Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Karl K in S, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 24. April 1991, Zl. 9/01-34.593/1-1990, betreffend Zurückweisung einer Berufung (Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 11. Juni 1990, Zl. III/St-1764/90, wurden über den Beschwerdeführer wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 und des Kraftfahrgesetzes 1967 Geldstrafen und für den Nichteinbringungsfall entsprechende Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde laut Zustellnachweis nach zwei Zustellversuchen (am 15.6.1990 und am 18.6.1990) am 18. Juni 1990 beim Postamt hinterlegt; als Beginn der Abholfrist ist auf dem Zustellschein der 19. Juni 1990 vermerkt. Die Sendung wurde nicht behoben.
Mit Schreiben vom 31. Juli 1990 wurde der Beschwerdeführer zur Zahlung der verhängten Geldstrafe aufgefordert; mit Schreiben vom 25. September 1990 wurde ihm die Exekution angedroht. Am 28. September 1990 erschien der Beschwerdeführer bei der Bundespolizeidirektion Salzburg, wo mit ihm eine Niederschrift aufgenommen wurde. Diese hat - soweit sie für den vorliegenden Beschwerdefall von Bedeutung ist - folgenden Wortlaut:
"Gegen das Erkenntnis vom 11.6.1990 erhebe ich das Rechtsmittel der Berufung und stelle den Antrag, daß das Straferkenntnis aufgehoben wird. Hinsichtlich der Zustellung des Straferkenntnisses durch Hinterlegung am 18.6.1990 möchte ich anführen, daß ich zwar in der X-Gasse 4 zur Zeit der Beanstandung gewohnt habe, jedoch nicht mehr aufrecht gemeldet war."
Die Berufung wurde der belangten Behörde zur Entscheidung vorgelegt. Diese ersuchte mit Schreiben vom 12. November 1990 die Bundespolizeidirektion Salzburg um Mitteilung, ob dem Beschwerdeführer anläßlich der niederschriftlichen Einvernahme vom 28. September 1990 der gesamte Inhalt des Straferkenntnisses vom 11. Juni 1990, Zl. III/St-1764/90, zur Kenntnis gebracht worden sei oder nicht. Weiters wurde im Hinblick auf die Vorschrift des § 17 Zustellgesetz um Klärung ersucht, ob mit den Beginn der Abholfrist am 19. Juni 1990 des am 18. Juni 1990 hinterlegten Straferkenntnisses jedenfalls die Zustellung als bewirkt anzusehen sei, da die diesbezüglichen Angaben in der Niederschrift vom 28. September 1990 insofern widersprüchlich seien, als sie sich auf den Zeitpunkt der Beanstandung, also den 1. April 1990, bezögen.
Zu diesem Ersuchen der belangten Behörde hielt die Bundespolizeidirektion Salzburg in einem Aktenvermerk vom 20. November 1990 fest, daß bei der niederschriftlichen Einvernahme vom 28. September 1990 dem Beschwerdeführer das Straferkenntnis vorgelegt und ihm erklärt worden sei, daß auf Grund seines Nichterscheinens ein sogenanntes Kontumazerkenntnis ergangen sei. Der Akteninhalt sei "sowohl im Strafvollzug als auch beim Unterfertiger des Aktenvermerkes" dem Beschwerdeführer bekannt gegeben worden und der Beschuldigte sei auch darüber befragt worden, welche Umstände dafür ausschlaggebend gewesen seien, daß er dieses Straferkenntnis nicht behoben habe. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer in der Niederschrift erklärt, daß er nur sehr sporadisch unter der in der Anzeige angeführten Wohnadresse X-Gasse 4 wohnhaft sei und er habe auch keine andere Adresse bekannt geben können. Der Beschwerdeführer habe auch bei der Beanstandung als ordentliche Wohnadresse keine andere Adresse als X-Gasse 4 angegeben, weshalb auch die Schriftstücke unter dieser Adresse zugestellt worden seien. Auf Grund der Aktenlage ergebe sich, daß sowohl die Mahnung vom 31. Juli 1990 als auch die Androhung der Exekution vom 25. September 1990 in der X-Gasse 4 zugestellt worden seien, weshalb als erwiesen angesehen werden könne, daß sich der Beschwerdeführer von dort die Schriftstücke abgeholt habe bzw. daß die zitierten Schriftstücke ihm zugekommen seien. Nach Meinung der Bundespolizeidirektion Salzburg sei somit der Beginn der Abholfrist des Erkenntnisses der 19. Juni 1990, weshalb die Berufung verspätet eingebracht worden sein dürfte.
Mit Bescheid vom 24. April 1991, Zl. 9/01-34.593/1-1990, wies die belangte Behörde die Berufung gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 11. Juni 1990, Zl. III/St-1764/90, soweit sie sich auf die Bestrafung wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 bezog, als verspätet zurück.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den angefochtenen Bescheid mit der Begründung, er habe anläßlich seiner mündlich erhobenen Berufung bei der Bundespolizeidirektion Salzburg am 11. Juni 1990 auch angegeben, daß er im Zeitpunkt der Beanstandung (1. April 1990) unter der Adresse S, X-Gasse 4, gewohnt habe, jedoch nicht mehr aufrecht gemeldet gewesen sei. Er sei aber nicht niederschriftlich befragt worden, ob er im Zeitpunkt der Zustellung des Straferkenntnisses vom 11. Juni 1990 unter dieser Adresse gewohnt habe. Es sei ihm keine Gelegenheit gegeben worden, zu dem Aktenvermerk der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 20. November 1990 Stellung zu nehmen. Es scheine der Verdacht gegeben, daß er im Zeitpunkt seiner Berufungserhebung am 28. September 1990 nie bezüglich einer anderen Wohnadresse befragt worden sei. Hätte die belangte Behörde ihm eine Stellungnahme abverlangt, so hätte sie zur Feststellung gelangen müssen, daß die gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion vom 11. Juni 1990 mündlich erhobene Berufung rechtzeitig gewesen sei, da er wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen habe können und somit diese Sendung für ihn als nicht zugestellt gegolten habe. Hätte er eine Stellungnahme abgeben können, so hätten ausreichende Beweisanbote und Beweismittel vorgelegt werden können, welche seine Ortsabwesenheit im Zeitpunkt der Hinterlegung bescheinigt hätten. Die Behörde habe ihn als rechtsunkundige Person ausreichend über seine Ortsabwesenheit und seine Adresse während der Zustellung befragen und ihn allenfalls zur Bekanntgabe oder Vorlage von Beweismitteln anleiten müssen. Weiters habe die Behörde nicht überprüft, ob die Rechtfertigung des Beschwerdeführers allenfalls als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte gedeutet werden können.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, bevor sie ein Rechtsmittel als verspätet zurückweist, dem Rechtsmittelwerber Gelegenheit zu geben, zur Versäumung der Berufungsfrist Stellung zu nehmen. Unterläßt sie dies, trägt sie das Risiko der Aufhebung des Bescheides wegen unterlaufener Verfahrensmängel (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 1988, Zl. 88/08/0182 u. a.). Macht der Zustelladressat Unwirksamkeit der Zustellung geltend, so reicht es nicht, daß er die Abwesenheit von der Abgabestelle behauptet, sondern er hat hiefür auch konkrete Angaben zu machen und entsprechende Bescheinigungsmittel anzubieten (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1990, Zl. 89/02/0201 u.a.).
Aus der Niederschrift der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 28. September 1990 geht hervor, daß mit dem Beschwerdeführer die Tatsache der Hinterlegung des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 11. Juni 1990 erörtert wurde, sodaß er Gelegenheit hatte, zur Wirksamkeit dieser Hinterlegung und damit zur Rechtzeitigkeit seiner Berufung Stellung zu nehmen. Er hat aber nichts vorgebracht, was darauf hingedeutet hätte, daß er zum Zeitpunkt der Hinterlegung wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen habe können. Er bringt lediglich vor, daß er zum Zeitpunkt der Beanstandung zwar in der X-Gasse 4 gewohnt habe, dort aber nicht mehr aufrecht gemeldet gewesen sei. Dieses Vorbringen ist für die Frage der Wirksamkeit der durch Hinterlegung erfolgten Zustellung ohne Belang. Wenn die Behörde den Beschwerdeführer angesichts dieser Aussage nicht auch noch ausdrücklich befragte, ob er zum Zeitpunkt der Hinterlegung ortsabwesend war, so kann darin keine Verletzung der Manuduktionpflicht erblickt werden.
Erst in der Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer konkret, zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Straferkenntnisses von der Abgabestelle abwesend gewesen zu sein; es fehlt aber auch in der Beschwerde an diesbezüglichen näheren Angaben, sodaß nicht einmal beurteilt werden kann, inwieweit der behauptete Verfahrensmangel unter dem Gesichtspunkt des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG überhaupt relevant ist, ob also die belangte Behörde bei Vermeidung desselben zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätte kommen können.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Parteiengehör Rechtsmittelverfahren Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991030170.X00Im RIS seit
27.11.2000