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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AAV §24 Abs6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des H in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 18. April 1991, Zl. Ge-46.815/7-1991/Bi/T, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung - AAV, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I
1. Unter dem Datum 26. April 1990 erließ die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. dem nunmehrigen Beschwerdeführer gegenüber ein Straferkenntnis, dessen Spruch wie folgt lautet:
"Sie haben am 24.10.1989 in Ried i.I., Hauptplatz 1
1.
die Stiege vom Keller zum Erdgeschoß nur in einer Breite von rd. 70 cm freigehalten und
2.
den Gang im 1. Stock nur in einer Breite von ca. 70 cm und den Gang im Erdgeschoß nur in einer Breite von
ca. 75 cm - 80 cm freigehalten,
obwohl Stiegen und Hauptverkehrswege in Betriebsräumen
mindestens 1,2 m breit sein müssen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 26 Absatz 3 Allgemeine Arbeitnehmerschutz-Verordnung (AAV), BGBl. Nr. 218/1983 zu 1. und § 25 Abs. 1 AAV. zu 2. Gem. § 31 Absatz 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz wird wegen dieser Verwaltungsübertretung über Sie folgende Geldstrafe verhängt:
S 5.000,-- zu 1.
S 8.000,-- zu 2.
Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen zu 1.
8 Tagen zu 2.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG)
zu zahlen:
S 500,-- zu 1.
S 800,-- zu 2.
als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich S 50,-- angerechnet.)
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 14.300,-- SCHILLING.
Außerdem sind die Kosten des Strafvollzugs zu ersetzen (§ 67 VStG)."
2. Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies der Landeshauptmann von Oberösterreich (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 18. April 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 und § 19 VStG sowie § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, (ASchG) als unbegründet ab und bestätigte das Straferkenntnis mit der Änderung, daß in dessen Punkt 1. nach dem Wort "Erdgeschoß" die Worte "durch vorübergehende Lagerungen" einzufügen seien und die gesetzliche Grundlage § 24 Abs. 6 AAV zu lauten habe.
Ferner wurde gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG der vom Beschwerdeführer zu leistende Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens bestimmt.
3. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid erkennbar in seinem Recht verletzt, nicht der ihm angelasteten Übertretungen wegen schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach dem ersten Halbsatz des § 26 Abs. 3 AAV müssen Stiegen, sofern in Abs. 6 nicht anderes bestimmt ist, mindestens 1,20 m breit sein.
Gemäß § 24 Abs. 6 erster Satz AAV dürfen auf Stiegen und Gängen auch vorübergehend keine Lagerungen vorgenommen werden.
2. Während die Erstinstanz dadurch, daß der Beschwerdeführer "die Stiege vom Keller zum Erdgeschoß nur in einer Breite von rd. 70 cm freigehalten" habe, "obwohl Stiegen ... mindestens 1,2 m breit sein müssen", den Tatbestand des § 26 Abs. 3 (erster Halbsatz) AAV als verwirklicht ansah, subsumierte die belangte Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers dahin, daß er "die Stiege vom Keller zum Erdgeschoß durch vorübergehende Lagerungen nur in einer Breite von rd. 70 cm freigehalten" habe, "obwohl Stiegen ... mindestens 1,2 m breit sein müssen", dem § 24 Abs. 6 (erster Satz) AAV. Damit unterlag die belangte Behörde einem Rechtsirrtum. Die Einfügung der Wortfolge "durch vorübergehende Lagerungen" - es handelt sich hiebei um ein verfehlterweise in den Spruch aufgenommenes Begründungselement - ändert nichts daran, daß dem Beschwerdeführer nach wie vor das Freihalten der betreffenden Stiege - wobei es gemäß § 26 Abs. 3 AAV gar nicht um das Freihalten einer Stiege in einer bestimmten Breite, sondern um die (Mindest-)Breite der Stiege als solcher geht - lediglich in einer Breite von ca. 70 cm angelastet worden ist, was noch durch die daran auschließende Wendung im Spruch "obwohl Stiegen ... mindestens 1,2 m breit sein müssen", unterstrichen wird. Dieser von der belangten Behörde als erwiesen angenommene Sachverhalt und nicht der den Spruch ergänzende Umstand, WODURCH die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Breite der Stiege hervorgerufen worden ist, bedurfte der rechtlichen Subsumtion. Von da her gesehen aber war die Auffassung der belangten Behörde, es sei das inkriminierte Verhalten des Beschwerdeführers dem § 24 Abs. 6 (erster Satz) AAV zu unterstellen, verfehlt.
Der angefochtene Bescheid erweist sich demnach insoweit als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Die dem Spruch widersprechende Bescheidbegründung steht dieser Beurteilung nicht entgegen, da nach ständiger hg. Rechtsprechung ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung des bekämpften Bescheides gleichfalls dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit bewirkt (vgl. DOLP, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, S. 575 oben).
3.1. Hinsichtlich des von der belangten Behörde vollinhaltlich bestätigten Schuldspruches zu Punkt 2. des Straferkenntnisses vom 26. April 1990 enthält die Beschwerde, ungeachtet dessen, daß sie eingangs darauf hinweist, den Bescheid der belangten Behörde "im gesamten Umfang" anzufechten, nur die Bemerkung, es hätte nicht eine "Aufspaltung des Sachverhaltes in mehrere Tatbestände" vorgenommen werden dürfen, sondern es wäre "das gesamte Vorbringen (gemeint: die Angaben des Arbeitsinspektorates im Strafantrag) nur unter einem Tatbestand abzuhandeln gewesen".
3.2. Dazu ist festzuhalten, daß die gerügte "Abspaltung" der Rechtslage entspricht, da die Mindestbreite (1,20 m) von "Hauptverkehrswegen" - als solche hat die belangte Behörde die Gänge im Erdgeschoß und im 1. Stock gewertet - in einer gesonderten Vorschrift, nämlich § 25 Abs. 1 AAV, normiert ist. Allerdings hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer als Verstoß gegen diese Bestimmung ausdrücklich das Freihalten der Gänge nur in einer bestimmten (näher bezeichneten) Breite zur Last gelegt und damit verkannt, daß dieses Verhalten nicht tatbestandsmäßig ist, da im § 25 Abs. 1 AAV ausschließlich angeordnet wird, daß Hauptverkehrswege an sich - also unabhängig davon, ob sich dort Lagerungen befinden - eine "ausreichende Breite, mindestens jedoch eine solche von 1,20 m besitzen (müssen)".
4. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Vorlage lediglich einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides erforderlich war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991190140.X00Im RIS seit
28.10.1991