Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 21. März 1991, Zl. 9/01-34.865/2-1991, betreffend Erteilung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer hatte nach der Aktenlage eine bis 30. November 1990 befristete Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B. In Erledigung seines Antrages vom 28. November 1990 auf "Verlängerung" wurde mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 21. März 1991 unter Bezugnahme auf § 65 Abs. 2 KFG 1967 in Verbindung mit § 69 Abs. 1 lit. b leg. cit. ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A und B bedingt geeignet sei, "diese bedingte Lenkerberechtigung" gleichzeitig "ab Erstellung des Gutachtens durch den ärztlichen Amtssachverständigen (31.1.1991) auf 5 Jahre befristet" werde und somit bis zum 31. Jänner 1996 gültig sei. Rechtzeitig vor Ablauf dieser befristeten Lenkerberechtigung sei um deren Verlängerung anzusuchen und habe "sich der Genannte zwecks Feststellung seiner weiteren geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen dieser Gruppe einer neuerlichen amtsärztlichen Kontrolluntersuchung zu unterziehen". Schließlich wurde verfügt, daß darüber hinaus beim Lenken von Kraftfahrzeugen eine entsprechende Korrekturbrille zu tragen sei und außerdem Zylindergläser in der Fassung nicht kreisrund sein dürften. Zuletzt heißt es im Spruch, daß gemäß § 71 Abs. 1 KFG 1967 die Befristung der Lenkerberechtigung in den Führerschein einzutragen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
In Erwiderung auf ein entsprechendes Beschwerdevorbringen ist zunächst klarzustellen, daß zwar der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides vom 7. Dezember 1990 auch über eine (nach der Behauptung des Beschwerdeführers in Übereinstimmung mit der Aktenlage gar nicht existierende) Lenkerberechtigung für die Gruppe C abspricht, eine derartige Lenkerberechtigung aber jedenfalls nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist. Das ergibt sich nicht nur eindeutig aus dessen Spruch, sondern auch aus seiner Begründung, in der es heißt, daß "gegen die Befristung der Lenkerberechtigung für die Kraftfahrzeuggruppe C durch die Behörde I. Instanz keine Berufung erhoben wurde und daher die Befristung 6.12.1992 wirksam bleibt". Dieser Beisatz berührt demnach nicht die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung das Gutachten eines ärztlichen Amtssachverständigen vom 31. Jänner 1991 zugrundegelegt. Demnach ergab sich beim Beschwerdeführer "das Bild eines relativ stabilen und gut eingestellten Diabetes mellitus Typ I", wobei jedoch der Sachverständige die Auffassung vertrat, daß im Hinblick darauf, daß "die Zuckerkrankheit vom Typ I im üblichen Falle eine Stoffwechselerkrankung ist, die im Lauf der Jahre mit zunehmenden Organschäden einhergeht, eine Befristung der Lenkerberechtigung zur steten Kontrolle der Verkehrsfähigkeit des Probanden sicher angezeigt ist". Er zog daher "aus den obigen Schilderungen" den Schluß, daß der Beschwerdeführer "zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A und B ... geeignet ist, wobei jedoch eine Nachuntersuchung in 3 Jahren allerhöchstens jedoch 5 Jahren unter Beibringung eines neuerlichen Verlaufsbefundes der Stoffwechselambulanz unbedingt zu fordern ist", und er hielt zusammenfassend "noch einmal" fest, daß der Beschwerdeführer "einen durchaus disziplinierten und korrekten Eindruck hinterläßt und sowohl die Untersuchungsbefunde wie der bisher stabile Verlauf der Zuckerkrankheit für eine durchaus großzügigere Handhabung der Befristung sprechen; allerdings von einer endgültigen Aufhebung der Befristung wegen der allseits bekannten Spätfolgen des Diabetes mellitus Typ I Abstand genommen werden sollte".
Das bedeutet, daß der Beschwerdeführer gemäß § 30 Abs. 1 Z. 2 lit. c KDV 1967 die für das sichere Beherrschen von Kraftfahrzeugen der Gruppen A und B und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften nötige Gesundheit besitzt und daher als zum Lenken von Kraftfahrzeugen dieser Gruppen geistig und körperlich geeignet gilt. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn hinsichtlich der Erkrankung des Beschwerdeführers von einer solchen gesprochen werden müßte, bei der es (zufolge Fehlens einer entsprechenden Medikation oder trotz einer solchen) im Sinne des § 34 Abs. 1 lit. c KDV 1967 zu unvorhersehbaren Bewußtseinsstörungen oder -trübungen kommt, was zur Folge gehabt hätte, daß dem Beschwerdeführer eine Lenkerberechtigung überhaupt nicht zu erteilen gewesen wäre (vgl. dazu das vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. November 1989, Zl. 89/11/0117). Dies ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, wenn er der belangten Behörde zum Vorwurf macht, es unterlassen zu haben, "beim Sachverständigen eine Stellungnahme darüber einzuholen, ob nun bei mir eine der im § 34 Abs. 1 lit. a - g KDV 1967 genannten Krankheitsbilder vorliegen würden bzw. ob nun meine Erkrankung unter den Tatbestand des § 34 Abs. 1 lit. a KDV 1967 oder unter den Tatbestand des § 34 Abs. 1 lit. c oder allenfalls unter den Tatbestand des § 34 Abs. 1 lit. g KDV 1967 zu subsumieren wäre". Schon aus diesem Grunde ist auch die Rüge des Beschwerdeführers, der Spruch des angefochtenen Bescheides enthalte "entgegen § 59 Abs. 1 AVG" nicht "jene Bestimmung der KDV, unter welche meine Diabeteserkrankung allenfalls zu subsumieren wäre", verfehlt. Die belangte Behörde hat hinreichend dargetan, worauf sie die von ihr verfügten Einschränkungen der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers stützt, nämlich auf § 65 Abs. 2 KFG 1967, wonach die Lenkerberechtigung, soweit dies unter anderem auf Grund des ärztlichen Gutachtens (§ 69 Abs. 1 lit. b) nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen ist, in Verbindung mit § 69 Abs. 1 lit. b leg. cit., wonach dann, wenn der zu Begutachtende eine Person ist, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei der Nachuntersuchungen erforderlich sind, das ärztliche Gutachten "bedingt geeignet" für die entsprechenden Gruppen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen hat, unter denen eine Lenkerberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem bereits genannten Erkenntnis vom 7. November 1989, Zl. 89/11/0117, dem ein ähnlich gelagerter Beschwerdefall zugrundelag, die Annahme der Notwendigkeit von Nachuntersuchungen nicht nur dann für zulässig erachtet, wenn die Möglichkeit einer relevanten Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Betreffenden auf Grund gesicherter medizinischer Kenntnisse feststeht, sondern auch dann, wenn diesbezüglich noch kein durch Erfahrungen gesicherter medizinischer Wissensstand vorliegt. Zur Aufhebung des damals angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kam es aber deshalb, weil das Gutachten keine Ausführungen darüber enthielt, daß und weshalb eine relevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers nicht ausgeschlossen werden kann und daher eine Nachuntersuchung erforderlich ist, und nicht ausgeschlossen werden konnte, das nach gesichertem medizinischem Wissensstand bei dem beim Beschwerdeführer bestehenden Zustand das Vorliegen der "nötigen Gesundheit" zeitlich unbegrenzt anzunehmen ist. Davon unterscheidet sich zwar der vorliegende Beschwerdefall dadurch, daß die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen und damit der Befristung - wie dem bereits wiedergegebenen wesentlichen Teil des Gutachtens zu entnehmen ist - mit dem Vorliegen einer Stoffwechselerkrankung, "die im Lauf der Jahre mit zunehmenden Organschäden einhergeht", und deshalb mit den "allseits bekannten Spätfolgen des Diabetes mellitus Typ I" begründet wurde. Das Gutachten ist aber insofern nicht schlüssig, als insbesondere - abgesehen von einer fehlenden Begründung hinsichtlich des Zeitpunktes ihres zu erwartenden Auftretens anhand des bisherigen Kranheitsverlaufes, das eine Nachuntersuchung in "allerhöchstens 5 Jahren" erforderlich macht - nicht hervorgeht, um welche "Organschäden" bzw. "Spätfolgen" es sich dabei konkret handelt und welche Auswirkungen auf das verkehrsrelevante Verhalten des Beschwerdeführers bei ihrem Vorliegen damit verbunden sein könnten. Es wäre - worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist - an der belangten Behörde gelegen gewesen, von Amts wegen auf eine Ergänzung des ärztlichen Gutachtens in der aufgezeigten Richtung zu dringen. Dadurch, das sie dies unterließ, blieb der maßgebende Sachverhalt, was die Befristung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers anlangt, in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig.
Hinsichtlich der dem Beschwerdeführer zusätzlich erteilten Auflagen, beim Lenken von Kraftfahrzeugen "eine entsprechende Korrekturbrille zu tragen", wobei "außerdem Zylindergläser in der Fassung nicht kreisrund sein dürfen", läßt der angefochtene Bescheid jegliche Begründung vermissen. Im Gutachten vom 31. Jänner 1991 - das im übrigen keine Aussage über eine (beginnende) diabetesbedingte Netzhauterkrankung (Retinopathia diabetica) des Beschwerdeführers enthält - findet sich insbesondere kein Anhaltspunkt für eine mangelhafte Sehschärfe des Beschwerdeführers im Sinne des § 35 Abs. 1 lit. i in Verbindung mit § 35 Abs. 5 KDV 1967, die einer Korrektur nach Abs. 6 dieses Paragraphen bedarf, sondern ergibt sich - wie der Beschwerdeführer mit Recht bemerkt - aus dem erstellten Befund im Gegenteil ein "Visus ohne Korrektur" bei beiden Augen von "jeweils 6/6". Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift "bezüglich des Sehgebrechens" betont, "daß beim Genannten laut fachärztlichem Befund vom 20.11.1990 ein geringgradiger myoper Astigmatismus vorliegt, wobei der Visus mit Korrektur erst erreicht wird", so ist ihr entgegenzuhalten, daß das amtsärztliche Gutachten vom 6. Dezember 1990, das sich auch auf diesen ärztlichen Befund stützte, in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht als Entscheidungsgrundlage herangezogen wurde, wobei dahingestellt bleiben kann, ob bzw. inwieweit es diesbezüglich dem Gutachten vom 31. Jänner 1991 widersprechen und die Vorschreibung dieser Auflagen rechtfertigen würde.
Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein Ersatz des Schriftsatzaufwandes lediglich für den Aufwand, der mit der Einbringung der Beschwerde verbunden war, vorgesehen ist und an Eingabengebühren für die Beschwerde in dreifacher Ausfertigung insgesamt nur S 360,-- zu entrichten waren.
Schlagworte
Anforderung an ein Gutachten Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Gutachten Beweiswürdigung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991110048.X00Im RIS seit
12.06.2001