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L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §45 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der Anita K in F, vertreten durch Dr. G und Dr. B, Rechtsanwälte in F, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 4. September 1990, Zl. II-38/89, betreffend die Versagung einer Baubewilligung und Verfügung eines Abbruchs (mitbeteiligte Partei: Stadt D), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 11.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Aus der vorliegenden Beschwerde, dem ihr beigeschlossenen angefochtenen Bescheid, den von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei erstatteten Gegenschriften sowie den von der belangten Behörde (offenkundig unvollständig) vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich folgender unstrittige (d.h. durch die bestehenden Lücken der vorgelegten Teile des Verwaltungsaktes der mitbeteiligten Stadtgemeinde nicht berührte) Sachverhalt:
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt D vom 22. August 1986 wurde einem Antrag der Beschwerdeführerin um (nachträgliche) Erteilung einer Baubewilligung für eine Grill- und Schnellbratstation auf Gp. n1, KG. D, gemäß § 31 Abs. 5 des Baugesetzes, Vorarlberger LGBl. Nr. 39/1972, keine Folge gegeben und der Beschwerdeführerin gleichzeitig aufgetragen, diese bauliche Anlage binnen einer Frist von vier Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu entfernen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Stadtvertretung der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 3. Oktober 1988 abgewiesen. Auf Grund einer von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung wurde der Berufungsbescheid mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. Jänner 1989 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Stadtgemeinde zurückverwiesen. In der Begründung dieses Bescheides vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß die Baubehörde erster Instanz ihrem Versagungsbescheid einen Amtsbericht zu Grunde gelegt habe, der in einem anderen Verfahren erstattet worden und zu dem der Beschwerdeführerin Parteiengehör nicht gewährt worden sei. Dieser Amtsbericht entspreche im übrigen nicht den Erfordernissen eines überprüfbaren, schlüssigen Gutachtens, sodaß die Entscheidungen der Baubehörden erster und zweiter Instanz teils auf nicht ausreichenden Unterlagen, teils auf "aktenwidrigen" Annahmen, denen überhaupt keine Ermittlungen vorangegangen seien, beruhen würden.
Mit Schreiben vom 31. Juli 1989 wendete sich der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde an den Grundstückseigentümer der Gp. n1 (auf welcher sich der Grillstand der Beschwerdeführerin befindet) mit folgendem Schreiben:
"Im gegenständlichen Bauverfahren haben Sie letztlich mit Bestätigung vom 6.2.1986 als Grundeigentümer der Liegenschaft
Gp. n1, KG. D, ... die Zustimmung zur Bauführung erteilt. Über
Anfrage ... des Stadtbauamtes D haben Sie am 28.7.1989 erklärt,
daß Sie diese Zustimmung zur Bauführung bzw. für den Weiterbestand und Betrieb eines Würstelstandes zurückziehen. Die Baubehörde der Stadt D erachtet nach wie vor den Betrieb und Fortbestand eines Würstelstandes im Interesse des Verkehrs und zum Schutze des Landschafts- und Ortsbildes als nicht genehmigungsfähig. Der Ordnung halber werden Sie gebeten, die Kopie dieses Schreibens an der vorgesehenen Stelle unterfertigt an das Amt der Stadt D zurückzusenden."
Unter den vorgelegten Teilen des Verwaltungsaktes der mitbeteiligten Stadtgemeinde findet sich daran anschließend ein vom Eigentümer dieser Grundparzelle mit 7. August 1989 datiertes und unterfertigtes Schriftstück, gerichtet an das Amt der Stadt D, folgenden Inhalts:
"Betrifft: obiges Schreiben vom 31.7.1989
Das obige Schreiben wird zur Kenntnis genommen. Die Zustimmung für das gegenständliche Bauvorhaben wird als Grundeigentümer hiemit ausdrücklich zurückgezogen."
Ohne der Beschwerdeführerin Parteiengehör zu gewähren, wurde daraufhin mit Bescheid der Stadtvertretung der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 20. Oktober 1989 (dieser Bescheid befindet sich nicht bei den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten der mitbeteiligten Stadtgemeinde) die Berufung der Beschwerdeführerin neuerlich, diesmal jedoch mit der Begründung, die Zustimmung des Liegenschaftseigentümers zur Bauführung liege nicht vor, abgewiesen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Die Zustimmung zur Bauführung durch den Grundeigentümer müsse nach § 25 Abs. 3 lit. a des BauG "liquid" auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen, andernfalls sei der Bauantrag gemäß § 31 Abs. 2 des BauG abzuweisen, bzw. die Baubewilligung nach Abs. 5 zu versagen. Die Frage der Zustimmung des Grundeigentümers bilde nicht den Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens; die Behörde habe infolge der "liquiden Nachweispflicht" nicht ständig Ermittlungen darüber zu führen, ob eine Zustimmung allenfalls noch vorliege. Dies bedeute, daß eine allfällige Feststellung der Baubehörde über den Mangel der Zustimmung nicht der Verpflichtung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs unterliege, wie dies bezüglich der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens unzweifelhaft geboten sei. Im übrigen stehe der positiven Erledigung des Bauansuchens ein weiteres wesentliches Hindernis entgegen: Die Errichtung von baulichen Anlagen auf fremdem Grund sei nur mit Zustimmung der Grundverkehrsbehörde möglich (die belangte Behörde verwies in diesem Zusammenhang auf § 3 Abs. 1 lit. b des Grundverkehrsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1977 idF LGBl. Nr. 63/1987). Eine solche Genehmigung liege nicht vor. Die seinerzeitige und auch nunmehr (offenbar neuerlich) vorgelegte "Zustimmungserklärung" des Grundeigentümers (Pachtvertrag vom 19. Dezember 1989) sei deshalb "nach Meinung der Aufsichtsbehörde als verwaltungsrechtlich rechtsunwirksam anzusehen". Eine Baubewilligung hätte daher im Sinne des § 16 Abs. 8 des Grundverkehrsgesetzes bereits aus diesem Grund bei sonstiger Nichtigkeit des Baubescheides nicht erteilt werden können, wie sich auch aus § 31 Abs. 6 BauG ergebe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die dazu erstatteten Gegenschriften der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei erwogen:
Gemäß § 25 Abs. 3 lit. a des Baugesetzes (BauG) ist dem Bauantrag der Nachweis des Eigentums oder Baurechtes am Baugrundstück oder, wenn der Antragsteller nicht selbst Eigentümer oder bauberechtigt ist, die Zustimmung des Eigentümers bzw. Bauberechtigten anzuschließen.
Es wird im Beschwerdefall von keinem Beteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Zweifel gezogen, daß die Beschwerdeführerin eine Zustimmung des Liegenschaftseigentümers zur Bauführung beigebracht hatte. Ebensowenig ist strittig, daß der Liegenschaftseigentümer diese Zustimmung auf Grund einer Intervention des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde widerrufen hat, worauf die Berufungsbehörde - ohne dies der Beschwerdeführerin vorher zur Kenntnis zu bringen - einen abweisenden Berufungsbescheid erlassen hat.
Gemäß § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
Dem Parteiengehör unterliegt grundsätzlich der gesamte Inhalt des Ergebnisses der Beweisaufnahme (vgl. das Erkenntnis vom 27. Juni 1983, Slg. 11101/A, uva). Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß gleiches für eine während des Verfahrens eintretende Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes gilt, von der die Behörde weiß (oder doch annehmen muß), daß sie der Partei noch unbekannt sei; dies insbesondere auch dann, wenn die Behörde - wie hier - ohne Wissen der Partei Dritte dazu veranlaßt, einmal gegebene Zustimmungserklärungen zu einem bewilligungspflichtigen Vorhaben wieder zurückzuziehen, um so dem Vorhaben der Partei die Bewilligungsfähigkeit zu nehmen. Wenn die belangte Behörde - wie aus der Begründung ihres Bescheides hervorgeht - die Frage des Vorliegens der Zustimmung des Grundeigentümers deshalb nicht zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt gezählt wissen will, weil das Vorliegen dieser Zustimmung nicht im Sinne des § 39 Abs. 2 AVG von der Behörde von Amts wegen zu ermitteln, sondern zufolge § 25 Abs. 3 lit. a BauG vom Bewilligungswerber liquid beizubringen sei, so ist dies unverständlich, zumal § 45 Abs. 3 AVG eine Unterscheidung zwischen solchen Ergebnissen der Beweisaufnahme, die auf amtswegigen Ermittlungen beruhen und solchen, die von der Partei beigebracht werden müssen, augenscheinlich nicht kennt. Die Vorgangsweise der Berufungsbehörde ist vielmehr mit den ein rechtsstaatliches Verfahren tragenden Grundsätzen des Parteiengehörs unvereinbar.
Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß keine Verpflichtung der Behörde besteht, "ständig Ermittlungen darüber zu führen, ob eine Zustimmung allenfalls noch vorliegt", wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend ausführt. Umso unverständlicher ist es freilich, wenn die Berufungsbehörde bei Vorliegen einer solchen Zustimmung - und über ihre behördlichen Aufgaben hinaus - von sich aus Schritte unternimmt, den Grundstückseigentümer zur Zurückziehung dieser Zustimmung zu veranlassen. Es kann auch nicht gesagt werden, daß die Gewährung von Parteiengehör zu keinem anderen Ergebnis des Verfahrens hätte führen können, zumal die Beschwerdeführerin im Vorstellungsverfahren sogar einen - nach Erlassung des Berufungsbescheides abgeschlossenen - Pachtvertrag beizubringen vermochte. Es ist daher nicht auszuschließen, daß es der Beschwerdeführerin gelungen wäre, innerhalb einer ihr von der Berufungsbehörde einzuräumenden, angemessenen Frist rechtzeitig (d.h. vor Erfassung des Berufungsbescheides) neuerlich eine schriftliche Zustimmung des Grundeigentümers allenfalls im Rechtsweg zu erlangen.
Darüber hinaus irrt die belangte Behörde aber auch, wenn sie meint, "Rechte, welche die Errichtung von baulichen Anlagen auf fremdem Grund gestatten ... können nur mit Genehmigung der Grundverkehrsbehörde eingeräumt werden". Eine solche Bestimmung findet sich zwar im § 3 Abs. 1 lit. b des Vorarlberger Grundverkehrsgesetzes, die belangte Behörde übersieht jedoch, daß gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. den Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes nur der Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken oder der Verkehr mit Grundstücken unterliegt, wenn an diesen Ausländer Rechte erwerben. Im Beschwerdefall steht weder fest, daß es sich um ein land- und forstwirtschaftliches Grundstück handelt, noch, daß die Beschwerdeführerin Ausländerin wäre.
Da die belangte Behörde somit in mehrfacher Hinsicht die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Begehren auf Ersatz von 20 % Umsatzsteuer aus dem Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil Umsatzsteuer in den Pauschalsätzen der genannten Verordnung bereits enthalten ist.
Schlagworte
Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Erhebungen ErmittlungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990060184.X00Im RIS seit
03.05.2001