TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/25 91/18/0206

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Veröffentlicht am 25.10.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Dr. Ernst P in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19. Juni 1991, Zl. I/7-St-P-90145, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit der Beschwerdeführer der Übertretung nach § 9 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 schuldig erkannt und deshalb bestraft wurde, einschließlich der diesbezüglichen Kostenentscheidung, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Berufungsbescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19. Juni 1991 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug für schuldig erkannt, er habe am 12. August 1989 um 15.19 Uhr im Ortsgebiet von Spillern auf der B 3 nächst dem Straßenkilometer 61,4 in Fahrtrichtung Korneuburg als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws 1) die Sperrlinie überfahren, 2) im Ortsgebiet die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h dadurch überschritten, daß er mit dem Pkw 80 km/h gefahren sei. Er habe hiedurch die Verwaltungsübertretungen zu 1) nach § 9 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) und zu 2) nach § 20 Abs. 2 StVO begangen; es wurden Geld- und Ersatzarreststrafen verhängt.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorliegen einer Gegenschrift der belangten Behörde erwogen hat:

Die Beschwerde bekämpft im wesentlichen die Richtigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. N.F. Nr. 8619/A) schließt die auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, das heißt, ob sie u.a. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, weshalb wesentliche Mängel der Sachverhaltsfeststellung einschließlich der Beweiswürdigung zur Aufhebung des Bescheides führen. Ob aber der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Hinsichtlich der zu 2) genannten Verwaltungsübertretung konnte der Verwaltungsgerichtshof keinen Verstoß gegen die zu überprüfende Schlüssigkeit der Beweiswürdigung finden; auch der Beschwerdeführer vermochte diesbezüglich nichts aufzuzeigen, zumal er sowohl bei der Anhaltung als auch in seinem Schriftsatz vom 28. November 1989 eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zugegeben hat.

Hinsichtlich der zu 1) genannten Verwaltungsübertretung liegt allerdings ein Verstoß gegen das Erfordernis der Schlüssigkeit der Beweiswürdigung darin, daß dem Zeugen E die Glaubwürdigkeit - dies im Verhältnis zur Glaubwürdigkeit der beiden Gendarmeriebeamten gesehen - deshalb abgesprochen wurde, weil er nicht imstande war, den Tatort durch eine bestimmte Zahl der Straßenkilometrierung zu konkretisieren. Da es der Lebenserfahrung entspricht, daß Lenker von Kraftfahrzeugen und deren Beifahrer grundsätzlich - wenn sie nicht besonderen, zum Beispiel beruflichen Anlaß hiefür haben - der Straßenkilometrierung kein Augenmerk zuwenden, kann aus dem Umstand, daß der Beifahrer des Beschwerdeführers zur Tatzeit den Tatort nicht nach dem Straßenkilometer bezeichnen konnte, nicht auf dessen mangelnde Glaubwürdigkeit geschlossen werden.

Im übrigen hätte sich die belangte Behörde mit der Tatfrage auseinandersetzen müssen, ob das von den beiden Gendarmeriebeamten wahrgenommene Überfahren der Sperrlinie vor oder nach dem Überholvorgang erfolgte. Sollte letzteres festgestellt werden, so wäre auf die Verantwortung des Beschwerdeführers, diesbezüglich unterstützt von der Zeugenaussage E, einzugehen gewesen, daß bei Beginn des Überholvorganges für den Beschwerdeführer nicht erkennbar gewesen sei, er werde nach dessen Beendigung, also bei der Rückkehr auf die rechte Fahrbahnhälfte, eine Sperrlinie überfahren müssen. Sollte ein solcher Sachverhalt erwiesen werden, so wäre die Frage des allenfalls mangelnden Verschuldens des Beschwerdeführers zu erörtern gewesen.

Hinsichtlich des Schuldspruches nach § 9 Abs. 1 StVO ist der angefochtene Bescheid somit mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie wird auch zur Rüge in der Straffrage dahin Stellung genommen, daß zu Recht von der Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG Abstand genommen wurde, weil bei keiner der beiden verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretungen, dies unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles, von einem geringfügigen Verschulden gesprochen werden kann (siehe die Entscheidungen Nr. 7 und 8 zu § 21 VStG im Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4 von Hauer-Leukauf).

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der zu 1) genannten Verwaltungsübertretung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben; im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere 59 Abs. 1 VwGG. Für den nur in einfacher Ausfertigung vorzulegenden angefochtenen Bescheid, der aus zwei Bogen besteht, waren nur S 60,-- an Bundesstempeln zuzusprechen.

Schlagworte

Beweismittel Zeugenbeweis Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991180206.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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