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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AHStG §8 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde des G in N, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 18. August 1989, Zl. 56.040/65 - 17/89, betreffend Studienbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer studiert(e) seit dem Wintersemester 1983/84 die Studienrichtung Visuelle Mediengestaltung mit dem Schwerpunkt Gebrauchsgrafik nach den alten Studienvorschriften und bezog durchgehend Studienbeihilfe. Für dieses Studium war im Studienplan eine Studiendauer von zehn Semestern vorgeschrieben, die Anspruchsdauer auf Studienbeihilfe betrug somit elf Semester.
Am 21. Oktober 1984 brachte die mit dem Beschwerdeführer gemeinsam lebende Studentin M ein uneheliches Kind des Beschwerdeführers zur Welt.
Da der Beschwerdeführer sein Studium bis zum Ende des Wintersemesters 1988/89, das elfte Semester seines Studiums, nicht abgeschlossen und auch keinen wichtigen Grund für die Überschreitung der Studiendauer geltend gemacht hatte, wurde mit Bescheid der Studienbeihilfenbehörde, Außenstelle Linz, vom 2. Februar 1989 sein Anspruch auf Studienbeihilfe wegen Überschreitung der Anspruchsdauer für erloschen erklärt.
Unter Hinweis auf die durch Pflege und Erziehung seiner unehelichen Tochter während des ersten Lebensjahres entstandene zeitliche Beeinträchtigung seines Studienfortganges erhob der Beschwerdeführer Vorstellung gegen diesen Bescheid, der vom Senat der Studienbeihilfenbehörde an der Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz keine Folge gegeben wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde und begründete diese damit, daß er während des ersten Lebensjahres seiner unehelichen Tochter mit der Mutter dieses Kindes in Lebensgemeinschaft gelebt habe und mit ihr eine Vereinbarung getroffen habe, die auch ihn für die Pflege und Erziehung des Kindes zuständig gemacht habe. Da seine Lebensgefährtin zu diesem Zeitpunkt sich für die Diplomprüfung ihres Studiums der Rechtswissenschaften vorbereitet habe, habe er die Pflege und Erziehung des Kindes übernehmen müssen. Weiters machte der Beschwerdeführer geltend, daß seine Studienverzögerung im Sinne des § 2 Abs. 4 lit. a des Studienförderungsgesetzes auch durch eine besonders umfangreiche und zeitaufwendige künstlerische Arbeit bedingt gewesen sei, die er im Dezember 1988 übernommen und erst im Sommersemester 1989 habe fertigstellen können.
Der Berufung des Beschwerdeführers gegen den vorher genannten Bescheid wurde gemäß §§ 2 Abs. 3 und 24 Abs. 2 lit. a des Studienförderungsgesetzes 1983 (StudFG), BGBl. Nr. 436/1983, in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid bestätigt.
Zur Begründung des angefochtenen Bescheides wird nach Darstellung der Rechtslage und nach Wiedergabe des Verfahrensablaufes weiter ausgeführt, gemäß § 170 ABGB stehe die Pflege und Erziehung eines unehelichen Kindes alleine der Mutter zu. Die vom Beschwerdeführer in der Berufungsbegründung ausgeführte Rechtsmeinung, daß das uneheliche Kind von der Rechtsordnung dem ehelichen Kinde weitgehend gleichgestellt werde, sei grundsätzlich zutreffend. Gerade in dem hier heranzuziehenden Bereich der gesetzlich zustehenden Pflicht zur Pflege und Erziehung werde jedoch eine Unterscheidung getroffen, indem diese Verpflichtung alleine der Mutter zukomme. Eine vertragliche Vereinbarung zur Übertragung dieser Verpflichtung sei von der Rechtsordnung nicht vorgesehen. Auch aus der durch das Kindschaftsrecht-Änderungsgesetz, BGBl. Nr. 162/1989, vorgenommenen Änderung des § 167 ABGB, die mit 1. Juli 1989 in Kraft getreten sei, gehe hervor, daß der Gesetzgeber bisher davon ausgegangen sei, daß die Pflege und Erziehung eines unehelichen Kindes ausschließlich der Mutter zugestanden sei. Erst seit der genannten Gesetzesänderung sei eine Erweiterung dahingehend getroffen worden, daß durch GERICHTSBESCHLUSS beiden in dauernder Lebensgemeinschaft lebenden Elternteilen unehelicher Kinder die Pflege und Erziehung dieser zustehe.
Die Pflege und Erziehung der unehelichen Tochter des Beschwerdeführers habe daher nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 2 Abs. 3 lit. b StudFG anerkannt werden können. Auch die vom Beschwerdeführer als Grund für die Studienzeitüberschreitung angeführte Arbeit an einem Kurzspielfilm habe nicht als Grund für die Studienzeitüberschreitung angesehen werden können, weil nach der vorgelegten Bestätigung des Rektors der Hochschule sich ergeben habe, daß diese Arbeit erst im Sommersemester 1989, also zu einem Zeitpunkt, als die Anspruchsdauer für die Studienbeihilfe bereits überschritten gewesen sei, erbracht worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 3 lit. b des Studienförderungsgesetzes 1983, in der Fassung BGBl. Nr. 379/1988, besteht ein Anspruch auf Studienbeihilfe nicht, wenn ein Studierender die zur Ablegung einer Diplomprüfung vorgesehene Studienzeit ohne wichtigen Grund um mehr als ein Semester überschritten hat. Als wichtige Gründe gelten im Sinne des letzten Satzes der genannten Bestimmung Krankheit, die Pflege und Erziehung eines Kindes im ersten Lebensjahr und jedes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis, das der Studierende nicht selbst verschuldet hat, sofern dadurch der Studienerfolg nachweislich beeinträchtigt wurde, sowie Schwangerschaft, sofern dadurch der Besuch von Lehrveranstaltungen nicht möglich war.
Gemäß § 24 Abs. 2 lit. a StudFG erlischt ein bestehender Anspruch auf Studienbeihilfe mit Ende des Semesters, in welchem der Studierende die Anspruchsdauer gemäß § 2 Abs. 3 lit. b StudFG überschritten hat.
Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde in Übereinstimmung mit seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren geltend, daß er nach Geburt seines unehelichen Kindes seine Verantwortung als Vater wahrgenommen und die Pflege und Erziehung seines Kindes tatsächlich übernommen habe. Dies vor allem deshalb, weil die Kindesmutter zu diesem Zeitpunkt am Abschluß ihres ersten Studienabschnittes habe arbeiten müssen. Nach dem Studienförderungsgesetz seien bei der Beurteilung der wichtigen Gründe nach § 2 Abs. 3 leg. cit. die tatsächlichen und nicht die rechtlichen Verhältnisse maßgebend. Weiters sei die Lebensgemeinschaft in vielen Bereichen genauso der Ehe gleichgestellt, wie das uneheliche Kind dem ehelichen. So habe der Gesetzgeber mit der Änderung des § 167 ABGB (in Kraft seit 1. Juli 1989) den Vater des unehelichen Kindes dem Vater des ehelichen Kindes insoferne gleichgestellt, als durch Gerichtsbeschluß beiden in Lebensgemeinschaft lebenden Elternteilen eines unehelichen Kindes die Pflege und Erziehung "zusteht". Daß es 1984 eine derartige Möglichkeit noch nicht gegeben habe, dürfe dem Beschwerdeführer nicht als Nachteil angelastet werden.
Weiters enthält die Beschwerde eine handschriftliche Beifügung mit dem Hinweis auf § 8 Abs. 2 AHStG, nach dem - so der Beschwerdeführer - das Wintersemester 1984/85 und das Sommersemester 1985 wegen der dargestellten Umstände bei der Berechnung der Zahl der Semester gar nicht hätten berücksichtigt werden dürfen.
Vorerst ist dem zuletzt wiedergegebenen Beschwerdevorbringen entgegenzuhalten, daß das AHStG grundsätzlich nur für wissenschaftliche Hochschulen, nicht aber für das Studium des Beschwerdeführers (vgl. § 1 KHStG) gilt.
Dem zuvor wiedergegebenen Vorbringen des Beschwerdeführers kommt aber im Ergebnis aus folgenden Überlegungen Berechtigung zu:
Als wichtigen Grund, der eine Studienzeitüberschreitung dann rechtfertigen kann, wenn durch diesen Grund der Studienerfolg nachweislich beeinträchtigt wurde, ist neben anderen Tatbestandsvoraussetzungen ausdrücklich die Pflege und Erziehung eines Kindes im ersten Lebensjahr genannt. Für die Annahme der belangten Behörde, daß bei der Pflege eines eigenen Kindes - wie im Beschwerdefall - seitens des Gesetzgebers nur auf eine Rechtsverpflichtung habe abgestellt werden wollen und mit dieser Formulierung nicht auch die in sittlichen Verpflichtungen begründeten tatsächlichen Verhältnisse hätten erfaßt werden sollen, fehlt im § 2 Abs. 3 StudFG, aber auch sonst ein entsprechender Ansatz.
Was den Hinweis der belangten Behörde in der Gegenschrift auf § 13 Abs. 1 StudFG betrifft - nach dieser Bestimmung steht Studierenden, denen die Pflege und Erziehung eines Kindes "zukommt", ein höherer Grundbetrag an Studienbeihilfe zu - überzeugt die Annahme eines gleichsam analogen Abstellens im § 2 Abs. 3 nur auf Rechtsverpflichtungen schon im Hinblick auf den grundlegend verschiedenen Regelungsgehalt der genannten Bestimmungen nicht. Während § 13 Abs. 1 StudFG die Voraussetzungen für einen erhöhten finanziellen Anspruch regelt, sieht § 2 Abs. 3 letzter Satz leg. cit. vor, aus welchen Gründen eine Studienzeitüberschreitung nachzusehen ist.
Im Beschwerdefall hat daher die Behörde, ausgehend von der unrichtigen Rechtsauffassung, die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Pflege und Erziehung seines unehelichen Kindes könne mangels einer bestehenden Rechtsverpflichtung von vornherein keinen wichtigen Grund im Sinne des § 2 Abs. 3 StudFG darstellen, Erhebungen und Feststellungen darüber unterlassen, ob den Beschwerdeführer nach Maßgabe der Situation der Kindesmutter im betreffenden Zeitraum (insbesondere deren Studium) eine sittliche Verpflichtung zur Kindespflege getroffen hat und ob er gegebenenfalls dadurch in seinem Studienerfolg beeinträchtigt worden ist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1989120185.X00Im RIS seit
26.02.2001