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L94058 Ärztekammer Vorarlberg;Norm
EStG 1972 §25 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der Vorarlberger Ärztekammer in Dornbirn, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 10. Jänner 1991, Zl. 125-2/90, betreffend Lohnsteuer für den Zeitraum 1. Jänner 1982 bis 31. Dezember 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.290,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Strittig ist, ob die beschwerdeführende Ärztekammer hinsichtlich der Treueprämien, welche sie einmal jährlich an Arztwitwen ausbezahlt hatte, zum Lohnsteuerabzug verpflichtet gewesen wäre.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid bejahte die belangte Behörde diese Frage. Sie führte im wesentlichen aus: Die Beschwerdeführerin habe zur Versorgung und Unterstützung der Kammerangehörigen und deren Hinterbliebenen einen Wohlfahrtfonds errichtet und gewähre aus dessen Mitteln nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen des Ärztegesetzes in Verbindung mit den Satzungen des Wohlfahrtsfonds Versorgungs- und Unterstützungsleistungen. Im § 24 regle die Satzung die Witwenversorgung der Kammerangehörigen. Nach dieser Bestimmung sei nach dem Tode eines Kammerangehörigen oder Empfängers einer Alters- oder Invaliditätsversorgung seiner Witwe, die mit ihm im Zeitpunkt des Todes in aufrechter Ehe gelebt habe, die Witwenversorgung zu gewähren. Diese betrage 66 % der Grund- und Ergänzungsleistung, sowie 60 % der Zusatzleistung der Altersversorgung, die dem Verstorbenen im Zeitpunkt seines Ablebens gebührt habe oder gebührt hätte. Gemäß § 28 Abs. 1 der Satzung könnten im Falle eines wirtschaftlich bedingten Notstandes an Kammerangehörige, an Hinterbliebene nach Ärzten, die mit diesen in Hausgemeinschaft gelebt hätten, sowie an geschiedene Ehegatten von Kammerangehörigen einmalige oder wiederkehrende Leistungen in einer dem Notstand entsprechenden Höhe gewährt werden. Nach Abs. 2 könnten ferner einmalige oder wiederkehrende Leistungen für die Erziehung, Ausbildung oder Fortbildung der Kinder von Kammerangehörigen und von Empfängern einer Alters- oder Invaliditätsversorgung und Waisen nach § 25 nach Maßgabe der Familieneinkommens- und Vermögensverhältnisse gewährt werden. Die weiteren Bestimmungen hierüber würden in eigenen Richtlinien getroffen.
Die belangte Behörde sei der Auffassung, daß die Auszahlung der Treueprämien an die Arztwitwen auf Basis des § 25 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Beschwerdeführerin erfolge und daß es sich bei diesen Treueprämien dementsprechend um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 handle. Sie habe der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, daß sie vorerst davon ausgehe, daß die Auszahlung der Treueprämien auf der Grundlage des § 28 der genannten Satzung erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Antragschreiben nichts Gegenteiliges behauptet oder nachgewiesen. Die belangte Behörde bestreite nicht, daß die Beschwerdeführerin die Treueprämien freiwillig geleistet habe. Der Grund für die Auszahlung der Treueprämien an die Arztwitwen, nämlich daß diese "zu Lebzeiten des Arztes (Gatten) entsprechend bei der Ausübung des ärztlichen Berufes ihres Ehegatten eingebunden waren" bzw. "daß diese die Beschwernisse auf sich genommen haben, die mit der Stellung einer Ärztegattin verbunden sind", stimme auch nicht mit der im § 28 der Satzung genannten Zielsetzung für sonstige Unterstützungsleistungen der Beschwerdeführerin überein; § 28 der Satzung enthalte aber jene Bestimmung, nach der die Beschwerdeführerin freiwillige Leistungen erbringen könne. Freiwillige Leistungen der Beschwerdeführerin an ihre Angehörigen bzw. deren Hinterbliebene seien grundsätzlich aber nicht anders zu behandeln als die Pensionsbezüge, auf die die Bezieher(innen) einen Rechtsanspruch hätten. Sie seien unter die gleichartigen Bezüge im Sinne des § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 zu subsumieren. Daß die Pensionsbezüge, die die Beschwerdeführerin an die Arztwitwen ausbezahlt habe, für die Empfängerinnen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 wären, sei unbestritten. An der rechtlichen Beurteilung der in Rede stehenden Treueprämien als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und damit als solche, von denen die Beschwerdeführerin Lohnsteuer in Abzug zu bringen gehabt hätte, vermöge auch das Vorbringen nichts zu ändern, allein die Tatsache, daß die Mittel für die Treueprämie zu drei Viertel von der beschwerdeführenden Ärztekammer und zu einem Viertel vom Sozialversicherungsträger aufgebracht worden seien, schließe es schon aus, daß die Treueprämie ein Teil der Pension (bzw. gleichartiger Bezug) sei. Von der Beschwerdeführerin sei nämlich nicht dargetan worden, daß die Treueprämien an die Arztwitwen von einer von ihr verschiedenen Rechtspersönlichkeit ausbezahlt worden seien.
Durch diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihren Rechten insofern verletzt, als die an die Arztwitwen einmal jährlich ausbezahlten Treueprämien zu Unrecht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Lohnsteuer unterworfen wurden und als die Beschwerdeführerin als auszahlende Stelle zur Bezahlung der Lohnsteuer herangezogen wurde. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 sind Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung und gleichartige Bezüge aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn). Diese Bezüge unterliegen dem Steuerabzug vom Arbeitslohn; die auszahlende Stelle trifft die Haftung gemäß § 82 Abs. 1 EStG 1972.
Die belangte Behörde hat die von der Beschwerdeführerin an Arztwitwen ausbezahlten Treueprämien deshalb als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 qualifiziert, weil die Auszahlung auf Basis des § 28 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Beschwerdeführerin erfolgt sei. Sie erkennt aber selbst, daß die in dieser Satzungsbestimmung genannte Zielsetzung für sonstige Unterstützungsleistungen die Auszahlung der Treueprämien nicht erfassen kann. Daß die in § 28 der Satzung genannten Leistungen von der Beschwerdeführerin freiwillig erbracht werden, bedeutet noch nicht, daß auch andere freiwillige Leistungen unter diese Bestimmung zu subsumieren wären. Unerheblich ist, daß die Beschwerdeführerin der ihr vorgehaltenen Qualifizierung durch die belangte Behörde nicht ausdrücklich widersprochen hat. Es kann daher auf sich beruhen, ob der Vorhalt an den steuerlichen Vertreter zu richten gewesen wäre.
Entscheidend ist freilich nicht, ob die ausbezahlten Treueprämien unter die genannte Satzungsbestimmung fallen, ob die Auszahlung überhaupt durch die Satzung gedeckt ist, oder ob die Treueprämien im Sinne des § 25 Abs. 2 EStG 1972 freiwillig gewährt wurden, sondern ob es sich um den Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung gleichartige Bezüge handelt. Unstrittig ist nun, daß die Auszahlung der Treueprämien an die Arztwitwen in Anerkennung ihrer Einbindung bei der Ausübung des ärztliches Berufes ihres (verstorbenen) Ehegatten und der mit ihrer Stellung verbunden gewesenen Erschwernisse erfolgt ist. Dieser - durch die aktenkundige Entstehungsgeschichte der Treueprämien belegte - Leistungsgrund macht deutlich, daß die in Rede stehenden Bezüge sozialversicherungsrechtlichen Pensionen nicht gleichartig sind. Auch die belangte Behörde kann kein vergleichbares, den Sozialversicherungsgesetzen bekanntes Institut nennen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1981, Slg. Nr. 5549/F, das einen anderen Fall "ungleichartiger" Bezüge zum Gegenstand hatte). Sie behauptet auch nicht, daß es sich um einen Teil der Witwenversorgung handeln würde, der im Sinne des § 22 BAO mißbräuchlich unter einem anderen Titel ausgeschüttet werde.
Das hg. Erkenntnis vom 7. September 1990, Zl. 90/14/0093, auf welches die Beschwerdeführerin erkennbar Bezug nimmt, ist zwar insoweit nicht einschlägig, als es sich damals um von der Gebietskrankenkasse an aus dem Vertragsverhältnis mit ihr ausgeschiedene Ärzte bezahlte Treueprämien handelte; auch ist zu beachten, daß sich der Gerichtshof in seiner Prüfungstätigkeit auf den damaligen Beschwerdepunkt zu beschränken hatte. Im zitierten Erkenntnis wurden aber ebenfalls das Ziel der Leistungsvereinbarung und der Zweck der Zuwendung als maßgeblich angesehen.
Danach ist im Beschwerdefall eine Qualifikation der Treueprämien als Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 ausgeschlossen. Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Auf die weiteren Beschwerdeausführungen mußte nicht mehr eingegangen werden. Da eine Haftung der Beschwerdeführerin für unterlassenen Lohnsteuerabzug nicht in Frage kommt, kann es im Beschwerdefall insbesondere auf sich beruhen, ob die Treueprämien - wie die Beschwerdeführerin meint - als sonstige Einkünfte gemäß § 29 Z. 1 EStG anzusehen oder als Bezüge (ohne Pensionscharakter; vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1981, Slg. Nr. 5549/F) gemäß § 22 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 zu erfassen wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schriftsatzaufwand war lediglich im begehrten Umfang zuzusprechen, da schon der zur Zeit der Einbringung der Beschwerde festgesetzte Pauschbetrag nicht ausgeschöpft wurde (vgl. die Judikaturhinweise in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seiten 673, 698, 700 und 723). Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil die vorgelegten Beschwerdeausfertigungen lediglich mit je S 120,-- zu vergebühren waren.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991140055.X00Im RIS seit
05.11.1991