TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/28 90/19/0329

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Veröffentlicht am 28.10.1991
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
MRK Art8 Abs2;
SGG §12;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des T in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 7. Mai 1990, Zl. Fr-5891/14/88, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 7. Mai 1990 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen iranischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und 2 in Verbindung mit § 4 Fremdenpolizeigesetz ein bis 10. Juni 1999 befristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides traf die belangte Behörde die Feststellung, daß der Beschwerdeführer fünfmal rechtskräftig von einem inländischen Gericht verurteilt worden sei, und zwar

1. vom Landesgericht Salzburg am 17. Dezember 1980 wegen des Vergehens nach § 88 Abs. 1 und 4, § 81 Abs. 1 und 2 und § 89 StGB zu 260 Tagessätzen a S 70,-- (im Nichteinbringungsfall 130 Tage Freiheitsstrafe),

2. vom Bezirksgericht Zell am See am 12. November 1982 wegen des Vergehens nach § 198 Abs. 1 StGB zu 40 Taggessätzen a S 100,-- (im Nichteinbringungsfall 20 Tage Freiheitsstrafe),

3. vom Bezirksgericht Zell am See am 6. März 1987 wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz zu 40 Tagessätzen a S 100,-- (im Nichteinbringungsfall 20 Tage Freiheitsstrafe),

4. vom Bezirksgericht Zell am See am 7. März 1988 wegen des Vergehens nach § 88 Abs. 1 und 3 StGB zu 90 Tagessätzen a S 200,-- (im Nichteinbringungsfall 45 Tage Freiheitsstrafe), und

5. vom Landesgericht Salzburg am 15. Februar 1989 wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Monaten.

Weiters seien gegen den Beschwerdeführer innerhalb der letzten fünf Jahre 26 rechtskräftige Bestrafungen wegen verschiedener Verwaltungsübertretungen erfolgt. Darunter seien besonders schwerwiegend die am 21. März 1988 erfolgte Bestrafung wegen Störung der Ordnung, die am 18. April 1988 erfolgte Bestrafung wegen Lenkens eines Pkws in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und die am 1. März 1988 erfolgte Bestrafung wegen der Nichtmitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung und Unterlassung der Verständigung der nächsten Polizei- und Gendarmeriedienststelle nach einem Verkehrsunfall.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß schon im Hinblick auf die Verurteilung wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz der Aufenthalt des Beschwerdeführers den in § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz genannten Interessen zuwiderlaufe. Dazu kämen die weiteren gerichtlichen Verurteilungen und die Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen, die sich in den letzten Jahren gehäuft hätten. Bei der Interessenabwägung sei zwar der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit 1979 sowie seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zu berücksichtigen, doch seien im Hinblick auf die im vorliegenden Fall maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von unverhältnismäßig größerem Gewicht als die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers. Im Hinblick auf zeitweise herrschende Streitigkeiten zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Gattin, die auch zu einer mehrmonatigen Trennung geführt hätten, könnten die familiären Bindungen nicht als intensiv eingestuft werden. Die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers in einem kleinen Gastgewerbebetrieb entspreche nicht seiner beruflichen Ausbildung als Flugzeugmechaniker, sodaß sein berufliches Fortkommen durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht beeinträchtigt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Gemäß § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, (MRK) genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Nach § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. ist, wenn durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde, seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;

3.

die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

Nach Art. 8 Abs. 2 MRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

              2.              Die belangte Behörde hat auf Grund der strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers mit Recht das Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz angenommen. Diese Annahme ist in mehrfacher Hinsicht berechtigt, und zwar einerseits schon allein im Hinblick auf die Verurteilung wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Monaten, und andererseits weil die beiden Verurteilungen nach dem Suchtgiftgesetz, aber auch die beiden Verurteilungen wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung jeweils auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende strafbare Handlungen betreffen.

Daneben durfte die belangte Behörde im Rahmen der Beurteilung des gesamten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die zahlreichen Bestrafungen wegen verschiedener Verwaltungsübertretungen berücksichtigen, von denen jedenfalls die Bestrafung wegen der Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung zum Gegenstand hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1990, Zl. 90/19/0156).

Auf Grund des Vorliegens einer bestimmten Tatsache gemäß § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz war die Annahme gerechtfertigt, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder laufe anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwider (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0236).

              3.              Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die von der belangten Behörde festgestellten gerichtlichen Verurteilungen sowie die Bestrafung wegen der Verwaltungsübertretungen, er meint jedoch, man müsse berücksichtigen, daß die Übertretungen zum Großteil bereits viele Jahre zurück lägen; dabei sei vor allem zu bedenken, daß das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz bereits im Oktober 1987 begangen worden sei.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß die (noch) nicht getilgten gerichtlichen Verurteilungen im Wege des § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 zu gelten haben (siehe das hg. Erkenntnis vom 15. April 1991, Zl. 90/19/0488, mit weiterem Judikaturhinweis). Im übrigen trifft es nicht zu, daß der Großteil der Übertretungen schon "viele Jahre" zurückliege. Das kann allenfalls hinsichtlich jener Straftaten gesagt werden, die den im Jahre 1980 bzw. 1982 erfolgten gerichtlichen Verurteilungen zugrunde gelegen sind, nicht jedoch hinsichtlich der den weiteren gerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen sowie der Verwaltungsübertretungen.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er habe sich in einer schwierigen persönlichen Situation befunden, weil er durch die derzeitige Regierung im Iran politisch verfolgt und als Deserteur der iranischen Amee bezeichnet werde, sowie seine Familie in Großbritannien sei, und sei deshalb zum Zeitpunkt der Tathandlungen unter erheblichem psychischem Druck gestanden, ist auf Grund seiner Ausführungen nicht zu erkennen, inwiefern der von ihm beschriebene psychische Druck für die Begehung der einzelnen Straftaten kausal gewesen sein soll.

              4.              Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, die belangte Behörde habe seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin nicht entsprechend berücksichtigt, ist ihm zu erwidern, daß die belangte Behörde im Rahmen der Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz den hier maßgebenden öffentlichen Interessen im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität (vgl. das Erkenntnis vom 14. Oktober 1991, Zl. 91/19/0220, mit weiteren Judikaturhinweisen) mit Recht unverhältnismäßig größeres Gewicht beigemessen hat als seinen privaten Interessen am weiteren Aufenthalt in Österreich, und zwar unabhängig davon, ob er mit seiner Ehefrau in einer harmonischen Ehe lebt oder ob es wiederholt zu Streitigkeiten und vorübergehenden Trennungen gekommen ist.

              5.              Auch wird das Argument der belangten Behörde, der erlernte Beruf des Beschwerdeführers als Flugzeugmechaniker erfordere keinen Aufenthalt in Österreich, nicht mit seinem Hinweis entkräftet, er habe in Österreich kaum die Möglichkeit, in seinem erlernten Beruf zu arbeiten.

              6.              Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Normen und Materien

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990190329.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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