Index
Dienstrecht - DisziplinarrechtNorm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden
Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Griesmacher,
Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der
Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des Mag. R in W,
vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid
der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres
vom 5. November 1990, Zl. 371/1-DK/1/90, betreffend Einleitung
eines Disziplinarverfahrens nach § 123 Abs. 1 BDG 1979, zu
Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines
Spruchteiles 1, soweit in diesem die Nichteinhaltung der Ö-NORM
A 2050 bei der im Juni 1986 erfolgten mündlichen Vereinbarung
mit der Fa. G vorgeworfen wird (erster Tatvorwurf), sowie des
Spruchteiles 2 und 3 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes,
hinsichtlich des Spruchteiles 5 wegen Rechtswidrigkeit infolge
Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe
von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu
ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Ministerialrat in einem
öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine
Dienststelle ist das Bundesministerium für Inneres. In der Zeit
vom 1. Juli 1985 bis einschließlich 31. Juli 1990 leitete der
Beschwerdeführer die für Flüchtlingsbetreuung zuständige
Abteilung III/14 (frühere Bezeichnung: Abteilung IV/5).
Auf Grund des sogenannten "Rohberichtes" des Rechnungshofes
- Bericht des Rechnungshofes vom 4. Mai 1990 über das Ergebnis
der Gebarungsprüfung beim Bundesministerium für Inneres
betreffend das Flüchtlingswesen (Flüchtlingsbetreuung) (im
folgenden Rechnungshofbericht genannt) - der beim
Bundesminister für Inneres am 11. Mai 1990 eingelangt war und
zu dem das Bundesministerium für Inneres mit Schreiben vom
22. Mai 1990 gegenüber dem Rechnunghof eine umfassende
Stellungnahme abgegeben hatte, hielt die Dienstbehörde mit
Schreiben vom 5. Oktober 1990 dem Beschwerdeführer jene Punkte
des Rechnungshofberichtes vor (Punkte 31, 33, 39, 83 und 89),
aus denen sich nach näher begründeter Auffassung der
Dienstbehörde der Verdacht der Begehung von
Dienstpflichtverletzungen ergeben habe, lud den
Beschwerdeführer ein, hiezu innerhalb einer bestimmten Frist
Stellung zu nehmen und kündigte für den Fall des
Eingeständnisses der vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen
ihre Absicht an, nach § 131 BDG 1979 eine Disziplinarverfügung
zu erlassen.
Dazu nahm der Beschwerdeführer mit Schreiben vom
11. Oktober 1990 Stellung, in der er im wesentlichen die
Ansicht vertrat, er habe während seiner Tätigkeit als Leiter
der Abteilung IV/5 (nachmals III/14) die ihm übertragenen
Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen besorgt. Nach einem
Aktenvermerk vom 15. Oktober 1990 bedeutet dieses Schreiben
nach Mitteilung des Beschwerdeführers, daß er die ihm
angelasteten Dienstpflichtverletzungen nicht eingestehe.
Hierauf erstattete die Dienstbehörde mit Schreiben vom
16. Oktober 1990 gemäß § 110 Abs. 1 BDG 1979 Disziplinaranzeige
gegen den Beschwerdeführer an die belangte Behörde. Die
Disziplinaranzeige deckt sich inhaltlich mit dem Vorhalt vom
5. Oktober 1990; sie wurde nach der Aktenlage dem
Beschwerdeführer gemäß § 109 Abs. 3 BDG 1979 durch Hinterlegung
am 23. Oktober 1990 zugestellt.
Nach dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom
5. November 1990 (dem Beschwerdeführer zugestellt am
7. November 1990) beschloß die belangte Behörde in ihrer
Sitzung vom 31. Oktober 1990 gegen den Beschwerdeführer gemäß
§ 123 Abs. 1 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren wegen des
Verdachtes einzuleiten, er habe
"1. im Juni 1986 mit der Firma G mündlich vereinbart, den
Preis des Mittagessens von S 42,35 auf S 49,50 und den des
Abendessens von S 30,25 auf S 33,-- zu erhöhen und im
Jahr 1988 neuerlich eine Preiserhöhung des Mittagessens auf
S 52,80 mündlich vereinbart, wobei die Bestimmungen der
Ö-Norm A 2050 hinsichtlich der Vergabe von Leistungen in
beiden Fällen nicht eingehalten wurden, somit möglicher-
weise dem Bund einen Vermögensnachteil von S 250.000,--
verursacht und dadurch gegen Ihre Dienstpflichten gemäß
§ 43 Abs. 1 BDG 1979, nämlich Ihre dienstlichen Aufgaben
unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu,
gewissenhaft und unparteiisch mit den Ihnen zur Verfügung
stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen, sowie gegen Ihre
Dienstpflicht gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979, nämlich Weisungen
zu befolgen, schuldhaft verstoßen,
2. wiederholte Male wissentlich die freihändige und mündliche
Auftragsvergabe von Transportleistungen entgegen den
Bestimmungen der Ö-Norm A 2050 hinsichtlich der Vergabe von
Leistungen durch Bedienstete der Abteilung IV/5 toleriert,
und somit gegen Ihre Verpflichtungen gemäß § 43 Abs. 1
BDG 1979, nämlich Ihre dienstlichen Aufgaben unter
Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft
und unparteiisch mit den Ihnen zur Verfügung stehenden
Mitteln aus eigenem zu besorgen, sowie § 45 Abs. 1
BDG 1979, nämlich als Vorgesetzter darauf zu achten, daß
Ihre Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und
in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise
erfüllen, schuldhaft verstoßen,
3. entgegen den Bestimmungen der §§ 19 und 26 der Richtlinien
für die Inventar und Materialverwaltung keine unvermutete
Prüfung des Inventar- und Materialbestandes durchgeführt,
und somit gegen Ihre Verpflichtungen gemäß § 43 Abs. 1
BDG 1979, nämlich Ihre dienstlichen Aufgaben unter
Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft
und unparteiisch mit den Ihnen zur Verfügung stehenden
Mitteln aus eigenem zu besorgen, § 44 Abs. 1 BDG 1979,
nämlich Weisungen zu befolgen, sowie § 45 Abs. 1 BDG 1979,
nämlich als Vorgesetzter darauf zu achten, daß Ihre
Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in
zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise
erfüllen, schuldhaft verstoßen,
4. am 23. März 1988 eine auf der Ebene der Sektionsleitung
entstandene Dienstanweisung ohne hiezu berechtigt zu sein
abgeändert und dadurch gegen Ihre Dienstpflicht gemäß § 43
Abs. 1, nämlich Ihre dienstlichen Aufgaben unter Beachtung
der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und
unparteiisch mit den Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln
aus eigenem zu besorgen, und § 44 Abs. 1 BDG 1979, nämlich
Weisungen zu befolgen, schuldhaft verstoßen;
5. Ende des Jahres 1987 einem Bediensteten der Abteilung IV/5
Überstunden für die Ablegung eines
"Stapelfahrerführerscheines" angeordnet, einerseits ohne
hiezu ermächtigt zu sein und andererseits unter
Einbeziehung der für den Kursbesuch erforderlichen
Reisezeiten in die Überstundenanordnung, und dadurch gegen
seine Dienstpflicht gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979, nämlich
Ihre dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden
Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den
Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu
besorgen, und 44 Abs. 1 BDG 1979, nämlich Weisungen zu
befolgen, schuldhaft verstoßen,
durch alle diese Handlungen gegen Ihre Dienstpflicht gemäß § 43
Absatz 2 BDG 1979, nämlich in Ihrem gesamten Verhalten darauf
Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die
sachliche Wahrnehmung Ihrer dienstlichen Aufgaben erhalten
bleibt, verstoßen und somit Dienstpflichtverletzungen im Sinne
des § 91 BDG 1979 begangen."
In der Begründung berief sich die belangte Behörde auf die
im Zusammenhang mit dem Bericht des Rechnungshofes erstattete
Disziplinaranzeige der Dienstbehörde vom 16. Oktober 1990. Der
Verdacht beziehe sich auf die Punkte 31, 33, 39, 83 und 89 des
Rechnungshofberichtes und zwar im folgenden Umfang:
Der Rechnungshof habe in Punkt 31 seines zitierten Berichtes
folgendes ausgeführt:
"31 VERPFLEGUNGSVERTRAG
31.1.1 Im Gegensatz zu allen anderen Flüchtlingslagern, die
über eigene Dienstküchen verfügten, erlaubte die personelle
Besetzung des nur mit zwei Bediensteten besetzten
Flüchtlingslager Reichenau ausschließlich die Zubereitung des
Frühstücks, während das Mittag- und Abendessen seit etwa
15 Jahren durch den "Gasthof Maria G" geliefert wurde.
Die Auftragsvergabe erfolgte freihändig und ohne die Einholung
von Angeboten anderer allenfalls als Lieferanten in Frage
kommender Gasthöfe.
31.1.2 Es konnte vom RH nicht in Erfahrung gebracht werden, aus
welchen Gründen trotz häufiger Beschwerden der Heimleiter über
Qualität und Quantität der gelieferten Verpflegung von den
jeweiligen Leitern der Abt. IV/5 keine ernsthaften Versuche
unternommen wurden,andere Lieferanten zu finden.
Vielmehr hat Min.Rat Mag. R am 9. Juni 1986 mit der Fa. G
mündlich vereinbart, den Preis des Mittagessens von S 42,35 auf
S 49,50 und den des Abendessens von S 30,25 auf S 33,-- zu
erhöhen. 1988 kam es zu einer weiteren Preiserhöhung des
Mittagessens auf S 52,80.
31.1.3 Die Höhe der vereinbarten Beträge lag damit wesentlich
über den mit anderen Vertragspartnern getroffenen
Vereinbarungen, denen in gleichgelagerten Fällen nur der
übliche Verpflegssatz von S 46,-- für das Mittagessen und
S 24,50 für das Abendessen zugestanden worden war.
Dadurch lag der Preis des Mittagessens um rd. 15 v.H., der des
Abendessens sogar um rd. 35 v.H. über den sonst bezahlten
Sätzen.
Der dem Bund dadurch entstandene Vermögensnachtil kann daher
unter der Annahme einer unteren Belagsgrenze von
45 Flüchtlingen und einem Differenzbetrag pro Tag und
Flüchtling von S 15,30 - mit jährlich mindestens 250.000,--
angenommen werden.
31.2 Die bei der Auftragsvergabe bzw. -verlängerung sowie
Vertragsänderung gewählte Vorgangsweise steht nach Ansicht des
RH nicht im Einklang mit den die Vergabe von Leistungen
regelnden Normen. Die jeweiligen Leiter der Abt. IV/5 haben
daher ihre Kompetenzen eindeutig überschritten. Der RH erblickt
darin eine Dienstpflichtverletzung. Er empfiehlt, durch den
Vergaberichtlinien entsprechende Maßnahmen für eine
kostengünstige Lösung dieses Problems zu sorgen."
Nach Ansicht der belangten Behörde bestehe der Verdacht,
die in diesem Zusammenhang gepflogene Vorgangsweise entspreche
tatsächlich nicht den die Vergabe von Leistungen regelnden
Normen. Obwohl der Stellungnahme des Bundesministeriums für
Inneres zum zitierten Rechnungshofsbericht zu entnehmen sei,
daß die Auftragsvergabe freihändig aufgrund der örtlichen
Gegebenheiten erfolgt sei, erscheine der Verdacht weiterhin
gegeben, daß durch ein im wesentlichen passives Verhalten des
Beschwerdeführers der - im Bereich des Bundesministeriums für
Inneres als generelle Weisung geltenden - ÖNORM A 2050 nicht
entsprochen worden sei.
Es bestehe daher der Verdacht, der Beschwerdeführer habe
gegen seine Verpflichtung gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 schuldhaft
verstoßen und dadurch eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des
§ 91 BDG 1979 begangen.
Der Rechnungshof habe in Punkt 33 seines zitierten
Berichtes folgendes ausgeführt:
"33 PERSONENTRANSPORT
33.1.1 Aufgrund der großen Anzahl bundesbetreuter Personen
reichten die den Einrichtungen für die Flüchtlingsbetreuung
zugewiesenen Dienst-Kfz für die zwischen den jeweiligen
Unterbringungsmöglichkeiten, d.s. fünf Flüchtlingslager und rd.
400 Beherbergungsbetriebe, durchzuführenden Überstellungen von
Flüchtlingen kapazitätsmäßig nicht aus.
Die Situation hat dazu geführt, daß eine große Anzahl privater
Transportunternehmungen vom BMI regelmäßig mit
Flüchtlingstransporten betraut wird.
33.1.2 Außer den Kosten für Übersiedlungen wurden vom BMI auch
Schülerbeförderungskosten für Kinder bundesbetreuter
Flüchtlinge getragen, wobei die Gesamtkosten für Übersiedlungen
und Schülertransporte im Rechnungsjahr 1988 insgesamt rd.
S 15.331.000 betrugen.
Während bei den Schülertransporten überwiegend öffentliche
Verkehrsmittel verwendet werden konnten und das BMI bei
privaten Transportunternehmungen dieselben Tarife vergütete,
die auch für die einheimischen Schulkinder verrechnet wurden,
war die Tarifgestaltung bei den Flüchtlingstransporten im Zuge
von Überstellungen völlig uneinheitlich.
33.2 Wie vom RH festgestellt wurde, sind in keinem einzigen
Fall entsprechend den Bestimmungen der ÖNORM A 2050
Ausschreibungen durchgeführt oder auch nur Vergleichsangebote
eingeholt worden.
Im Regelfall erfolgte die Auftragsvergabe aufgrund von
unverlangt eingesandten oder auch nur fernmündlichen Angeboten
der Transportunternehmungen, wobei die Tarife in der Folge
zwischen dem Unternehmen und dem zuständigen Referenten der
Abt. IV/5 fernmündlich vereinbart wurden; auch die Ausfertigung
eines schriftlichen Vertrages unterblieb.
33.3 Der RH bemängelt die der ÖNORM A 2050 widersprechende
Praxis der Auftragsvergabe und empfiehlt die Durchführung von
Ausschreibungen."
Die belangt Behörde hege auch diesbezüglich die Vermutung,
daß die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang gepflogene
Vorgangsweise tatsächlich nicht den die Vergabe von Leistungen
regelnden Normen entspreche. Obwohl der Stellungnahme des
Bundesministeriums für Inneres zu dem zitierten
Rechnungshofbericht zu entnehmen sei, die Auftragsvergabe sei
auf Grund geographischer Gesichtspunkte freihändig erfolgt,
erscheine der Verdacht weiterhin gegeben, daß durch ein im
wesentlichen passives Verhalten des Beschwerdeführers den
Bestimmungen der ÖNORM A 2050 nicht entsprochen worden sei.
Es bestehe daher der Verdacht, der Beschwerdeführer hätte
gegen seine Verpflichtungen gemäß §§ 45 Abs. 1 und 43 Abs. 1
BDG 1979 schuldhaft verstoßen und dadurch eine
Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen.
Der Rechnungshof habe in Punkt 39 seines zitierten
Berichtes folgendes ausgeführt:
"39 UNVERMUTETE KOMMISSIONELLE PRÜFUNG
39.1 In § 19 Abs. 3 und 4 bzw. § 26 Abs. 5 der Richtlinien für
die Inventar- und Materialverwaltung wird bestimmt, daß neben
der alljährlich von der Inventarverwaltung durchzuführenden
Inventur innerhalb von fünf Jahren eine unvermutete
kommissionelle Prüfung des Inventar- und Materialbestandes
durch eine vom Dienststellenleiter zu bestellende
Inventurkommission vorzunehmen ist. In diesem Zusammenhang wäre
noch festzustellen, daß in bezug auf die maximale fünfjährige
Frist zwischen diesen Prüfungen keine Ausnahmebestimmungen
bestehen, d.h. daß eine allfällige Erstreckung auf keinen Fall
zulässig ist.
Es konnte vom RH nicht in Erfahrung gebracht werden, wann eine
solche Prüfung im Bereich der Flüchtlingslager letztmals
durchgeführt worden war.
Aufgrund der siebenjährigen Skartierungsfrist und der Tatsache,
daß keine aktenmäßigen Unterlagen vorgefunden wurden, erscheint
die von der zuständigen Referentin in der Abt. IV/5 erhaltene
Auskunft, daß seit mindestens zehn Jahren keine derartige
Kontrolle stattgefunden habe, durchaus glaubhaft.
39.2 Der RH bemängelt nicht nur das vorschrifts- und
pflichtwidrige Verhalten des Leiters der Abt. IV/5, sondern
weist auch nachdrücklich auf die fehlende ressortinterne
Kontrolle durch die Buchhaltung hin. Er empfiehlt daher, die
unverzügliche Durchführung der längst überfälligen Prüfungen
anzuordnen."
Die Ansicht des Rechnungshofes erscheine gerechtfertigt, da
auch die Kontrolle des Material- und Inventarbestandes der
Ingerenz des Leiters der Abteilung IV/5 unterlegen sei.
Es bestehe somit der Verdacht, der Beschwerdeführer hätte
durch die bezeichneten Unterlassungen gegen seine
Verpflichtungen gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 schuldhaft verstoßen
und dadurch eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 91
BDG 1979 begangen.
Der Rechnungshof habe in Punkt 83 seines zitierten
Berichtes folgendes ausgeführt:
"83 VERSTOSS GEGEN DAS EINKOMMENSTEUERGESETZ 1988
83.1 Die unter Zl. 4.043/1-SL IV/73 erlassene Dienstanweisung
über die Organisation und Verwaltung der "Besonderen
Einrichtungen des Bundesministeriums für Inneres" enthält in
Kapitel IV im Punkt III Bestimmungen über die Auszahlung von
"erhöhtem Taschengeld" an Flüchtlinge, die Hilfsdienste
verrichten.
Offensichtlich um der steuerrechtlichen Problematik
auszuweichen, wurde bestimmt, daß eine jährliche
Gesamtbeschäftigungsdauer derart zu begrenzen sei, "daß der
jeweils festgelegte Steuerfreibetrag nicht überschritten wird".
Bei der Lagerleiterbesprechung am 23. März 1988 in Reichenau
wurden die anwesenden Lagerleiter von ihrem unmittelbaren
Dienstvorgesetzten, dem Leiter der Ab. IV/5, angewiesen,
Remuneranten auch ungeachtet der von diesen erreichten
Jahresverdienstsummen zu beschäftigen.
Aufgrund dieser Weisung trat der Zustand ein, daß von den
Einkommen eines relativ großen Personenkreises - allein im
Flüchtlingslager Traiskirchen sind ständig mehr als
100 Remuneranten beschäftigt, deren monatliche Nettoeinkünfte
häufig einen Betrag von rd. S 8.000,-- erreichen - keine
Einkommensteuer entrichtet wurde.
83.2 Obwohl die Herbeiführung dieses für den Bund
vermögensnachteiligen Zustandes nicht in erster Linie Ziel der
zitierten Weisung gewesen sein konnte, stellt die Tatsache, daß
die Verletzung der Pflicht zur Leistung von Einkommensteuer im
Zusammenhang mit der Weisungserteilung in Kauf genommen wurde,
nach Ansicht des RH eine schuldhafte Verletzung der
Dienstpflichten des Leiters der Abt. IV/5 dar.
Erschwerend war in diesem Zusammenhang noch, daß der Beamte
-
aufgrund der Tatsache, daß die erwähnte "Dienstanweisung" des
BMI auf der Ebene der Sektionsleitung entstanden ist - als
Abteilungsleiter gar nicht berechtigt gewesen war, Abweichungen
von der noch in Kraft befindlichen Dienstvorschrift von sich
aus anzuordnen."
Wiewohl der Verstoß gegen einkommensteuerrechtliche
Bestimmungen nicht Gegenstand der Disziplinaranzeige gewesen
sei, bestehe der Verdacht, der Beschwerdeführer hätte eine
Dienstanweisung ohne hiezu berechtigt zu sein abgeändert und
dadurch gegen seine Dienstpflicht gemäß §§ 43 und 44 Abs. 1
BDG 1979 schuldhaft verstoßen und dadurch eine
Dienstpflichtverletzung gemäß § 91 BDG 1979 begangen.
Der Rechnunghof habe in Punkt 86 seines zitierten Berichtes
unter anderem folgendes ausgeführt:
".....
Ein Aktenvermerk vom 28. Dezember 1987 betr. Rückvergütung der
angefallenen Kosten für die Ausbildung eines Mitarbeiters zum
Staplerfahrer besagt, daß u.a. lt. Weisung des Leiters der
Abt. IV/5 die dafür erforderlichen Reisezeiten in Form von ÜST
abzugelten
wären. ......"
Nach Ansicht der belangten Behörde dürften Reisezeiten nur
unter besonderen Umständen, die im relevanten Fall nicht
gegeben seien, als Überstunden verrechnet werden. Außerdem sei
der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt nicht zur Anordnung
von Überstunden ermächtigt gewesen. Es bestehe daher der
Verdacht, daß der Beschwerdeführer durch die bezeichneten
Unterlassungen gegen die ihn nach § 43 Abs. 1 BDG 1979
treffenden Verpflichtungen schuldhaft verstoßen habe und
dadurch eine Dienstpflichtverletzung nach § 91 BDG 1979
begangen habe. Wiewohl seiner Stellungnahme vom 9. August 1990
zu entnehmen sei, daß die Überstundenanordnung erforderlich
gewesen sei, um wenigstens einen Bediensteten zur Erlangung der
Berechtigung (als Staplerfahrer) zu motivieren, liege die
Rechtswidrigkeit der Überstundenanordnung auf der Hand.
Im Zusammenhang mit der offenkundigen Mißachtung
bestehender dienstlicher Anweisungen und allgemeiner
Rechtsvorschriften bestehe darüber hinaus der Verdacht, der
Beschwerdeführer hätte gerade im sensiblen Bereich der
Flüchtlingsbetreuung durch die bezeichneten Handlungsweisen
auch gegen seine Verpflichtung gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979
schuldhaft verstoßen. Diese Verdachtslage werde auch nicht
durch seine Aussage in seiner an die Dienstbehörde gerichteten
Stellungnahme vom 11. Oktober 1990, wonach er die ihm
"übertragenen Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen" besorgt
habe, entkräftet.
Zur Frage der Verjährung nach § 94 Abs. 1 BDG 1979 führte
die belangte Behörde aus, der relevante Rechungshofbericht sei
dem Bundesministerium für Inneres am 11. Mai 1990 zur Kenntnis
gebracht worden. Ab diesem Zeitpunkt sei daher der frühest
mögliche Zeitpunkt des Beginnes der sechsmonatigen
Verjährungsfrist im Sinn des § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979
anzunehmen.
Auf Grund der oben angeführten Erwägungen hätten die
gegenüber dem Beschwerdeführer bestehenden Verdachtsmomente
nicht ausgeräumt werden können, sodaß gegen den
Beschwerdeführer die Einleitung des Disziplinarverfahrens zu
beschließen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende
Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der
Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge
Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, die
Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung
der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich
der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf verletzt, daß ein
Disziplinarverfahren gegen ihn nicht ohne Vorliegen der
Voraussetzungen des § 91 und entgegen der Verjährungsregel des
§ 94 BDG 1979 eingeleitet werde, durch unrichtige Anwendung
dieser Normen sowie der Vorschriften über die
Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die
Bescheidbegründung (§§ 37, 39 und 60 AVG in Verbindung mit
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge
Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der
Beschwerdeführer im wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid
übernehme wortgleich in seinem Spruch und mit geringen
Abweichungen auch in seiner Begründung die Ausführungen der
Disziplinaranzeige, die sich ihrerseits auf bestimmte Zitate
aus dem Rechnungshofbericht beschränkt habe. Mit keinem Wort
werde auf die abweichende Stellungnahme des Bundesministeriums
für Inneres (zum Rohbericht des Rechnungshofes) eingegangen, in
dem es das Verhalten des Beschwerdeführers als richtig
verteidigt habe. Deshalb müsse nicht nur die objektive
Unrichtigkeit der Auffassung des Rechnungshofes angenommen
werden, sondern könne den Beschwerdeführer auch kein
Verschulden treffen. Die Frage des Vorliegens eines
ausreichenden Verdachtes einer schuldhaften
Dienstpflichtverletzung habe daher ohne Berücksichtigung jener
vorhandenen oder jedenfalls sofort verfügbaren Stellungnahme
des Bundesministeriums für Inneres zum Rohbericht des
Rechnungshofes nicht mängelfrei beantwortet werden können.
Unter diesem Gesichtspunkt nimmt der Beschwerdeführer in der
Folge zu einzelnen Anschuldigungspunkten Stellung. So führt er
-
soweit es aus der Sicht des Beschwerdefalles wesentlich
erscheint - unter anderem zu Spruchteil 1 des angefochtenen
Bescheides aus, die üblichen Verpflegssätze von S 46,-- für ein
Mittagessen und S 24,50 für ein Abendessen seien von ihm bzw.
seiner Abteilung selbst festgesetzt worden. Eine Überschreitung
im Einzelfall könne daher keinen Weisungsverstoß darstellen;
die Überschreitung im Falle des Lagers Reichenau sei durch die
örtlichen Gegebenheiten erzwungen gewesen; der Rechnungshof
habe auch nie näher angegeben, auf Grund welcher Lokale in
welchen Orten er niedrigere Vergleichspreise erhoben habe. Zu
Spruchteil 3 führte der Beschwerdeführer aus, es werde mit
keinem Wort gesagt, daß die "unvermutete Prüfung des Inventar-
und Materialbestandes" zu seinen Dienstpflichten gehöre,
weshalb er gegenteiliges unterstelle. Zu den Spruchteilen 4 und
5 wandte der Beschwerdeführer Verjährung nach § 94 Abs. 1 Z. 1
BDG 1979 ein, weil wegen der Billigung der dort angesprochenen
Anordnungen seitens der zuständigen Vorgesetzten die
Dienstbehörde schon zu einem früheren Zeitpunkt (als durch den
Rohbericht des Rechnungshofes) hievon Kenntnis erlangt habe.
Der Beschwerdeführer rügt ferner, daß in keinem Fall in der
Bescheidbegründung angegeben werde, welche Schuldform (Vorsatz
oder Fahrlässigkeit) vorliege. Zwar werde bei jedem
Anschuldigungspunkt nach der Tatbestandsumschreibung stereotyp
die Behauptung der "schuldhaften" Verletzung bestimmter
Dienstpflichten aufgestellt, nicht jedoch erklärt, ob
Vorsätzlichkeit oder Fahrlässigkeit unterstellt werde. Hätte
die belangte Behörde diese Frage geprüft, hätte sie nicht nur
Vorsatz, sondern auch Fahrlässigkeit ausgeschlossen, da sich
der Beschwerdeführer in einer bekannt schwierigen und immer
schwieriger gewordenen Situation nach bestem Wissen und
Gewissen bemüht habe, die ihm gestellte Aufgabe bestmöglichst
zu bewältigen.
Das ihm unter Spruchteil 2 vorgeworfene Tolerieren von
ÖNORM-widrigen Vergabepraktiken seiner Mitarbeiter bleibe
mangels konkreter Fakten zu unbestimmt.
Schließlich bringt der Beschwerdeführer unter dem
Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch vor, der
im Spruchteil 1 enthaltene Vorwurf verstoße - soweit er sich
auf einen Vertragsabschluß im Juni 1986 beziehe - erkennbar
gegen die Verjährungsfrist nach § 94 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979.
Spruchteil 2 sei zur Gänze inhaltlich rechtswidrig, weil die
ÖNORM A 2050 für den Beschwerdeführer nicht rechtsverbindlich
sei.
Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis teilweise Berechtigung
zu.
Gemäß § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine
Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt (d.h. dem
9. Abschnitt dieses Gesetzes) zur Verantwortung zu ziehen.
Nach § 94 Abs. 1 BDG 1979 darf der Beamte wegen einer
Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen
ihn nicht
1. innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem
Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die
Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder
2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt
der Beendigung der Dienstpflichtverletzung, eine
Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor
der Disziplinarkommission eingeleitet wurde.
Disziplinarbehörden sind nach § 96 BDG 1979 die
Dienstbehörde, die Disziplinarkommissionen und die
Disziplinaroberkommission. Welche Behörden Dienstbehörden sind,
bestimmt § 2 DVG, welcher als Zuständigkeitsnorm auch im
9. Abschnitt des BDG 1979 anwendbar ist (vgl. z.B. das
Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1990,
Zl. 90/09/0121). Im Beschwerdefall ist unbestritten der
Bundesminister für Inneres Dienstbehörde.
§ 118 Abs. 1 BDG 1979 sieht vor, daß das
Disziplinarverfahren mit Bescheid einzustellen ist, wenn
1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte
Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände
vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,
2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht
erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung
darstellt,
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen,
oder
4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine
oder nur unbedeutende Folge nach sicht gezogen hat und überdies
eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der
Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung
von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.
Nach § 123 Abs. 1 BDG 1979 hat der Vorsitzende der
Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die
Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob
ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige
Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag der
Disziplinarkommission durchzuführen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes haben Ermittlungen der
Disziplinarbehörde vor der Einleitung eines
Disziplinarverfahren das Ziel, zu klären, ob die
Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind, oder ob
allenfalls offenkundige Gründe für eine sofortige Verfügung der
Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen (vgl. dazu das
Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1979,
Slg. 8686, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom
15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0113). Für die Einleitung des
Verfahrens reicht es aus, wenn genügende Verdachtsgründe gegen
den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer
Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht besteht,
wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der
Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen
gegeben erscheinen lassen. Verdacht ist mehr als eine bloße
Vermutung, er setzt die Kenntnis von Tatsachen voraus, aus
denen nach der Lebenserfahrung auf ein Vergehen geschlossen
werden kann (vgl. dazu die Erkenntnisse des
Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0113,
vom 23. November 1989, Zl. 89/09/0112 sowie vom
18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0061 und Zl. 90/09/0044). Die
Disziplinarkommission muß bei Fällung eines
Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber
haben, ob ein bestimmter Beamter eine Dienstpflichtverletzung
begangen hätten; dies ist in dem der Einleitung des Verfahrens
nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. Ebensowenig muß
im Einleitungsbeschluß das dem Beamten zur Last gelegte
Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden (vgl.
dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom
13. November 1985, Zl. 84/09/0143). Die dem Einleitungsbeschluß
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