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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §10 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Leukauf, Dr. Sauberer und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der S-gesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadt Graz vom 21. Juni 1990, Zl. A 17-K-3.710/1988-3, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen einen Bescheid, mit dem Kosten gemäß § 89a StVO vorgeschrieben wurden, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführerin wurden mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt Graz vom 7. Oktober 1988 gemäß § 89a Abs. 7a StVO Kosten für die Entfernung eines verkehrsbehindernd abgestellten, dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges in bestimmter Höhe vorgeschrieben.
Da die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin eingebrachte Berufung lediglich vom Gesamtprokuristen der Beschwerdeführerin unterfertigt war, die Beschwerdeführerin jedoch laut Handelsregisterauszug vom Gesamtprokuristen nur gemeinsam mit einem kollektiv vertretungsbefugten Geschäftsführer vertreten wird, wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert, einen ihrer kollektiv vertretungsbefugten Geschäftsführer "auf der in der Anlage im Original angeschlossenen Berufung unter der Firmenstampiglie unterschreiben zu lassen (dies zweckmäßigerweise unter leserlicher Beifügung des Namens) und das unterschriebene Original der Berufung der Behörde zurückzumitteln", widrigenfalls die eingebrachte Berufung als unzulässig zurückgewiesen werden müßte.
Innerhalb der gesetzten Frist wurde der Behörde die Originalberufung unverändert zurückgestellt und eine Vollmacht vorgelegt, die auf den Gesamtprokuristen lautet, von der Beschwerdeführerin firmenmäßig gefertigt und mit 6. November 1989 datiert ist.
Mit Bescheid vom 21. Juni 1990 wies der Gemeinderat der Stadt Graz die vom Gesamtprokuristen in Vertretung der Beschwerdeführerin eingebrachte Berufung als unzulässig zurück. Zur Begründung des Bescheides wurde unter anderem ausgeführt, mit der - vorstehend geschilderten - Vorgangsweise der Beschwerdeführerin, welche Vorgangsweise im übrigen unverständlich sei, weil es ein leichtes gewesen wäre, einen kollektiv vertretungsbefugten Geschäftsführer auf dem übermittelten Originalschriftsatz unterschreiben zu lassen, sei dem erteilten Verbesserungsauftrag nicht bzw. nicht vollständig entsprochen worden. Die vorgelegte Vollmacht sei ausdrücklich mit einem außerhalb der Rechtsmittelfrist gelegenen Datum versehen. Da dies nicht die Annahme rechtfertige, es habe zum Zeitpunkt der Berufungserhebung noch kein Vollmachtsverhältnis bestanden, hätte es dazu eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens bedurft. Es stehe zwar jedermann frei, einen ihm erteilten Verbesserungsauftrag auch auf andere Weise zu erfüllen, als ihm dies von der Behörde aufgetragen wurde, doch müsse dies so geschehen, daß das aufgetretene Formgebrechen jenseits jeden Zweifels - und ohne daß die Behörde ein weiteres Ermittlungsverfahren darüber anstellen müsse, ob dies nun der Fall sei oder nicht - tatsächlich behoben sei. Es gehe nicht an, einen Verbesserungsauftrag so zu erfüllen, daß die Behörde erst recht zu einem Ermittlungsverfahren darüber genötigt sei, ob nun der Verbesserungsauftrag in Wahrheit erfüllt worden sei. Im Gegenstand sei daher von einer nicht bzw. nicht vollständigen Erfüllung des erteilten Verbesserungsauftrages auszugehen. Ein nur mangelhaft erfüllter Verbesserungsauftrag sei aber - wie die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 34 Abs. 2 VwGG, die bei im wesentlich gleicher Rechtslage auch auf § 13 Abs. 3 AVG anwendbar sei, klarstelle - der Unterlassung der Behebung von Mängeln gleichzusetzen. Die Berufung sei daher als unzulässig zurückzuweisen. Mit den weiteren Ausführungen in der Begründung des Bescheides setzte sich die Behörde mit der - von ihr bejahten - Frage auseinander, ob die Entfernung des Kraftfahrzeuges gerechtfertigt war, um sich nicht dem "angesichts der zahlreichen Eingaben im Vertretungsnamen" der Beschwerdeführerin voraussehbaren Vorwurf auszusetzen, die Behörde habe in einem völlig aussichtslosen Fall eine bloße Formalentscheidung gefällt.
Der Bescheid erging laut Zustellverfügung an den Gesamtprokuristen der Beschwerdeführerin und wurde diesem laut Zustellschein am 4. Juli 1990 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift, die Beschwerde mangels Beschwerdelegitimation kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist zu bemerken, daß der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vorgetragene Einwand, es mangle der Beschwerdeführerin die Beschwerdelegitimation, weil mit dem angefochtenen Bescheid - wie sich aus dessen Spruch, Begründung und Zustellverfügung ergebe - nicht etwa eine Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen worden sei, sondern die des Gesamtprokuristen im (behaupteten) Vertretungsnamen der Beschwerdeführerin und weil überdies der angefochtene Bescheid nicht an die Beschwerdeführerin, sondern an den Gesamtprokuristen ergangen sei, nicht zu Recht besteht. Die gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Graz vom 7. Oktober 1981 eingebrachte Berufung ist nach dem äußeren Tatbestand angesichts der gewählten Form und Diktion
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Verwendung von Geschäftspapier der Beschwerdeführerin, Zeichnung unter Verwendung der Firmenstampiglie, Abfassung in der "Wir-Form" - der Beschwerdeführerin und nicht dem unterfertigten Gesamtprokuristen zuzurechnen. Dieser Berufung haftete lediglich der Mangel an, daß sie nur vom Gesamtprokuristen, nicht aber auch von einem kollektiv vertretungsbefugten Geschäftsführer unterschrieben war. Demgemäß wurde von der belangten Behörde der Mängelbehebungsauftrag zu Recht der Beschwerdeführerin erteilt und ging die belangte Behörde - entgegen ihrer Behauptung in der Gegenschrift - in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß mit dem innerhalb der gesetzten Frist von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen (Rubrik, Vollmachtsurkunde, Originalberufung unverändert) dem erteilten
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also dem der Beschwerdeführerin erteilten - Verbesserungsauftrag zumindest nicht vollständig entsprochen worden sei. Aber auch der Spruch des angefochtenen Bescheides läßt keinen Zweifel darüber, daß mit ihm die vom Gesamtprokuristen in Vertretung der Beschwerdeführerin eingebrachte Berufung und nicht etwa eine vom Gesamtprokuristen im eigenen Namen erhobene zurückgewiesen wurde. Aus dem Zusammenhang mit dem übrigen Bescheidinhalt ergibt sich ferner, daß der angefochtene Bescheid dem Pokuristen als Vertreter der Beschwerdeführerin zugestellt wurde.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung verletzt. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ausschließlich, ob die Berufung zu Recht zurückgewiesen wurde. Auf die Frage, ob die Kostenvorschreibung dem Gesetz entsprach, ist sohin nicht näher einzugehen.
Mit dem Einwand, es sei der Verbesserungsauftrag der belangten Behörde unnötig gewesen, weil nach § 10 Abs. 4 AVG bei Angestellten von einer ausdrücklichen Vollmacht abgesehen werden könne, übersieht die Beschwerdeführerin, daß ihr nicht die Beibringung einer fehlenden Vollmacht, sondern die Nachreichung einer fehlenden Unterschrift auf der Berufung aufgetragen wurde. Dies zu Recht, weil nichts darauf hindeutete, daß die Berufung vom Gesamtprokuristen etwa als Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin im Sinne des § 10 AVG und nicht in seiner Eigenschaft als ein nach den handelsrechtlichen Vorschriften zeichnungsberechtigter Vertreter der Beschwerdeführerin unterschrieben wurde. Die Bezugnahme der Beschwerdeführerin auf § 10 Abs. 4 AVG geht demnach fehl.
Im übrigen ist die Beschwerde begründet. Die belangte Behörde selbst geht davon aus, daß es der Beschwerdeführerin freistand, den dem Berufungsschriftsatz anhaftenden Mangel auf andere Weise als durch die aufgetragene Nachholung der erforderlichen weiteren Unterschrift zu beheben. Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen diese Ansicht keine Bedenken. Entscheidend nach § 13 Abs. 3 AVG ist, daß das Formgebrechen rechtzeitig behoben wird. Im Beschwerdefall bestand das Formgebrechen der Berufung in der fehlenden Unterschrift eines kollektiv vertretungsbefugten Geschäftsführers. Dieser Unterschrift bedurfte es dann nicht, wenn der unterfertigte Gesamtprokurist zum Zeitpunkte der Erhebung der Berufung von der Beschwerdeführerin dazu bevollmächtigt war. Das Formgebrechen konnte demnach auch durch den Nachweis einer derartigen Bevollmächtigung des Gesamtprokuristen behoben werden.
Von der Beschwerdeführerin wurde zwar nicht - wie ihr aufgetragen -, die fehlende Unterschrift auf der Berufung nachgeholt, sondern eine auf den Gesamtprokuristen lautende Vollmacht vorgelegt. Bestand das darin beurkundete Vollmachtsverhältnis mit der Beschwerdeführerin aber schon zum Zeitpunkte der Erhebung der Berufung, dann war mit der Vorlage der Vollmacht ungeachtet ihrer Datierung das Formgebrechen behoben (vgl. dazu das von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zitierte hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1989, Zl. 86/07/0268) und die Annahme verwehrt, es sei der Verbesserungsauftrag nur mangelhaft erfüllt worden. Dies festzustellen oblag der belangten Behörde ungeachtet dessen, daß die Beschwerdeführerin anläßlich der Vollmachtsvorlage nicht ausdrücklich darauf hinwies. Aus § 13 Abs. 3 AVG läßt sich nicht ableiten, daß die Beschwerdeführerin - wie die belangte Behörde offenbar meinte - schon bei der Vorlage der Vollmacht verpflichtet gewesen wäre, darauf hinzuweisen, daß das darin beurkundete Bevollmächtigungsverhältnis schon zum Zeitpunkte der Erhebung der Berufung bestand und das Datum der Vollmacht lediglich eine nachträgliche Beurkundung dieses Bevollmächtigungsverhältnisses darstellt. Die Ansicht der belangten Behörde, daß ein Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG nur dann ordnungsgemäß und vollständig erfüllt sei, wenn die Behörde im Zusammenhang damit keine weiteren Ermittlungen durchführen müsse, ist in dieser allgemeinen Form nicht richtig. Auch in Hinsicht auf die "zahlreichen Eingaben im Vertretungsnamen" der Beschwerdeführerin - wie es in der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt - und die insgesamt aus der Aktenlage hervorleuchtenden Aktivitäten des Gesamtprokuristen, die dieser für die Beschwerdeführerin wiederholt entfaltete, wäre von der belangten Behörde die Frage zu beantworten gewesen, ob die außerhalb der Berufungsfrist beurkundete Vollmacht innerhalb dieser Frist bereits bestand (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juni 1985, Zl. 85/08/0014).
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit, was zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Formgebrechen behebbare Unterschrift Formgebrechen behebbare Vollmachtsvorlage Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Rechtsmittel Voraussetzungen des Berufungsrechtes DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990030200.X00Im RIS seit
30.10.1991