Index
L37163 Kanalabgabe Niederösterreich;Norm
KanalG NÖ 1954 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des JN und der AN in X, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. Februar 1986, Zl. II/1-BE-326-15/1-86, betreffend Vorschreibung von Kanaleinmündungsgebühren (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde U), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 20. Mai 1969 erteilte der Bürgermeister von U den Beschwerdeführern die Baubewilligung für den Neubau eines Einfamilienhauses. Nach der einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Baubeschreibung werden die Fäkalien in eine dichte Senkgrube und die seifenhältigen Wässer über einen Seifenabscheider in den an der rückwärtigen Grundgrenze gelegenen Bach eingeleitet.
Mit einem weiteren Bescheid vom 12. Juni 1973 erteilte der Bürgermeister von U den Beschwerdeführern die Bewilligung zum Zubau eines Nebengebäudes (Garage). Dieser Bescheid enthielt unter anderem die Auflage, die Dachwässer auf eigenen Grund abzuleiten.
1.2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 14. Dezember 1982 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 17 Abs. 1 und 3 des NÖ Kanalgesetzes 1977, LGBl. Nr. 8230 (im folgenden: NÖ KanalG 1977), und § 56
NÖ Bauordnung 1976, LGBl. Nr. 8200 in der geltenden Fassung, für das gegenständliche Grundstück der Anschluß an den im Feldweg gelegten "Schmutzwasserkanal
- Niederschlagswasserkanal" aufgetragen. Die Kanaleinmündungsgebühr werde durch Abgabenbescheid vorgeschrieben werden. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
1.3. Mit "Schmutzwasser-Abgabenbescheid" vom 20. Dezember 1983 schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Beschwerdeführern eine Kanaleinmündungsgebühr in der Höhe von S 20.259,72 und mit "Regenwasser-Abgabenbescheid" vom selben Tag eine Kanaleinmündungsgebühr in der Höhe von S 7.429,32 vor.
Gegen beide Bescheide erhoben die Beschwerdeführer Berufung und machten geltend, sie hätten im Jahr 1967 die Liegenschaft gekauft. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kanal bereits vorhanden gewesen. Es sei den Beschwerdeführern aus diesen Gründen nicht erklärbar, wieso sie für den alten Kanal den Anschlußpreis eines neuen bezahlen sollten. Außerdem werde ihnen vorgeschrieben, daß das Regenwasser der Nebengebäude auf ihren Grund rinnen solle. Wieso sollten sie "deshalb jetzt dafür bezahlen". Im übrigen werden Vorauszahlungen eingewendet.
1.4. Mit Berufungsvorentscheidung vom 23. März 1984 gab der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung dem Grunde nach keine Folge, änderte die Gebührenvorschreibung jedoch zufolge geleisteter Teilzahlungen hinsichtlich der Höhe ab. Die Vorschreibung der Kanaleinmündungsgebühr für den Schmutz- und Regenwasserkanal gründe sich auf die Rechtskraft des Anschlußpflichtbescheides vom 14. Dezember 1982. Bisher sei anläßlich der Bauführung noch kein Beitrag zur Herstellung der öffentlichen Schmutz- und Regenwasserkanalanlage geleistet worden.
In ihrem Vorlageantrag vom 9. April 1984 machten die Beschwerdeführer geltend, sie hätten gegen die Kanaleinmündungsgebühr berufen, weil ihnen die Gebühr für einen NEUEN Niederschlagswasserkanal berechnet worden sei, dieser jedoch bereits im Jahr 1967 bestanden habe und daher kein Neupreis verrechnet werden dürfe; nur der damalige Preis scheine den Beschwerdeführern angemessen. Die Beschwerdeführer hätten bis heute das Nebengebäude nicht an den Regenwasserkanal angeschlossen, es dürfe daher auch keine Einmündungsgebühr vorgeschrieben werden. Laut Niederschrift zur Bauverhandlung vom 2. Juni 1973 sei den Beschwerdeführern vorgeschrieben worden, die Dachwässer des Nebengebäudes auf den eigenen Grund abzuleiten, obwohl damals bereits der Kanal vorhanden gewesen sei. Auch seien die Beschwerdeführer nicht in der Lage, die Regenabwässerableitung des Nebengebäudes an den Kanal anzuschließen, weil die Beschwerdeführer dabei den größten Teil des Betones im Hof zerstören müßten und ihnen dies nicht zugemutet werden könne.
In der Niederschrift vom 23. Mai 1984 gaben die Beschwerdeführer bekannt, bisher noch keine Anliegerleistungen für den Anschluß an die öffentlichen Kanäle erbracht zu haben. Das Nebengebäude sei aus technischen Gründen nicht anschließbar.
1.5. Mit Bescheid vom 27. Juni 1984 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung der Beschwerdeführer gegen die Schmutzwasser-Kanaleinmündungsgebühr hinsichtlich der Vorschreibung selbst keine Folge, berücksichtigte allerdings Teilzahlungen und Gutschriften. Nach der Begründung dieses Bescheides sei erst nach Fertigstellung und Inbetriebnahme der Verbandskläranlage des Gemeindeabwasserverbandes "Mittleres Rußbachtal" und dem Zusammenschluß des Kanalnetzes von U mit der Transportleitung des Verbandes am 14. Dezember 1982 die Einleitung von ungeklärten Abwässern in die öffentliche Schmutzwasserkanalanlage möglich geworden. Nach erfolgtem Zusammenschluß der beiden Kanalleitungen seien die Liegenschaftseigentümer zum Anschluß an die Kanalanlage verpflichtet worden. Der betreffende Anschlußbescheid sei in Rechtskraft erwachsen.
Mit einem weiteren Bescheid vom 27. Juni 1984 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung der Beschwerdeführer gegen den Regenwasser-Kanaleinmündungsgebührenbescheid ebenfalls hinsichtlich der Gebührenvorschreibung keine Folge, änderte jedoch den Spruch hinsichtlich des offenen Restbetrages (infolge Berücksichtigung eines Guthabens) ab. Nach der Begründung dieses Bescheides garantiere das Vorhandensein eines Kanalstranges in einem Straßenstück noch keine Ableitung der Abwässer, wenn die entsprechenden Verbindungsleitungen zu einer Kläranlage bzw. bei Regenwasserkanälen zu öffentlichen Entwässerungsanlagen (z.B. Reservoirs, Gräben, Bäche usw.) nicht vorhanden seien. Die Verpflichtung zum Anschluß an den öffentlichen Regenwasserkanal sei den einzelnen Liegenschaftseigentümern erst nach Fertigstellung des Kanalnetzes in der KG U und der entsprechenden Verbindungsleitungen mit Jahresende 1982 erteilt worden. Da den Beschwerdeführern bis zur Erlassung des Bescheides über die Anschlußverpflichtung keine Bewilligung für den Anschluß ihrer Liegenschaft erteilt worden sei und sie darüber hinaus keinerlei Anliegerleistungen erbracht hätten, sei die Vorschreibung der Regenwasser-Kanaleinmündungsgebühr zu Recht erfolgt. Zum Einwand, der Anschluß der Nebengebäude an die öffentliche Kanalanlage sei unwirtschaftlich, werde auf die Verpflichtung nach § 17 Abs. 1 NÖ KanalG 1977, die Gebäude mit der öffentlichen Kanalanlage in Verbindung zu bringen, hingewiesen.
Gegen diese beiden Bescheide wendeten sich die Beschwerdeführer mit dem Ersuchen an die mitbeteiligte Gemeinde, die Berufungsakten an die belangte Behörde als Aufsichtsbehörde "vorzustellen". Alle Berufungen, Einsprüche und Vorbringen würden vollinhaltlich aufrecht erhalten.
1.6. Mit Bescheid vom 26. Februar 1986 wies die Niederösterreichische Landesregierung die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet ab. Nach der Begründung dieses Bescheides gehe der Einwand der Beschwerdeführer, der Anschluß des Nebengebäudes sei unwirtschaftlich und nicht zumutbar, schon deshalb ins Leere, weil auf Grund des § 17 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 die Liegenschaftseigentümer den Anschluß ihrer Gebäude - dazu zähle auch das erwähnte Nebengebäude - zu bewirken hätten. Da die Anschlußverpflichtung rechtskräftig festgestellt sei, sei auch die Verpflichtung zur Entrichtung der in Streit stehenden Einmündungsabgaben entstanden.
1.7. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. In der Beschwerde wird behauptet, Regenwasserkanäle seien in der mitbeteiligten Gemeinde seit mehr als 20 Jahren vorhanden. Die Beschwerdeführer hätten im Jahr 1969 zu bauen begonnen und seien mit Erlaubnis des Bürgermeisters an den Regenwasserkanal angeschlossen worden. Im Bescheid betreffend die Bewilligung zum Zubau eines Nebengebäudes und einer Garage im Jahr 1973 sei den Beschwerdeführern die Auflage erteilt worden, die Dachwässer auf den eigenen Grund abzuleiten. Zu diesem Zeitpunkt sei der Regenwasserkanal schon längst vorhanden gewesen. Die Beschwerdeführer hätten den Anschlußpflichtbescheid des Bürgermeisters vom 14. Dezember 1982 nicht bekämpft, weil ihnen mit Rücksicht auf den bereits gegebenen Anschluß die Bedeutung dieses grundsätzlichen Bescheides nicht klar gewesen sei. Im Hinblick auf den Anschluß des Wohngebäudes an den Regenwasserkanal sei die Anschlußpflicht, wie sie im Bescheid vom 14. Dezember 1982 ausgesprochen worden sei, verfehlt und unbeachtlich. Mit Rücksicht auf die lange zurückliegende Bauführung sei eine allfällige Anschlußgebühr, die aus Anlaß der Bauführung vorgeschrieben werden könnte, verjährt. Voraussetzung für einen Anschluß sei die Neuerrichtung eines Kanales, woran es aber hier mangle, weil der Regenwasserkanal ja schon viele Jahre vorhanden gewesen sei. Es sei lediglich nunmehr ein neuer Schmutzwasserkanal errichtet worden. Nicht festgestellt worden sei auch, welche anfallenden Abwässer der Liegenschaft der Beschwerdeführer in welchen Kanal eingeleitet werden sollen.
1.8. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Die Abgabenschuld nach dem NÖ KanalG 1977 ist nach der Rechtslage im Entstehungszeitpunkt der Schuld zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1990, Zl. 90/17/0126). Für die Gemeindeabgabenbehörden und die belangte Behörde war dies im Beschwerdefall der Zeitpunkt, im dem der Bescheid über die Kanalanschlußverpflichtung der Beschwerdeführer vom 14. Dezember 1982 rechtskräftig wurde; dies war, da dieser Bescheid am 25. Jänner 1983 zugestellt und nicht in Berufung gezogen wurde, der 8. Februar 1983.
§ 1 NÖ KanalG 1977, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung LGBl. 8230-0 (das ist jene Fassung, wie sie im genannten Zeitpunkt in Geltung stand), lautet:
"Die Gemeinden werden, soferne ihnen das Recht zur Einhebung solcher Gebühren nicht bereits bundesgesetzlich eingeräumt ist, ermächtigt, Kanalgebühren (Kanaleinmündungs-, Ergänzungs-, Sonder- und Kanalbenützungsgebühren) von den Eigentümern jener Liegenschaften zu erheben, die nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen zum Anschluß ihrer Liegenschaft an eine bestehende öffentliche Schmutz-, Misch- oder Regenwasserkanalanlage verpflichtet sind oder welchen über Ansuchen der Anschluß bewilligt wird."
§ 2 Abs. 1 leg. cit. in der genannten Fassung bestimmt:
"(1) Für den Anschluß an die öffentliche Kanalanlage ist eine einmalige Gebühr (Kanaleinmündungsgebühr) zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat."
§ 12 Abs. 1 leg. cit. lautet:
"(1) Ist die Kanaleinmündungsgebühr (Ergänzungsgebühr, Sondergebühr) anläßlich einer Bauführung zu entrichten, so entsteht die Gebührenschuld mit Eintritt der Rechtskraft der Benützungsbewilligung, wenn aber eine solche nicht erforderlich ist, mit Ablauf des Tages, an dem die Bauführung tatsächlich beendet wurde; in allen anderen Fällen mit der Rechtskraft des Bescheides über die Verpflichtung zum Anschluß (§ 17 Abs. 3) bzw. bei der Ergänzungsgebühr mit dem Eintritt der Änderung."
§ 17 Abs. 3 leg. cit. lautet:
"(3) Bei Neulegung eines Hauptkanales der Gemeinde hat der Bürgermeister (Magistrat) den Liegenschaftseigentümern, für die dadurch eine Anschlußpflicht eintritt, rechtzeitig durch Bescheid den Anschluß aufzutragen. Die Liegenschaftseigentümer sind nach Rechtskraft des Bescheides verpflichtet, binnen 4 Wochen um die baubehördliche Bewilligung anzusuchen und unverweilt für den rechtzeitigen Anschluß der Hauskanäle Vorsorge zu treffen. Mit der Bauführung muß spätestens zwei Wochen nach Zustellung der baubehördlichen Bewilligung begonnen und diese längstens drei Monate nach Baubeginn beendet sein. Diese Fristen können in Einzelfällen vom Bürgermeister (Magistrat) auf begründetes schriftliches Ansuchen verlängert werden."
Die Voraussetzungen, unter denen eine Anschlußverpflichtung nach § 17 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 ausgesprochen werden kann, richten sich nach den Bestimmungen des § 56 Abs. 4 der Niederösterreichischen Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1969 (im folgenden: NÖ BauO). Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
"(4) In Gemeinden, in denen zur Beseitigung der Abwässer öffentliche Kanäle bestehen, sind die Abwässer unter Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften durch flüssigkeitsdichte, entsprechend bemessene und in frostfreier Tiefe verlegte Rohrleitungen in diese Kanäle abzuleiten, wenn die Anschlußleitung nicht länger als 50 m und die Ableitung in den öffentlichen Kanal ohne besondere technische Vorrichtungen möglich ist. Fehlen solche öffentliche Kanäle, sind die Abwässer in Senkgruben zu leiten oder gemäß anderen gesetzlichen Vorschriften in unschädlicher Weise zu beseitigen. Die Jauche aus Stallgebäuden ist in entsprechende öffentliche Kanäle oder durch flüssigkeitsdichte Rinnen in Jauchegruben zu leiten."
2.2.1. Auszugehen ist von § 10 Abs. 1 des
n. ö. Kanalgesetzes, LGBl. Nr. 6/1954 (im folgenden: NÖ KanalG 1954) und dessen wiederverlautbarter, eben wiedergegebener Fassung im § 12 Abs. 1 NÖ KanalG 1977. Nach dieser Bestimmung entsteht dann, wenn die Kanaleinmündungsgebühr anläßlich einer Bauführung zu entrichten ist, die Gebührenschuld mit Eintritt der Rechtskraft der Benützungsbewilligung, wenn aber eine solche nicht erforderlich ist, mit Ablauf des Tages, an dem die Bauführung tatsächlich beendet wurde. Zu entrichten ist diese einmalige Gebühr (Kanaleinmündungsgebühr) gemäß § 2 Abs. 1 erster Satz in Verbindung mit § 1 Abs. 1 NÖ KanalG 1954 bzw. § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 NÖ KanalG 1977 zwar "für den Anschluß" einer Liegenschaft an bestehende Schmutz(Misch)Wasser- oder Regenwasserkanäle bzw. bestehende öffentliche Schmutz-, Misch- oder Regenwasserkanalanlagen. Aus § 10 Abs. 1 NÖ KanalG 1954 bzw. § 12 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 folgt jedoch, daß es auf den TATSÄCHLICHEN Anschluß nicht ankommt, sondern auf die Rechtskraft der Benützungsbewilligung bzw. die Baubeendigung des auf der anschlußpflichtigen Liegenschaft errichteten Bauwerkes. In allen anderen Fällen als in jenen der Bauführung, so bestimmt § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz NÖ KanalG 1954 bzw. § 12 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 weiter, entsteht die Gebührenschuld mit der Rechtskraft des Bescheides über die Verpflichtung zum Anschluß, wobei auf § 15 Abs. 3
NÖ KanalG 1954 bzw. § 17 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 verwiesen wird. Diese verwiesenen Bestimmungen wiederum sehen die bescheidmäßige Anschlußverpflichtung für den Fall der Neulegung eines Hauptkanales vor.
Aus dieser Regelung läßt sich erkennen, daß der Gesetzgeber damit nicht verschiedene Abgabentatbestände geschaffen hat, sondern verschiedene Zeitpunkte für das Entstehen ein und derselben Gebührenschuld vorsieht. § 2 Abs. 1 leg. cit. spricht von einer einmaligen Gebühr (Kanaleinmündungsgebühr). Wäre also der Abgabentatbestand bereits anläßlich der Bauführung auf der anschlußpflichtigen Liegenschaft entstanden, so vermöchte ein später erlassener Anschlußpflichtbescheid die (allenfalls bereits verjährte) Gebührenschuld nicht nochmals zu begründen. Die Rechtmäßigkeit der im Beschwerdefall auf den rechtskräftigen späteren Anschlußverpflichtungsbescheid aus dem Jahr 1982 gegründeten Abgabenvorschreibung hängt daher von der Beantwortung der Frage ab, ob die Gebührenschuld bereits anläßlich der Bauführung in den Jahren 1969 und 1973 entstanden ist.
2.2.2. Diese Rechtslage haben die Abgabenbehörden der Gemeinde und die belangte Vorstellungsbehörde verkannt, wenn sie die Vorschreibung der Kanaleinmündungsgebühren ausschließlich auf den rechtskräftig gewordenen Bescheid des Bürgermeisters vom 14. Dezember 1982 über die Anschlußverpflichtung gestützt haben.
Auf Grund ihrer unrichtigen Rechtsauffassung unterließen es die Gemeindeabgabenbehörden, für das Wohngebäude und das Nebengebäude, jeweils vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der Rechtskraft der Benützungsbewilligung bzw. der tatsächlichen Beendigung der Bauführung (§ 10 Abs. 1 NÖ KanalG 1954) geltenden Kanalgebührenverordnung der mitbeteiligten Gemeinde, zu prüfen, ob hinsichtlich der Ableitung der Schmutzwässer und/oder der Niederschlagswässer bereits im Zeitpunkt der Bauführung eine Anschlußpflicht im Sinne des § 56 Abs. 4 Nö BauO bestand, so daß die Bauführung den Abgabenanspruch der Gemeinde ausgelöst hätte. Dabei wäre es auf das Vorhandensein von entsprechenden Kanälen der Gemeinde, insbesondere eines Regenwasserkanales, einerseits angekommen, andererseits wäre auf die durch die Baubewilligungsbescheide für die Beschwerdeführer geschaffene Rechtslage Bedacht zu nehmen gewesen (beim Wohngebäude: Erlaubnis zur Ableitung der Schmutzwässer in eine Senkgrube, der seifenhältigen Abwässer in einen Bach, keine Erwähnung der Niederschlagswässer; beim Nebengebäude: Erlaubnis zur Ableitung der Regenwässer auf eigenen Grund, keine Erwähnung von Schmutzwässern). Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß die Abgabenbehörden, zumindest hinsichtlich der Regenwasserableitung, zu einem anderen Bescheid hätten kommen können.
Für das fortzusetzende Verfahren sei noch folgendes bemerkt: Sollte sich ergeben, daß anläßlich der Bauführung keine Gebührenpflicht entstanden ist, so läge der subsidiäre Fall des § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz
NÖ KanalG 1954 (§ 12 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz NÖ KanalG 1977) vor, der auf einen Anschlußverpflichtungsbescheid abstellt. Ein solcher könnte rite zwar nur bei NEUlegung eines Hauptkanales erlassen werden (§ 15 Abs. 3 bzw. § 17 Abs. 3 der eben zitierten Fassungen), im Beschwerdefall ist diese Frage allerdings keinesfalls mehr aufzurollen, weil die Beschwerdeführer den Anschlußverpflichtungsbescheid in Rechtskraft erwachsen ließen.
Die Gemeindebehörden haben daher Rechte der Beschwerdeführer verletzt, wenn sie ihren Gebührenbescheiden die Rechtsauffassung zugrunde gelegt haben, daß die Gebührenschuld betreffend die Kanaleinmündungsgebühr jedenfalls (erst) mit Rechtskraft des Anschlußpflichtbescheides des Bürgermeisters vom 14. Dezember 1982 entstanden ist.
2.3. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die belangte Vorstellungsbehörde den angefochtenen gemeindeaufsichtsbehördlichen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hat.
Der angefochtene Bescheid war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2.4. Da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.
2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1986170090.X00Im RIS seit
11.07.2001