Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des Landesarbeitsamtes Wien gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 28. Juni 1991, Zl. MA 62-III/360/90/Str, betreffend Einstellung eines Strafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Mag. Andrea B in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte der Magistrat der Stadt Wien mit Straferkenntnis vom 16. Oktober 1989 die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligte Partei schuldig erkannt, sie hätte es im Sinne des § 9 VStG als Geschäftsführer der S Gesellschaft m.b.H. zu verantworten, daß die genannte juristische Person mit Sitz in W, als Arbeitgeber auf der Baustelle R, am 12. Juni 1989 sieben namentlich genannte polnische Staatsbürger, für die weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei, bei Innenausbauarbeiten beschäftigt hätte. Die mitbeteiligte Partei hätte hiedurch § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (BGBl. Nr. 218/1975 idF des BGBl. Nr. 231/1988, AuslBG) verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung war über die mitbeteiligte Partei eine Geldstrafe in der Höhe von 70.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe sieben Tage) verhängt worden.
Der Landeshauptmann von Wien als Strafbehörde zweiter Instanz gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 28. Juni 1991 der Berufung der mitbeteiligten Partei, in der sie die Annahme einer Beschäftigung - mit Ausnahme des Pawel K - der genannten Ausländer durch sie oder die Firma B Gesellschaft m.b.H. als unrichtig qualifizierte, Folge, behob das angefochtene Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG und stellte das Verfahren unter Berufung auf § 45 Abs. 1 lit. b VStG ein. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis sei der mitbeteiligten Partei zur Last gelegt worden, sie hätte als Geschäftsführer der S Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in W, iSd § 9 VStG zu verantworten, daß diese am 12. Juni 1989 sieben namentlich genannte polnische Staatsangehörige, für die weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei, in R, bei Innenausbauarbeiten beschäftigt hätte. Eine Anfrage beim Magistratischen Bezirksamt für den 17. Bezirk am 28. Juni 1991 habe ergeben, daß weder im Handelsregister Wien noch im Gewerberegister des Magistratischen Bezirksamtes für den
17. Bezirk eine Firma S Gesellschaft m.b.H. aufscheine. An der in der Anzeige angegebenen Adresse W 7, scheine lediglich eine
B Gesellschaft m.b.H. auf. Im Hinblick darauf, daß die Existenz einer S Gesellschaft m.b.H. nicht festgestellt werden habe können und es demnach auch keine Angaben über deren Vertretungsorgane gebe, könne daher der mitbeteiligten Partei die gegenständliche Verwaltungsübertretung nicht angelastet werden. Es sei daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und die Verfahrenseinstellung gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG zu verfügen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf § 28a AuslBG gestützte Beschwerde des Landesarbeitsamtes Wien (beschwerdeführende Partei) an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben zur Beschwerde Gegenschriften mit dem Antrag erstattet, dieselbe als unbegründet abzuweisen.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof trägt die beschwerdeführende Partei unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, die von der belangten Behörde gezogene Schlußfolgerung sei im Hinblick auf den Berufungsschriftsatz und den gesamten Verlauf des Verfahrens unverständlich. In ihrer Berufung bestreite die mitbeteiligte Partei nicht, Geschäftsführerin der
B Gesellschaft m.b.H. zu sein, sondern lediglich, die sieben genannten polnischen Staatsbürger beschäftigt zu haben. Bei den Akten des Verwaltungsverfahrens befinde sich ein an das Magistratische Bezirksamt adressiertes Schriftstück vom 9. April 1990, welches die Aufschrift "S" trage und mit der Firmenstampiglie "S B.R. GesmbH W" unterzeichnet sei. Im Ermittlungsverfahren hätte nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei die belangte Behörde durch Befragen der mitbeteiligten Partei bzw. eines informierten Vertreters der
B Gesellschaft m.b.H. feststellen können, daß es sich bei der Firma S GesmbH und der Firma B Gesellschaft m.b.H. bei gleicher Adresse um ein und dieselbe Firma handle, insbesondere auch deswegen, weil dies von der mitbeteiligten Partei niemals bestritten worden sei.
Die Beschwerde ist begründet.
Der angefochtene Bescheid fußt auf § 45 Abs. 1 lit. b VStG. Darnach hat die Behörde (Berufungsbehörde, vgl. VwSlg. 7238/A) von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.
Aus der konditionalen Verknüpfung von Tatbestand und Rechtsfolge mittels der Konjunktion "wenn" im Zusammenhang mit dem verbum legale "nicht begangen hat", folgt, daß der Gesetzgeber die Einstellung eines Strafverfahrens von der Voraussetzung abhängig macht, daß nach ordentlicher Ermittlung des Sachverhaltes feststeht, daß der Beschuldigte die Tat nicht verübt hat.
Für die Einhaltung der Vorschriften des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, deren Übertretung der mitbeteiligten Partei angelastet wird, ist nach den Bestimmungen dieses Gesetzes der Arbeitgeber und nur dieser haftbar (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1990, Zl. 90/09/0141, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen ist gemäß § 9 Abs. 1 VStG, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Nach dem Abs. 4 dieser Gesetzesstelle kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.
Gemäß § 25 Abs. 1 VStG sind Verwaltungsübertretungen mit Ausnahme der Fälle des § 56 von Amts wegen zu verfolgen.
Im Grunde des § 24 VStG iVm den §§ 37 und 66 AVG hatte die belangte Behörde die Pflicht, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen und unter Berücksichtigung der der Entlastung der mitbeteiligten Partei dienenden in gleicher Weise wie der belastenden Umstände (vgl. § 25 Abs. 2 VStG) soweit klarzustellen, daß der eindeutige Nachweis, die mitbeteiligte Partei habe die ihr zur Last gelegte Tat nicht begangen, erbracht wird. Es muß also nach dem gesamten Akteninhalt bei durchgeführter Tatbewertung die Verurteilung der mitbeteiligten Partei ausgeschlossen sein.
Dies trifft im Beschwerdefalle nicht zu.
Zu Recht bezeichnet die beschwerdeführende Partei die Annahme der belangten Behörde, der mitbeteiligten Partei könne die gegenständliche Verwaltungsübertretung deshalb nicht angelastet werden, weil die Existenz einer "S
Gesellschaft m.b.H." nicht festgestellt werden konnte, als verfehlt.
Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens hat die mitbeteiligte Partei in den beiden Berufungsschriftsätzen vom 28. Dezember 1989 und vom 3. Juli 1990 darauf hingewiesen, daß ihr als Geschäftsführer der B Gesellschaft m.b.H. die streitverfangene Verwaltungsübertretung zur Last gelegt werde.
Bei diesem Vorbringen drängt sich bei vernünftiger Überlegung die Frage, wer tatsächlich als Arbeitgeber der sieben polnischen Staatsbürger in Frage kommen könnte, geradezu auf. Es wäre daher nahe gelegen, die mitbeteiligte Partei anläßlich ihrer am 15. Mai 1991 erfolgten Vernehmung als Beschuldigte darüber zu befragen, für welche juristische Person sie die strafrechtliche Verantwortlichkeit trägt und gegebenenfalls die Frage zu prüfen, ob nicht bloß eine fehlerhafte Benennung des Arbeitgebers, über dessen Identität aber kein Zweifel besteht, vorliegt, die aber von der Berufungsbehörde im Rahmen ihrer Entscheidungsbefugnis nach § 66 Abs. 4 AVG hätte richtiggestellt werden können.
Jedenfalls ermächtigt die Bestimmung des § 45 Abs. 1 lit. b VStG die Verwaltungsstrafbehörden nicht, die Einstellung eines Strafverfahrens wegen der Schwierigkeiten der richtigen Bezeichnung jener (juristischen) Person, die als Arbeitgeber in Betracht kommt, zu verfügen.
Die Begründung des angefochtenen Bescheides beruht daher auf einer irrigen Rechtsansicht, weshalb der Bescheid im Grunde des § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes der Aufhebung verfallen mußte.
Schlagworte
Verhältnis zu anderen Materien Normen VStGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991090131.X00Im RIS seit
27.11.2000