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50 GewerberechtNorm
B-VG Art18 Abs2 / Verordnung Inhalt gesetzwidrigLeitsatz
Feststellung der Gesetzwidrigkeit der AutomatenV des Bürgermeisters der Gemeinde Horn vom 13.5.1987 wegen Widerspruchs zu §52 Abs4 GewO 1973 - zu weiter örtlicher VerbotsbereichSpruch
I. Die Wortfolge "7) Bushaltestelle Mödringer Straße, Horn" in der litF der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Horn vom 13. Mai 1987, Z151-ch/ku, mit welcher zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten zum Verkauf von Süßigkeiten, Kaugummi und Spielzeug sowie durch sonstige Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind, untersagt wird, war gesetzwidrig.
II. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ist verpflichtet, diese Feststellung unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1167/88 ein Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 26. April 1988 richtet, mit welchem der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach §367 Z15 der Gewerbeordnung 1973 idF der Gewerbeordnungs-Novelle 1981, BGBl. 619 (künftig: GewO), iVm litD Z5 bzw. litF Z7, litB Z1 und litA Z4 der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Horn vom 13. Mai 1987, Z151-ch/ku, (künftig: AutomatenV) mit einer Geldstrafe von S 2.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von vier Tagen, bestraft wurde.
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß dieser Beschwerde beschlossen, die Wortfolge "7) Bushaltestelle Mödringer Straße, Horn" in der litF der AutomatenV von Amts wegen zu prüfen.
2.2. Die in Rede stehende Verordnung - die in Prüfung gezogene Wortfolge ist hervorgehoben - lautet im wesentlichen wie folgt:
"Verordnung
Auf Grund des §52 Abs(4) der Gewerbeordnung 1973 in der geltenden Fassung wird zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten zum Verkauf von Süßigkeiten, Kaugummi und Spielzeug sowie durch sonstige Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind, in Horn an folgenden öffentlich zugänglichen Orten untersagt:
A) im Umkreis von 200 m vom Eingang bzw. von den Eingängen der
nachstehend angeführten Schulen:
...
4) Bundesgymnasien Horn, Puechhaim-Gasse 21
...
B) Im Umkreis von 200 m vom Eingang bzw. von den Eingängen der
nachstehend angeführten Kindergärten:
1) Kindergarten Kurz-Gasse, Horn, Kurz-Gasse 4
...
C) Im Umkreis von 200 m vom Eingang bzw. von den Eingängen der
nachstehend angeführten Kirchen bzw. Pfarrzentren:
...
D) Im Umkreis von 200 m von den nachstehend angeführten
Kinderspielplätzen:
...
5) Kinderspielplatz Mödringer Straße (Wohnhausanlage Mödringer Straße)
...
E) Im Umkreis von 200 m von den nachstehend angeführten
Sportstätten:
...
F) Im Umkreis von 200 m von den nachstehend angeführten
Bahnhöfen, bzw. Bahnhaltestellen sowie Haltestellen des Kraftwagendienstes der Österr. Post- und Telegraphenverwaltung, der Österreichischen Bundesbahnen sowie privater Autobuslinien:
...
7) Bushaltestelle Mödringer Straße, Horn
...
G) Im Umkreis von 200 m vom Eingang bzw. von den Eingängen der
nachstehend angeführten Jugendheime bzw. Internate:
...
Die Entfernungen gemäß litA,B,C,E,F1 und G sind bei eingefriedeten Arealen von den straßenseitigen Zugängen zu denselben, ansonsten von den Eingängen zu messen. Die Entfernungen gemäß litF 2-19 sind von den jeweiligen Haltestellentafeln, bei Doppel- bzw. Mehrfachhaltestellen von der jeweils äußeren Haltestellentafel, zu messen.
Zuwiderhandlungen gegen diese Verordnung stellen eine Verwaltungsübertretung dar und werden gemäß der Bestimmung des §367 Ziffer 15 Gewerbeordnung 1973 in der Fassung der Gewerbeordnungsnovelle 1981, BGBl.619/1981, bestraft.
Diese Verordnung wird mit dem auf den Ablauf der zweiwöchigen Kundmachungsfrist folgenden Tag rechtswirksam."
2.3. Die in Prüfung gezogene Regelung stützt sich auf §52 Abs4 GewO, der lautet:
"(4) Soweit dies zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben erforderlich ist, kann die Gemeinde durch Verordnung die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind,
1. im näheren Umkreis von Schulen, die von unmündigen Minderjährigen besucht werden,
2. bei Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen auf dem Wege zur oder von der Schule benützt werden,
3. bei Schulbushaltestellen, die von unmündigen Minderjährigen benützt werden,
4. auf Plätzen oder in Räumen, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht werden, oder
5. im näheren Umkreis der in Z4 angeführten Plätze und Räume
untersagen."
2.4. Der Verfassungsgerichtshof hat seine Bedenken gegen die in Prüfung gezogene Wortfolge wie folgt umschrieben:
"5.4. Mit der in Prüfung gezogenen Regelung wird ua. eine Verbotszone in einem Umkreis von 200 m für bestimmte Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs im Sinne des §52 Abs4 Z2 verfügt. Die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle scheint §52 Abs4 GewO zu widersprechen, weil die Festlegung eines 'näheren Umkreises' als Verbotszone nur nach dessen Z1 und 5, also für Schulen und Plätze, die von unmündigen Minderjährigen frequentiert werden, vorgesehen ist, nicht aber nach dessen Z2 und 3, die Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs und Schulbushaltestellen betreffen und ein Verbot, Automaten aufzustellen, lediglich in unmittelbarer Nähe der Haltestellen erlauben (vgl. VfSlg. 10594/1985, VfGH vom 27. September 1986 V6,7/86, vom 27. September 1986 V8,9/86 und vom 27. September 1986 V14/86).
Der Verfassungsgerichtshof hat aber auch das weitere Bedenken, daß die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle dem Einleitungssatz des Abs4 des §52 GewO widerspricht, wonach die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit mittels Automaten nur untersagt werden darf, soweit dies für die im Gesetz genannten Zielsetzungen 'erforderlich' ist (vgl. hiezu VfSlg. 10050/1984). Hieran gemessen ist nicht einsichtig, daß ein solches Erfordernis im Umkreis von 200 m von einer Aufnahmestelle des öffentlichen Verkehrs gegeben ist.
Der Verfassungsgerichtshof hegt daher das Bedenken, daß die in Prüfung gezogene Regelung mit der gesetzlichen Ermächtigung nicht in Einklang zu bringen ist."
3. Das Verfahren ist zulässig.
Es ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde und der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Stelle der Verordnung zweifeln ließe.
4. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat im Verordnungsprüfungsverfahren bekanntgegeben, daß er von einer Äußerung Abstand nimmt. Er teilte jedoch mit, daß der Bürgermeister der Gemeinde Horn die in Prüfung gezogene Verordnung mit Verordnung vom 30. Juni 1987, Z151-ch/ku, aufgehoben habe.
Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Horn gab folgende Stellungnahme ab:
"...
Die Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Horn vom 13. Mai 1987 ist durch seine Verordnung vom 30. Juni 1987 aufgehoben worden.
...
In der Verordnung vom 30.06.1987 ist der Umkreis mit 50 m festgelegt."
Der Bürgermeister legte die Verordnung vom 30. Juni 1987 vor, deren letzter Absatz lautet wie folgt:
"Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung tritt die Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Horn vom 13.5.1987 über die Untersagung der Ausübung gewerblicher Tätigkeit mittels Automaten außer Kraft."
5. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Sache selbst erwogen:
Die im Einleitungsbeschluß geäußerten Bedenken erweisen sich als begründet.
Der Sache nach hat der Verfassungsgerichtshof gegen diese AutomatenV dieselben Bedenken geäußert, die ihn im Fall V36/84 vom 2. Oktober 1985 (VfSlg. 10594/1985) zur Aufhebung der dort geprüften Verordnung bewogen haben. In diesem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof zur Frage, was unter "bei" einer Haltestelle verfassungskonform zu verstehen ist, folgendes geäußert:
"Der Verfassungsgerichtshof verschließt sich auch nicht der Überlegung des Bürgermeisters, daß die konkreten Umstände dafür maßgeblich sind, ob ein Untersagungsbereich weiter oder enger zu ziehen ist. Der Verfassungsgerichtshof ist jedoch der Meinung, daß für Haltestellen im Ortsbereich die Festlegung eines Umkreises von 300 m im Gesetz keinesfalls Deckung findet; das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, da bei einer größeren Distanz als 50 m nicht mehr davon gesprochen werden kann, daß sich ein Warenautomat 'bei einer Haltestelle' befindet."
Der Verfassungsgerichtshof sieht keinen Anlaß, von dieser Auslegung des §52 Abs4 GewO abzugehen. Weder der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten noch der Bürgermeister der Stadtgemeinde Horn haben dargelegt, warum im konkreten Fall die Festlegung eines Umkreises von 200 m gerechtfertigt sein sollte.
Daraus ergibt sich, daß die aufgeworfenen Bedenken zutreffen und die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle nicht dem Gesetz entspricht.
6. Die Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Horn vom 13. Mai 1987, Z151-ch/ku, ist inzwischen mit dem Inkrafttreten der Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Horn vom 30. Juni 1987, Z151-ch/ku, außer Kraft getreten.
Der Verfassungsgerichtshof hatte sich sohin gemäß Art139 Abs4 B-VG auf den Ausspruch zu beschränken, daß die in Prüfung gezogene - als gesetzwidrig erkannte - Verordnungsstelle gesetzwidrig war.
7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Gewerberecht / AutomatenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:V189.1988Dokumentnummer
JFT_10109773_88V00189_00