Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des Mag. T in D, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 24. April 1991, Zl. 313.462/7-III-3/90, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: X-AG in D, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in D), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Dorbirn erteilte der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 25. Jänner 1990 "gemäß den §§ 74, 77 und 356 GewO 1973, BGBl. Nr. 50/1974 idF. BGBl. Nr. 399/1988 und den §§ 27 und 30 Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972 idF. BGBl. Nr. 393/86, ... die beantragte gewerbepolizeiliche Genehmigung zur Errichtung und den Betrieb" einer Lagervorzone auf näher bezeichneten Grundparzellen der Katastralgemeinde D beim Werk E (Bauabschnitt I) und eines Hochregallagers auf näher dargestellten Grundparzellen der Katastralgemeinde D beim Werk E (Bauabschnitt II) unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen.
Auf Grund mehrerer Berufungen (unter anderem auch des Beschwerdeführers) änderte der Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom 22. Juni 1990 den erstbehördlichen Bescheid dahingehend ab, daß der mitbeteiligten Partei die in Rede stehende Genehmigung auch unter Bezugnahme auf § 81 GewO 1973 erteilt werde.
Auch gegen diesen Bescheid erhoben mehrere Nachbarn, darunter auch der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid vom 24. April 1991 gab der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten diesen Berufungen insofern Folge, als die erteilten Auflagen neu formuliert und die Betriebsbeschreibung ergänzt wurde. Zur Begründung führte der Bundesminister unter anderem in Erwiderung eines diesbezüglichen Berufungsvorbringens aus, die Behörde habe ein Genehmigungsansuchen bei Einlangen anhand der bestehenden Sach- und Rechtslage zu prüfen. Im vorliegenden Fall stehe es außer Zweifel und es sei dies durch die Behörde erster Instanz auch nachgewiesen worden, daß die gegenständliche Betriebsanlage mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 10. April 1969 rechtskräftig genehmigt worden und in der Folge eine Reihe von rechtskräftigen Bescheiden ergangen sei, mit denen Änderungen der gegenständlichen Betriebsanlage genehmigt worden seien. Die verfahrensgegenständlichen Genehmigungsansuchen hätten daher nur als Ansuchen um Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage verstanden werden können. Die Behörde habe bereits im Verfahren erster Instanz auf die bestehende genehmigte Betriebsanlage und das "Anderswerden" Bezug genommen und damit ein Verfahren gemäß § 81 GewO 1973 durchgeführt. Mit dem angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg sei somit nicht ein Wechsel des Verfahrens vollzogen, sondern nur die Rechtsgrundlage der Genehmigung ergänzt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, durch die Errichtung und den Betrieb einer Lagervorzone und eines Hochregallagers in E, D, nicht als Nachbar gefährdert und belästigt zu werden. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer unter anderem vor, Abspruchsgegenstand des Bescheides erster Instanz sei die Genehmigung einer Betriebsanlage nach den §§ 74, 77 und 356 GewO 1973 gewesen. Die Genehmigung einer Änderung derselben nach § 81 leg. cit. sei nicht Verfahrensgegenstand gewesen. Gemäß Kundmachung der Erstbehörde vom 28. September 1989 sei Gegenstand des Verfahrens das Ansuchen der mitbeteiligten Partei um "die Erteilung der gewerbepolizeilichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb 1. einer Lagervorzone und
2. eines Hochregallagers" gewesen. Es handle sich somit eindeutig um einen Antrag auf Neugenehmigung und nicht um einen Antrag auf eine Änderungsgenehmigung. Dennoch habe der Landeshauptmann von Vorarlberg den Bescheid auch auf § 81 GewO 1973 gestützt, da er zu Recht festgestellt habe - ohne dies allerdings im Detail dann zu begründen -, daß auch die genehmigte Anlage so geändert werde, daß sich neue oder größere Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 GewO 1973 ergeben könnten. Eine solche Vorgangsweise sei unzulässig. Um den Abspruchsgegenstand erweitern zu können, sei die Aufhebung aller Bescheide und die Rückverweisung an die erste Instanz erforderlich. Da dies die belangte Behörde nicht erkannt habe, sei der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Daran ändere auch der Hinweis der belangten Behörde nichts, das Genehmigungsansuchen habe nur als Ansuchen um Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage verstanden werden können und die Behörde erster Instanz habe auf das "Anderswerden" in der Verhandlungsschrift bereits Bezug genommen.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in dieser Gesetzesstelle genannten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen hervorzurufen.
Nach § 81 leg. cit. bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen.
Zufolge § 66 Abs. 4 AVG 1950 hat die Berufungsbehörde außer dem (hier nicht in Betracht kommenden) im Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.
Im vorliegenden Fall wertete die Behörde erster Instanz - ob zu Recht ist im gegebenen Zusammenhang nicht zu untersuchen - die beiden dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden Ansuchen der mitbeteiligten Partei als solche um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer gewerblichen Betriebsanlage und nicht als solche um Genehmigung der Änderung einer bestehenden Betriebsanlage. Der gegenteiligen Rechtsansicht der belangten Behörde vermag sich der Verwaltungsgerichtshof deshalb nicht anzuschließen, weil im erstbehördlichen Genehmigungsbescheid weder im Spruch auf die Bestimmung des § 81 GewO 1973 Bezug genommen wurde, noch sich in der Begründung der geringste Hinweis darauf findet, daß es sich bei dem in Rede stehenden Projekt um die Änderung einer bereits bestehenden Betriebsanlage handelt. Der Verwaltungsgerichtshof vermag überdies entgegen der Ansicht der belangten Behörde auch der Verhandlungsschrift vom 11. Oktober 1989 einen derartigen Hinweis nicht zu entnehmen.
Gegenstand des erstbehördlichen Bescheides und somit "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 war somit die Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer gewerblichen Betriebsanlage und nicht der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage. Dadurch, daß die Behörde zweiter Instanz in der Folge in Abänderung des erstbehördlichen Bescheides einen Genehmigungsbescheid im Sinne des § 81 GewO 1973 erließ, überschritt sie die Grenzen ihrer durch das in § 66 Abs. 4 AVG 1950 normierte Gebot der Entscheidung "in der Sache" bestimmten Zuständigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/04/0011, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Da die belangte Behörde dies verkannte und anstatt diese Rechtswidrigkeit des zweitbehördlichen Bescheides aufzugreifen, eine Sachentscheidung fällte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG schon aus diesem Grund aufzuheben. Eine Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens war sohin entbehrlich.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991040157.X00Im RIS seit
05.11.1991