1 GewStG unterliegender Gewerbetrieb ist.

Damit erweist sich der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990130061.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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