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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
PaßG 1969 §25 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde der N in M, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom 31. Juli 1991, Zl. 10/353-1113/7-1991, betreffend Versagung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 31. Juli 1991 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer türkischen Staatsangehörigen, vom 19. Juli 1991 auf Erteilung eines befristeten Sichtvermerkes gemäß § 25 Abs. 3 lit. e des Paßgesetzes 1969 (BGBl. Nr. 422, im folgenden kurz: PG) versagt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Gemäß § 25 Abs. 1 PG kann ein Sichtvermerk einem Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern kein Versagungsgrund gemäß Abs. 3 vorliegt. Nach § 25 Abs. 3 lit. e leg. cit. ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, daß ein Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen könnte.
Die belangte Behörde hat die Heranziehung des soeben zitierten Versagungsgrundes im wesentlichen damit begründet, für die Berechnung des Lebensunterhaltes seien die Richtlinien entsprechend dem Salzburger Sozialhilfegesetz herangezogen worden. Bei der gegebenen Familiengröße (zwei Erwachsene sowie zwei Kinder) ergebe sich dementsprechend ein monatlicher Lebensbedarf von S 12.259,17. Unter Zugrundelegung des Einkommens des Gattens der Beschwerdeführerin von monatlich S 10.000,-- ergebe sich ein Fehlbetrag von S 2.259,17. Der Familienerhalter sei somit nicht in der Lage, die Kosten für den Lebensbedarf seiner Familie zu bestreiten. Würde der beantragte Sichtvermerk erteilt werden, so könnte dies zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen, da ein Rechtsanspruch auf Bezug von Sozialhilfe bestünde.
Die Verpflichtungserklärung des H.A. (des Schwagers der Beschwerdeführerin) vom 17. Juli 1991 könne "nicht zur Kenntnis genommen werden", weil einerseits nach bürgerlichem Recht keine diesbezügliche Unterstützungsverpflichtung bestehe und andererseits keine Gewähr dafür gegeben sei, daß der Erklärende auch tatsächlich in der Lage sei, dieser Verpflichtung nachzukommen, sei doch die Einhaltung derselben nur dann möglich, wenn der Betreffende eine Beschäftigung mit entsprechendem Einkommen sowie eine Aufenthaltserlaubnis besitze, was aber von der Lage des Arbeitsmarktes sowie von "verschiedenen zu beachtenden rechtlichen Bestimmungen" abhänge. Die "Zurkenntnisnahme" einer solchen Verpflichtungserklärung könne nach sich ziehen, daß diese nach Wahl vorgelegt werden könnte, ohne daß es der Behörde möglich wäre, verbindlich auf solche Zusagen zurückzugreifen.
Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 2. April 1990, Zl. 90/19/0135) darf nämlich die Erteilung eines zumindest - den Umständen angepaßten - befristeten Sichtvermerkes nicht unter Berufung auf § 25 Abs. 3 lit. e PG versagt werden, wenn sich ein naher Angehöriger verpflichtet hat, für den Unterhalt des Sichtvermerkswerbers zu sorgen, sofern dieser Angehörige auf Grund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse auch tatsächlich zur Bestreitung der dem Sichtvermerkswerber unter gewöhnlichen Verhältnissen entstehenden Unterhaltskosten in der Lage ist.
Im vorliegenden Fall geht aus der erwähnten Verpflichtungserklärung des Schwagers der Beschwerdeführerin vom 17. Juli 1991 hervor, daß dieser "ca. S 9.000,-- bis S 10.000,-- netto zuzüglich Quartier und Verpflegung" verdiene (gemeint wohl: monatlich). Er verpflichte sich, monatlich einen Betrag von S 4.000,-- als Unterhaltsbeitrag für die Familie seines Bruders zu bezahlen, sodaß dieser die Sozialhilfe nicht in Anspruch nehmen müsse. Diese Verpflichtung werde insbesondere deshalb abgegeben, damit die Familie des Bruders in Österreich bleiben könne.
Die belangte Behörde hat nun nicht etwa angenommen, daß der erwähnte Angehörige auf Grund seiner Einkommensverhältnisse derzeit nicht in der Lage wäre, den angeführten Betrag von S 4.000,-- monatlich zum Unterhalt der Familie der Beschwerdeführerin beizutragen. Einer in der Zukunft liegenden Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, etwa auch der Einkommensverhältnisse des Verpflichteten, kann aber die Behörde durch Anwendung des in § 26 Abs. 2 PG eingeräumten Ermessens in bezug auf eine zeitliche Befristung des Sichtvermerkes Rechnung tragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1983, Zlen. 83/01/0105, 0106).
Ausgehend davon war die belangte Behörde gehalten, den in der Verpflichtungserklärung genannten Betrag von monatlich S 4.000,-- in ihre Überlegungen miteinzubeziehen. Da sie dies - in Verkennung der Rechtslage - nicht getan hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren betreffend Ersatz von Stempelgebühren war mangels Erforderlichkeit des Aufwandes abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991190255.X00Im RIS seit
06.08.2001