TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/28 91/19/0256

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Veröffentlicht am 28.10.1991
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des N in D, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 3. Juli 1991, Zl. Frb 4250/90, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juli 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und 2 Z. 6 in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 575/1987 (im Folgenden kurz: FPG), ein bis zum 13. November 1995 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 6 sowie des Abs. 3 FPG lauten:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes macht, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 zu verschaffen.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;

3.

die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid im wesentlichen damit, der Vater des Beschwerdeführers habe stellvertretend mit Schreiben vom 23. Februar 1990 einen Antrag auf "Familienzusammenführung" für seinen Sohn, den Beschwerdeführer, gestellt. Von der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn sei hierauf am 18. Mai 1990 eine "Sichtvermerksbescheinigung" ausgestellt worden, aus der hervorgehe, daß der Vater des Beschwerdeführers die Absicht habe, den Beschwerdeführer zu Besuch einzuladen. Der Beschwerdeführer habe am 28. Mai 1990 bei der Österreichischen Botschaft in Ankara einen Antrag auf Ausstellung eines drei Monate gültigen Sichtvermerkes gestellt, wobei als Reisezweck eine Besuchsreise angegeben worden sei, und eine Erklärung unterfertigt, wonach er nur für die im Sichtvermerksantrag angegebene Zeit und nur zu einem Besuchsaufenthalt nach Österreich reisen werde. Die Botschaft habe dem Beschwerdeführer sodann einen bis 28. August 1990 gültigen Sichtvermerk erteilt. Mit Schreiben vom 27. Juli 1990 habe der Vater des Beschwerdeführers für den Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn einen Antrag auf Verlängerung des Sichtvermerkes gestellt. Als Begründung sei angegeben worden, daß der Beschwerdeführer beabsichtige, in Österreich die Schule zu besuchen; in der Türkei habe er bereits das Gymnasium abgeschlossen und beabsichtige nun durch Belegung von Kursen seine Deutschkenntnisse zu verbessern sowie allenfalls die Berufsschule zu besuchen. Der Beschwerdeführer bestreite diesen Sachverhalt nicht, er behaupte jedoch, daß er zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Ausstellung des Sichtvermerkes lediglich beabsichtigt habe, seinen Vater sowie einen Bruder in Österreich zu besuchen; er habe zu diesem Zeitpunkt noch die feste Absicht gehabt, nach Ablauf der Frist von drei Monaten wieder in die Türkei zurückzukehren.

Zur Klärung des Sachverhaltes - so die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter - sei die Einvernahme des Vaters des Beschwerdeführers veranlaßt worden. Dieser habe am 6. Juni 1991 bei der Behörde erster Instanz im wesentlichen folgendes zu Protokoll gegeben:

    "Ich habe am 23.2.1990 über meinen Rechtsanwalt ... einen

Antrag auf Familienzusammenführung bei der

Bezirkshauptmannschaft Dornbirn eingebracht, und zwar wollte

ich meinen Sohn ... zu mir nach Dornbirn bringen. Nachdem für

die Behörde die Voraussetzungen für eine

Familienzusammenführung nicht gegeben waren, war ich auch

einverstanden, daß mein Sohn nur zu einem Besuchsaufenthalt

herkommen werde. Ich habe daher bei der Ausstellung der

Sichtvermerksbescheinigung am 18.5.1990 bei der

Bezirkshauptmannschaft Dornbirn die niederschriftliche

Erklärung abgegeben, daß es sich in diesem Falle nur um eine

Besuchseinladung handeln würde. In weiterer Folge ist mein

Sohn ... auf legalem Wege von der Türkei nach Österreich

eingereist, d.h. daß ihm von der Österreichischen Botschaft in

Ankara am 28.5.1990 ein bis zum 28.8.1990 befristeter

Sichtvermerk erteilt worden ist. Während seines Aufenthaltes

machte er geltend, daß er als Kurde in der Türkei

Schwierigkeiten, vorwiegend im Schulbereich habe und daher

nicht mehr zurückkehren möchte."

Aus dieser Niederschrift gehe nach Ansicht der Behörde zweifelsfrei hervor, daß beim Vater des Beschwerdeführers von vornherein die Absicht bestanden habe, diesen "nachzuführen" und auch der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht lediglich die Absicht gehabt habe, seinen Vater für drei Monate zu besuchen. Es sei offensichtlich, daß der Beschwerdeführer über den Weg des "Besuchervisums" nach Österreich gelangen hätte wollen, in der Absicht, sich in Österreich um eine längerfristige Aufenthaltsberechtigung zu bemühen. Daher könne auch der Argumentation des Beschwerdeführers, die Absicht, über die geplante Zeitdauer von drei Monaten in Österreich zu verbleiben, habe sich erst während des Aufenthaltes in Österreich konkretisiert, nicht gefolgt werden. Dem Beschwerdeführer sei bereits zum Zeitpunkt des Sichtvermerksantrages bekannt gewesen, daß die wirtschaftlichen und beruflichen Möglichkeiten in Österreich wesentlich besser seien als in der Türkei und daß er als Kurde in der Türkei Schwierigkeiten vorwiegend im Schulbereich habe. Der Beschwerdeführer habe daher unter dem Vorwand, daß er seinem Vater in Österreich einen Besuch abstatten wolle, um die Erteilung eines Sichtvermerkes angesucht, um sich nach erfolgter Einreise in Österreich für längere Zeit niederzulassen. Er habe daher gegenüber einer österreichischen Behörde unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht, um sich die Einreise (oder die Aufenthaltsberechtigung) zu verschaffen.

Zur Interessenabwägung im Sinne des § 3 Abs. 3 FPG führte die belangte Behörde aus, der Vater sowie zwei Brüder des Beschwerdeführers hielten sich in Österreich auf. Die Mutter und zwei Schwestern wohnten in der Türkei. Der Beschwerdeführer sei nach dem 28. Mai 1990 nach Österreich eingereist, seine Integration könne daher als gering bezeichnet werden. Die Beziehungen zu seinem Heimatland Türkei seien wohl noch wesentlich stärker als zu Österreich.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag im Rahmen der ihm zustehenden Kontrolle der Beweiswürdigung (vgl. dazu das Erkenntnis eines hg. verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) diese Überlegungen der belangten Behörde nicht als rechtswidrig zu erkennen. Auch der Beschwerdeführer vermag dem nichts Entscheidendes entgegenzusetzen.

Konnte aber die belangte Behörde in nicht als rechtswidrig zu erkennender Weise davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 FPG verwirklicht hat, so war auch die Annahme gerechtfertigt, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder laufe anderen im Art. 8 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwider (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 26. April 1991, Zl. 91/19/0090). Da auch die Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 FPG nicht als rechtswidrig zu erkennen ist, erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991190256.X00

Im RIS seit

28.10.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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