TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/29 91/05/0200

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Veröffentlicht am 29.10.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42;
AVG §63 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde 1. des Richard N und 2. der Maria N in R, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 16. August 1991, Zl. X-B-79-1991, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Erich B in A,

2. Elisabeth B in A, 3. Gemeinde D, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich der nachstehende Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer der Grundstücke 973/2 und 974 Gb A. Anrainend an das Grundstück Nr. 974 haben die Erst- und Zweitmitbeteiligten die Grundstücke Nr. 53 und 54 gepachtet, auf denen sie eine alternative Landwirtschaft betreiben. In einer Sachverhaltsdarstellung vom 10. September 1990 an den Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde haben die Beschwerdeführer auf mehrere Mißstände auf den gepachteten Grundstücken aufmerksam gemacht. Insbesondere wiesen sie den Bürgermeister auf die Errichtung einer Miststätte und eine Kompoststätte hin. Bei beiden Anlagen komme es nicht nur zu weitverbreiteten Geruchsbelästigungen, sondern darüber hinaus auch zu Flüssigkeitsansammlungen, wobei diese Flüssigkeiten ungefiltert und ungeklärt im Boden versickerten. Die Nachbarn hätten ohne Baubewilligung einen Holzschuppenzubau errichtet, wo sie einen Traktor unterstellten. Die Beschwerdeführer wiesen in ihrer Sachverhaltsdarstellung an den Bürgermeister darauf hin, daß die Nachbarn keine Vorkehrungen getroffen haben, um auslaufendes Öl unschädlich aufzufangen.

Am 16. Jänner 1991 wurde von der Baubehörde erster Instanz eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle zur Erteilung der nachträglichen Baubewilligung durchgeführt, zu der auch die Beschwerdeführer nach ihrem Beschwerdevorbringen eine Ladung erhielten, jedoch nicht an dieser Verhandlung teilnahmen.

Mit Bescheid vom 27. Februar 1991 habe der Bürgermeister den mitbeteiligten Nachbarn die nachträgliche Baubewilligung erteilt. Der Antrag, den die Beschwerdeführer in ihrer Sachverhaltsdarstellung gestellt hätten, sei zur Gänze unerledigt geblieben.

Gegen diesen Bescheid brachten die Beschwerdeführer Berufung ein, die mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. Juli 1991 unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG abgewiesen wurde. Der dagegen eingebrachten Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 16. August 1991 keine Folge.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde mit Beschluß vom 7. Oktober 1991, Zl. B 1088/91-3, abgelehnt und die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10317/A, ausgesprochen, daß die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde im Falle einer beschränkten Parteistellung des Berufungswerbers, wie es für Nachbarn im Baubewilligungsverfahren typisch ist, auf jenen Themenkreis eingeschränkt ist, in dem diese Partei mitzuwirken berechtigt ist. Das Mitspracherecht des Nachbarn ist weiters durch die eingetretene Präklusion beschränkt. Hat der Nachbar als Partei des Baubewilligungsverfahrens, obwohl er zur Bauverhandlung vor der Behörde erster Instanz ordnungsgemäß geladen wurde, gegen das Vorhaben des Bauwerbers keine Einwendungen erhoben, so ist er dem Vorhaben als zustimmend anzusehen und verspätet erhobene Einwendungen finden keine Berücksichtigung. Sowohl die Berufungsbehörde und die Gemeindeaufsichtsbehörde als auch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben die eingetretene Präklusion zu beachten (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht2 Seite 69 und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). In seiner Rechtsprechung zu § 42 AVG hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß schriftliche Einwendungen vor Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nicht zu berücksichtigen sind, da Einwendungen im Sinne des § 42 AVG erst dann vorliegen, wenn der Verhandlungsgegenstand verbindlich festgelegt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1990, Zlen. 90/05/0027, AW 90/05/0007, und die dort angeführte Vorjudikatur). Der Gerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

In ihrer Beschwerde zitieren die Beschwerdeführer die im Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach öffentlich-rechtliche Einwendungen der Präklusion unterliegen. Daraus schließen sie, daß der Gemeinderat fälschlicherweise den Begriff der "öffentlich-rechtlichen" Einwendungen als völlig identisch mit dem Begriff des "von Amts wegen wahrzunehmenden Umstandes" betrachte. Die von Amts wegen wahrzunehmenden Umstände hätte aber die Berufungsbehörde berücksichtigen müssen. Mit diesem Vorbringen verkennen die Beschwerdeführer, daß selbst bei Vorliegen einer allfälligen objektiven Rechtswidrigkeit des Bescheides der Baubehörde erster Instanz die Berufung des Präkludierten abzuweisen ist (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 3. Dezember 1980 und die ständige Rechtsprechung seither).

Da die Beschwerdeführer nach Anberaumung der mündlichen Bauverhandlung keine Einwendungen erhoben haben, waren die in der Berufung vorgebrachten Einwände weder einer Auslegung noch der Ausübung des Ermessens zugänglich.

Da sich bereits aus dem Beschwerdevorbringen ergibt, daß die belangte Behörde durch den angefochtenen Bescheid Rechte der Beschwerdeführer nicht verletzt hat, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren abzuweisen. Damit ist auch der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.

Schlagworte

Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungsrecht und Präklusion (AVG §42 Abs1)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991050200.X00

Im RIS seit

29.10.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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