TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/29 91/05/0128

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Veröffentlicht am 29.10.1991
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Index

L37123 Benützungsabgabe Gebrauchsabgabe Niederösterreich;
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauRallg;
GebrauchsabgabeG NÖ 1973 §2 Abs5;
GebrauchsabgabeG NÖ 1973 §8 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des Dr. NN in M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. April 1991, Zl. R/1-89148, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. A in M, 2. Stadtgemeinde M), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am 17. Mai 1988 bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde eingelangten Ansuchen hat der Erstmitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung zur Aufstellung einer Vitrine in M, A-Straße X, beantragt. Über dieses Ansuchen beraumte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Ladung vom 18. Mai 1988 eine mündliche Verhandlung für den 31. Mai 1988 an, zu der auch der Beschwerdeführer als Anrainer unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurde. In der Verhandlung vom 31. Mai 1988 erklärte der Beschwerdeführer als Anrainer, daß er als Dritter in seinen Privatrechten durch die Aufstellung der Vitrine beeinträchtigt werde, "und zwar in dem Recht, selbst eine Reklame an der Brandmauer einzureichen oder ebenfalls eine Vitrine zu beantragen".

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde hat mit Bescheid vom 9. Februar 1989 dem Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung erteilt. Zur Einwendung des Beschwerdeführers wurde festgestellt, diese stelle keine öffentlich-rechtliche Einwendung dar, ein eigenes Ansuchen des Beschwerdeführers um Anbringung einer Vitrine oder Reklametafel sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei als Anrainer durch die Bewilligung zur Aufstellung einer Vitrine auf öffentlichem Grund in seinem Privatrecht berührt. Die Verdeckung seiner seitlichen Hausfassade durch die Aufstellung einer Vitrine in 10 cm Entfernung von seiner Wand würde die Eigennutzung dieser Fassade verhindern.

Mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde M vom 10. Juli 1989 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Baubewilligungsbescheid vom 9. Februar 1989 abgewiesen. Der dagegen eingebrachten Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 23. April 1991 keine Folge.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 17. Juni 1991, Zl. B 657/91-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 118 Abs. 8 Satz 1 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-6 (BO), genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG 1950, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden.

§ 118 Abs. 9 BO bestimmt, daß subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet werden, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über

1.

den Brandschutz;

2.

den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;

              3.              die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;

              4.              die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

Zunächst ist davon auszugehen, daß die Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nach der NÖ Bauordnung 1976 nur beschränkte Parteistellung besitzen, woraus sich ergibt, daß die Berufungsbehörde lediglich zu prüfen hatte, ob der Beschwerdeführer durch die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden ist (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10317/A). In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, daß die Berufungsbehörde nur in jenem Bereich eine Überprüfungsfunktion ausüben darf, in dem keine Präklusion eingetreten ist. Die eingetretene Präklusion ist sowohl von der Berufungsbehörde, der Gemeindeaufsichtsbehörde, als auch vom Verwaltungsgerichtshof zu beachten.

Der Beschwerdeführer wurde nachweislich zur mündlichen Verhandlung am 31. Mai 1988 unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen. Unabhängig von der von ihm in dieser Verhandlung gewählten Formulierung "in seinen Privatrechten beeinträchtigt" hat er mit seinen weiteren Ausführungen, er strebe selbst die Erteilung einer Baubewilligung für eine Reklametafel oder eine Vitrine an, keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte geltend gemacht. Zutreffend hat daher die Baubehörde erster Instanz diese Einwendung als privatrechtlich qualifiziert und dem Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung erteilt. Durch Abweisung der Berufung und schließlich auch der Vorstellung wurde der Beschwerdeführer somit in keinem Recht verletzt.

Angesichts der eindeutigen Formulierung der Einwendung des Beschwerdeführers im Zuge der Bauverhandlung müssen die Versuche in der ergänzten Beschwerde, dennoch die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes geltend zu machen, erfolglos bleiben.

Dem Beschwerdevorbringen, es fehle gemäß § 2 Abs. 5 in Verbindung mit § 8 Abs. 3 des Niederösterreichischen Gebrauchsabgabegesetzes die Zustimmung des Beschwerdeführers als Eigentümer der betroffenen Liegenschaft, ist entgegenzuhalten, daß die Aufstellung der Vitrine nicht auf dem Gebäude des Beschwerdeführers, sondern 10 cm davor, auf öffentlichem Grund erfolgen soll. Die Zustimmung des Eigentümers des Grundstückes Nr. nn/32, KG M, das im Eigentum der Stadtgemeinde M, öffentliches Gut, steht, liegt vor, überdies wäre selbst das Fehlen der Zustimmung des Grundeigentümers keine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes des Nachbarn (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1991, Zl. 89/06/0106).

Unverständlich ist die in der Beschwerde dargestellte Rechtsansicht über die Bewilligungspflicht von Werbeanlagen, die dazu führen würde, daß Werbeanlagen nur dann bewilligungspflichtig sind, wenn sie im Sinne des § 89 in Verbindung mit § 61 BO nicht bewilligungsfähig sind. Weshalb der Beschwerdeführer aus dieser Rechtsansicht einen Erfolg für die gegenständliche Beschwerde ableitet, bleibt unklar.

Inwieweit sich durch einen Umkehrschluß aus § 22 BO sowie aus dem Niederösterreichischen Gebrauchsabgabegesetz für den Beschwerdeführer subjektiv-öffentliche Rechte ergeben, war schon wegen der eingetretenen Präklusion nicht zu prüfen.

Da der Beschwerdeführer somit durch den angefochtenen Bescheid in keinem Recht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991050128.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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