TE Vfgh Beschluss 1989/2/28 B894/87

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Veröffentlicht am 28.02.1989
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb

Leitsatz

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gegen den Beschwerdeführer nicht erwiesen - Fehlen eines geeigneten Beschwerdegegenstandes

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund zu Handen der Finanzprokuratur die mit S 30.000,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Begründung:

I. 1.a) In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird vorgebracht, der Beschwerdeführer sei am 15. Juli 1987 in Ausübung seines Berufes als Journalist "mit einem Testwagen" unterwegs gewesen. Auf der Kreuzung Penzinger Straße/Nisselgasse in Wien 14. habe er einen dort dienstversehenden Polizeibeamten gefragt, wie er am schnellsten zur Hietzinger Hauptstraße komme. Der Sicherheitswachebeamte habe darauf erwidert, daß ihn das nichts angehe. Über dieses Verhalten sei der Beschwerdeführer entsetzt gewesen und habe die Bekanntgabe der Dienstnummer des Beamten verlangt, was der Beamte verweigert habe. Der Beschwerdeführer sei darauf einige Meter weitergefahren, habe seinen PKW ordnungsgemäß abgestellt und den Beamten fotografiert. Der Beamte sei darüber offenbar so erbost gewesen, daß er versucht habe, dem Beschwerdeführer den Fotoapparat aus der Hand zu reißen und habe mit den Worten "Fotografieren könnenS' mi net" den Film verlangt, den er offenbar vernichten wollte.

Nach einem Wortwechsel mit dem Beschwerdeführer habe der Sicherheitswachebeamte ohne jegliche Ankündigung bzw. Abmahnung und ohne richterlichen Haftbefehl sowie ohne Vorliegen der Voraussetzungen des §35 VStG die Festnahme ausgesprochen, welche ca. 10 bis 15 Minuten gedauert habe. Der Beamte habe die Generalien des Beschwerdeführers aufgenommen und mit einer Anzeige gedroht. Hierauf sei der Beschwerdeführer ohne weitere Formalität wieder freigelassen und "einfach weggeschickt" worden.

b) Der Beschwerdeführer erachtet sich durch seine Festnahme und Anhaltung sowie den "faktischen Versuch" des Beamten, ihm den Fotoapparat zu entreißen, in - näher bezeichneten - verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt und beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle die behaupteten Rechtsverletzungen feststellen, in eventu die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abtreten.

2. Die belangte Bundespolizeidirektion Wien hat in einer Gegenschrift die Zurückweisung der Beschwerde beantragt und im wesentlichen folgende Darstellung des Sachverhaltes gegeben:

Am 15. Juli 1987 um etwa 16.20 Uhr sei der Sicherheitswachebeamte R F mit der Überwachung des Verkehrs im Bereich der Kreuzung Penzinger Straße/Nisselgasse beauftragt gewesen. Ein Autofahrer (der Beschwerdeführer) habe den Beamten aufgefordert, ihm zu erklären, wie er angesichts der Umleitungen "endlich nach Hietzing komme". Da der Beschwerdeführer seine Aufforderung in einer Art geäußert habe, welche seine Erregung habe deutlich werden lassen, habe der Beamte ihn zu beruhigen versucht. Dies sei aber nicht gelungen. Nach einem weiteren - des näheren dargestellten - Wortwechsel habe Inspektor F dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß er ihn wegen ungestümen Benehmens anzeigen werde. Darüberhinaus habe der Beamte den Beschwerdeführer abgemahnt und ihm für den Fall, daß er sein Verhalten nicht einstelle und mit seinem Kraftfahrzeug nicht weiterfahre, die Festnahme in Aussicht gestellt. Daraufhin habe der Beschwerdeführer sein Verhalten eingestellt und sei mit seinem Kraftfahrzeug weitergefahren. Er habe allerdings noch in Sichtweite des Beamten das Fahrzeug wieder angehalten und sei mit einem Fotoapparat ausgestiegen. Schon aus größerer Entfernung habe er dem Beamten zugerufen, daß dieser noch schauen werde, welche Schlagzeile das in der Zeitung werde. Wenige Meter vor dem Sicherheitswachebeamten habe der Beschwerdeführer den Fotoapparat vor das Gesicht gehalten und den Auslöser gedrückt. Inspektor F sei über dieses Verhalten des Beschwerdeführers verwundert gewesen und habe sich darüber geärgert, weshalb der Beamte "quasi in Abwehrhaltung" seinen rechten Arm ausgestreckt habe, wobei er auch verbal sein Mißfallen über das Verhalten des Beschwerdeführers zum Ausdruck gebracht habe. Der Polizeibeamte habe allerdings keine Handlung gesetzt, welche darauf gerichtet gewesen sei, sich gewaltsam in den Besitz des Fotoapparates oder des Filmes zu setzen. Er habe den Beschwerdeführer lediglich aufgefordert, ihm den Führerschein zwecks Feststellung der Personalien zu übergeben. Der Beschwerdeführer sei dieser Aufforderung unverzüglich nachgekommen. Nach Feststellung der Personaldaten habe Inspektor F dem Beschwerdeführer den Führerschein zurückgegeben. Der Beschwerdeführer habe sich daraufhin entfernt und seine Fahrt fortgesetzt. Eine Festnahme des Beschwerdeführers sei nicht erfolgt. Der Beamte habe gegen den Beschwerdeführer überhaupt keine Befehls- oder Zwangsgewalt ausgeübt.

II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat Beweis erhoben durch die Einvernahme des Rev.Insp. R F als Zeuge sowie des Beschwerdeführers als Partei im Rechtshilfeweg.

a) Der Zeuge hat hiebei im wesentlichen jenen Ablauf des Geschehens wiedergegeben, wie er in der Gegenschrift der belangten Behörde dargestellt worden ist. Er hat hiebei insbesondere darauf hingewiesen, er habe den Beschwerdeführer schließlich wegen dessen ungestümen Benehmens abgemahnt. Da der Beschwerdeführer nach der Abmahnung sich in keiner Weise beruhigt habe, sei er von der Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt und ihm die Festnahme angedroht worden. Daraufhin sei der Beschwerdeführer in sein Auto eingestiegen und stadtauswärts weitergefahren. Er sei aber dann auf der anderen Straßenseite mit einem Fotoapparat in der Hand zum Zeugen zurückgekommen und habe Anstalten zum Fotografieren getroffen. Er (F) sei daraufhin auf den Beschwerdeführer zugegangen und habe ihm gesagt, es sei ihm nicht recht, wenn er fotografiert werde. Er habe einen Ausweis vom Beschwerdeführer verlangt, sich die Daten aufgeschrieben und den Beschwerdeführer nochmals von der Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt. Eine Festnahme des Beschwerdeführers sei nicht erfolgt. Die Festnahme sei dem Beschwerdeführer vorher nur für den Fall angedroht worden, daß er sein Verhalten fortsetzt. Er (der Zeuge) habe den Beschwerdeführer nicht "berührt oder angegriffen" oder sonst eine Aktion gesetzt, woraus der Beschwerdeführer irrtümlich hätte schließen können, daß er festgenommen wird. Als der Beschwerdeführer ihn habe fotografieren wollen, sei er zwar energisch auf den Beschwerdeführer zugegangen, "angegriffen" habe er ihn aber nicht, er habe ihn nicht berührt. Er habe dem Beschwerdeführer auch nicht den Fotoapparat wegnehmen wollen. Am Fotografieren habe er den Beschwerdeführer nur durch abwehrende Handbewegungen zu behindern versucht, indem er (der Zeuge) beide Hände vor sich in die Höhe gehoben habe. Sonstige Aktionen zur Behinderung des Fotografierens habe er nicht gesetzt.

b) Der Beschwerdeführer wiederholte bei seiner Parteienaussage im wesentlichen das Beschwerdevorbringen. Er hob insbesondere hervor, der Polizeibeamte sei, als er bemerkt habe, daß er (der Beschwerdeführer) ihn fotografiere, auf den Beschwerdeführer zugekommen, habe geschrien und wild gestikuliert. Der Beamte habe gerufen, daß er sich verbiete, hier fotografiert zu werden, er habe dann den Beschwerdeführer gepackt und ihm die Kamera entreißen wollen. Der Beschwerdeführer sei passiv geblieben, habe jedoch die Kamera nicht ausgelassen. Dann habe der Beamte die Festnahme ausgesprochen, indem er gesagt habe: "Ich nehme Sie fest". Der Polizeibeamte habe ihn dabei bei der Hand genommen. Nach etwa 10 bis 15 Minuten habe der Beamte den Beschwerdeführer, nachdem er sich dessen Generalien notiert habe, erklärt, er könne gehen.

2. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich in Prüfung und Wägung dieser Ergebnisse des durchgeführten Beweisverfahrens außerstande, den Schilderungen des Beschwerdeführers, der Polizeibeamte F habe gegen den Beschwerdeführer, sei es in Form einer Festnahme, sei es in Form des Handanlegens zwecks Wegnahme des Fotoapparates, unmittelbare Befehls- oder Zwangsgewalt ausgeübt, zu folgen und das diesbezügliche Beschwerdevorbringen als erwiesen anzunehmen. Es steht hier Aussage gegen Aussage: Auf der einen Seite die Parteiaussage des Beschwerdeführers, auf der anderen Seite die Angaben des Polizeibeamten, der die in Beschwerde gezogene Festnahme und Handanlegung strikt in Abrede stellt. Auch das vom Beschwerdeführer vorgelegte Foto ergibt keinen Nachweis für die Beschwerdebehauptungen, weil es (lediglich) den mit ausgestrecktem rechten Arm auf den Beschwerdeführer zugehenden Beamten zeigt. Daraus läßt sich aber (noch) nicht ableiten, daß die Darstellung des Polizeibeamten, er sei auf den Beschwerdeführer zugegangen und habe diesen durch abwehrende Handbewegungen am Fotografieren zu behindern versucht, unrichtig wäre.

3. Da demgemäß die behaupteten Zwangsakte nicht erwiesen sind, fehlt es an einem geeigneten Beschwerdegegenstand.

Die Beschwerde ist daher gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Bei diesem Ergebnis ist der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abzuweisen, ohne daß darauf eingegangen zu werden braucht, ob die Voraussetzungen für eine Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof dann vorgelegen wären, wenn der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde nicht zurück-, sondern abgewiesen hätte (vgl. zB VfSlg. 8076/1977).

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG.

Schlagworte

VfGH / Zuständigkeit, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:B894.1987

Dokumentnummer

JFT_10109772_87B00894_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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