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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art140 Abs7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des Peter H in N, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des geschäftsführenden Ausschusses des Milchwirtschaftsfonds vom 29. Juni 1987, Zl. Ia/3316/Öhl/r., betreffend Neulieferantensonderregelung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach den mit dem Akteninhalt übereinstimmenden Beschwerdebehauptungen ist die Ehegattin des Beschwerdeführers Eigentümerin des sogenannten "X-Hofes" in N.
Nach einer in den Verwaltungsakten erliegenden Stellungnahme der Bezirkslandwirtschaftskammer Landeck vom 13. Oktober 1986 habe der Beschwerdeführer 1980 in diesen Hof eingeheiratet, welcher bis dahin "sehr veraltet" und großteils baufällig gewesen sei. 1982 sei mit den dringend notwendigen Baumaßnahmen begonnen und es sei inzwischen das Wohnhaus sowie das Wirtschaftsgebäude errichtet worden.
Am 4. August 1986 richtete der Beschwerdeführer gemäß "§ 57 g MOG 1967" an den zuständigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb die schriftliche Erklärung, daß die Aufnahme der Milchlieferung beabsichtigt sei. Der Beschwerdeführer besitze für den gegenständlichen Betrieb bisher keine Einzelrichtmenge.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab der geschäftsführende Ausschuß des Milchwirtschaftsfonds dem Antrag des Beschwerdeführers vom 4. August 1986, "im Wege der Neulieferantensonderregelung eine Einzelrichtmenge von höchstens 60.000 kg zu erlangen, gemäß Art. III Abs. 6 der ersten MOG-Novelle 1986, BGBl. Nr. 183/1986", keine Folge. In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, dem Landwirtschaftsbetrieb an der Adresse N stehe keine Einzelrichtmenge zu; der Antrag des Beschwerdeführers sei somit gemäß den Ziffern 2 und 3 des Art. III Abs. 6 der (ersten) MOG-Novelle 1986 zu behandeln. Die für das Verfahren zur Erteilung von Einzelrichtmengen vorgesehene Regionalkommission habe bei einer Überprüfung am 7. Oktober 1986 an Ort und Stelle festgestellt, daß die Bedingungen der zuletzt genannten Gesetzesstelle nicht erfüllt würden. Insbesondere seien in der Zeit zwischen dem 31. Dezember 1983 und dem 30. Juni 1985 keine ausschließlich der Milcherzeugung dienenden Investitionen im Ausmaß von "mehr als mindestens" S 500.000,-- vorgenommen worden. Die geltend gemachten Investitionen seien im Jahr 1986 getätigt worden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der jedoch mit Beschluß vom 26. Februar 1988, B 846/87-4, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erachtet sich der Beschwerdeführer nach dem gesamten Inhalt seines Vorbringens in seinem Recht auf Erlangung einer Einzelrichtmenge nach der genannten Gesetzesstelle verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid "wegen Rechtswidrigkeit" (offenbar gemeint: wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften) aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Mit Beschluß vom 21. Dezember 1990, A 139/90, hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, gewisse Bestimmungen der Marktordnungsgesetz-Novellen BGBl. Nr. 291/1985, 183/1986 und 138/1987 als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit Erkenntnis vom 8. März 1991, G 227-231/90-9 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles unter anderem ausgesprochen, daß Art. II Z. 18 sowie Art. III Abs. 6, jeweils des Abschnittes I des Bundesgesetzes vom 20. März 1986 über Änderungen des Marktordnungsgesetzes 1985 (Marktordnungsgesetz-Novelle 1986) und des Bundesfinanzgesetzes 1986, BGBl. Nr. 183, verfassungswidrig waren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 75 Abs. 1 MOG 1985, BGBl. Nr. 210, konnten landwirtschaftliche Betriebe, "auf" denen Milchkühe gehalten wurden und denen keine Einzelrichtmenge zustand, unter gewissen Voraussetzungen eine Einzelrichtmenge erlangen. Diese Möglichkeit wurde durch die Marktordnungsgesetz-Novelle 1985, BGBl. Nr. 291, grundsätzlich abgeschafft. Nach § 75 Abs. 1 MOG idF Art. II Z. 6 dieser Novelle konnte der geschäftsführende Ausschuß des Milchwirtschaftsfonds Einzelrichtmengen im Gesamtausmaß von höchstens 20 vH des mit Beginn eines Wirtschaftsjahres nicht durch Einzelrichtmengen gebundenen Anteils der jeweiligen Gesamtrichtmenge nur mehr an
1. Milchkühe haltende landwirtschaftliche Betriebe, denen keine Einzelrichtmenge zustand und die in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung selbständig und getrennt von anderen landwirtschaftlichen Betrieben bewirtschaftet worden waren, und
2. milcherzeugende Betriebe, deren Wirtschaftsgebäude im Zuge eines Zusammenlegungsverfahrens oder Verfahrens nach einem landwirtschaftlichen Siedlungsgesetz aus wirtschaftlich ungünstiger Orts- oder Hoflage verlegt worden waren, zuerkennen. Die zuzuerkennende Einzelrichtmenge durfte höchstens 40.000 kg betragen.
Nach Art. IV Abs. 2 dieser Novelle war § 75 idF vor der Novelle auf näher genannte Betriebe unter bestimmten Voraussetzungen weiter anzuwenden.
Durch Art. II Z. 18 des Abschnittes I der Marktordnungsgesetz-Novelle 1986, BGBl. Nr. 183, wurde § 75 MOG abermals neu gefaßt. Hiebei wurde die - bereits in Art. III der Novelle 1985 - vorgesehene Möglichkeit, daß der Milchwirtschaftsfonds Einzelrichtmengen von den Berechtigten gegen Entgelt erwirbt, in das Marktordnungsgesetz eingebaut. Die während eines Wirtschaftsjahres übernommenen Einzelrichtmengen waren nach Abs. 8 des § 75 MOG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 183/1986 in einem bestimmten Ausmaß ("handelbare Menge") an Betriebe, auf die die Voraussetzungen nach Abs. 7 zutrafen, zu verteilen. Nach Abs. 7 dieser Gesetzesstelle konnten Verfügungsberechtigte über landwirtschaftliche Betriebe, denen keine oder eine - gemessen an der Futterbasis - zu geringe Einzelrichtmenge zustand, unter gewissen weiteren Voraussetzungen vom Fonds für ihren Betrieb eine Einzelrichtmenge (oder Anteile einer Einzelrichtmenge) zuerkannt bekommen.
Gemäß Art. III Abs. 6 des Abschnittes I der Novelle 1986 war, sofern dem Milchwirtschaftsfonds glaubhaft gemacht wurde, daß in der Zeit zwischen der Einstellung der Milchlieferung, Erwerb oder Neuerrichtung des Betriebes, Investitionen gemäß Z. 3 oder Einleitung eines Zusammenlegungs- oder Siedlungsverfahrens und dem 30. Juni 1985 ausschließlich der Milcherzeugung dienende Investionen von mehr als 500 000 S getätigt wurden, § 75 in der Fassung des Marktordnungsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 210 (weiterhin) mit der Maßgabe anzuwenden, daß folgende Betriebe abweichend von § 75 Abs. 3 erster Satz in der genannten Fassung eine Einzelrichtmenge von höchstens 60.000 kg erlangen können:
...
2. Betriebe, die der am 1. Juli 1985 Verfügungsberechtigte zwischen dem 31. Dezember 1983 und dem 30. Juni 1985 ohne Einzelrichtmenge erworben oder neu errichtet hat, sofern die Lieferung von Milch und Erzeugnissen aus Milch unter Beachtung der Wartefrist des § 75 Abs. 4 in der genannten Fassung vor dem 1. Juli 1988 wieder aufgenommen wurde;
3. sonstige Betriebe ohne Einzelrichtmenge, wenn der Verfügungsberechtigte zwischen dem 31. Dezember 1983 und dem 30. Juni 1985 Investitionen zur Aufnahme der Milcherzeugung getätigt hatte, sofern die Lieferung von Milch und Erzeugnissen aus Milch unter Beachtung der Wartefrist des § 75 Abs. 4 in der genannten Fassung vor dem 1. Juli 1988 aufgenommen wurde;
...
Durch Art. V der Marktordnungsgesetz-Novelle 1988, BGBl. Nr. 330 wurde schließlich bestimmt, daß § 75 in der Fassung des Marktordnungsgesetzes 1985, in der Fassung des Art. IV Abs. 2 der Marktordnungsgesetz-Novelle 1985, BGBl. Nr. 291, und des Art. III Abs. 6 der Marktordnungsgesetz-Novelle 1986, BGBl. Nr. 183, auf landwirtschaftliche Betriebe, sofern die Lieferung von Milch und Erzeugnissen aus Milch vor dem 1. Juli 1988 wieder aufgenommen wurde, bis 1. Juli 1990 weiter anzuwenden war.
Die mit dem oben genannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes verfügte Aufhebung auch der zuletzt genannten Gesetzesstelle ist für den vorliegenden Beschwerdefall ohne Bedeutung, weil sie für ihn nicht präjudiziell und daher auch von der Anfechtung nicht umfaßt war. Im übrigen ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides so vorzugehen, als ob bei dessen Erlassung die mit dem obigen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes auf Grund des in vorliegender Rechtssache gestellten Antrages des Verwaltungsgerichtshofes für verfassungswidrig erkannten Bestimmungen nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätten (vgl. die Erkenntnisse vom 5. April 1991, Zlen. 90/17/0011, 90/17/0012, und vom selben Tage, Zlen. 90/17/0031-0034). Daher konnte die Begünstigungsvorschrift des Art. III Abs. 6 der Marktordnungsgesetz-Novelle 1986 dem Beschwerdeführer rechtens nicht zugute kommen. Der Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, schließt es aber auch aus, daß anstelle der durch das mehrfach genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes im Sinne des Art. 140 Abs. 4 BVG als verfassungswidrig festgestellten Bestimmung des § 75 MOG 1985 idF. der Novelle BGBl. Nr. 183/1986 etwa eine frühere Fassung dieser Gesetzesstelle - so etwa nach der Marktordnungsgesetz-Novelle 1985, BGBl. Nr. 291, oder nach dem MOG 1985 selbst - im Beschwerdefall Anwendung finden könnte.
Im Ergebnis erweist sich daher der angefochtene Bescheid, der den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung einer Einzelrichtmenge abwies, als nicht rechtswidrig.
Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden, ohne daß auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Gegenseitige Beziehung: VwGH - VfGH Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage RechtsquellenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1988170071.X00Im RIS seit
11.07.2001