TE Vwgh Erkenntnis 1991/11/5 91/04/0055

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Veröffentlicht am 05.11.1991
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §366 Abs1;
GewO 1973 §74;
GewO 1973 §81 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des Dkfm. G in N, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 23. Jänner 1991, Zl. Ge-49.071/4-1991/Sch/Th, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 27. November 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der G-GmbH zu verantworten, daß zwischen dem 17. September 1990 und dem 15. Oktober 1990 in der Zurichtehalle der Lederfabrik in N fünf Rundlaufspritzmaschinen ohne gewerbebehördliche Genehmigung betrieben worden seien; die Spritzmaschinen seien in den Sechzigerjahren als Änderungs- bzw. Ausbaumaßnahme der bestehenden genehmigten Betriebsanlage errichtet und in Betrieb genommen worden; die Farbspritzanlage sei bei ihrem Betrieb, insbesondere hinsichtlich der Abluftführung der entstehenden Farbnebel, geeignet, geruchstragende Stoffe zu emittieren, die in die Umgebung gelangten und bei den Nachbarn Geruchsbelästigungen hervorriefen, weshalb die Anlage gemäß § 81 GewO 1973 genehmigungspflichtig sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 366 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit §§ 74 ff und 81 GewO 1973 und § 9 Abs. 1 VStG 1950 verletzt. Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 4 und § 370 Abs. 2 GewO 1973 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 45.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 45 Tage) verhängt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 23. Jänner 1991 wurde das Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruches mit folgender Abänderung bestätigt: "Die Worte 'in den Sechzigerjahren' (6. Zeile Mitte) haben zu entfallen; im Spruch, 17. Zeile, sind nach dem ersten Wort 'und' folgende Worte einzufügen 'somit geeignet sind,'." Der Berufung wurde hinsichtlich des Strafausmaßes insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) herabgesetzt wurde.

Zur Begründung wurde in Ansehung der Verwirklichung des Straftatbestandes einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 ausgeführt, die Überprüfung der Aktenunterlagen der Erstbehörde habe ergeben, daß für die 5 Rundlaufspritzmaschinen, die in der Zurichterei aufgestellt seien und betrieben würden, keine gewerbebehördliche Genehmigung vorliege. Im Protokoll der Überprüfung vom 10. Juli 1990 werde auf Seite 3 Mitte festgestellt: "Laut Aktenlage sind für die Spritzlackieranlagen nur Teile davon genehmigt und es ist auf die Genehmigungspflicht als Betriebsanlageneinrichtung hinzuweisen." Bei der im Rahmen der besonderen Überwachung von Betriebsanlagen im Jahre 1981 durchgeführten Überprüfung sei u.a. das folgende, auf Seite 12 der Niederschrift Wiedergegebene erhoben worden: "Die Farbküche und der Handspritzraum sind brandbeständig erbaut ... Der Handspritzstand wurde von der Fa. S angefertigt und in dem bereits erwähnten Raum aufgestellt. Die Filterung der Abluft geschieht mittels Papierfilter. Der Handspritzstand dient nur für Versuchszwecke und ist der gesamte Raum explosionsgeschützt installiert. Die Frischluft wird vom Lichthof her angesaugt und die Abluft wird über Dach ausgeblasen. Der Spritzstand ist geerdet. Das Attest hierüber wurde vorgelegt." Der vorerwähnte Handspritzstand sei Gegenstand des in den Jahren 1976 und 1977 anhängigen Genehmigungsverfahrens gewesen; der Spritzstand sei im Plan der Ing. D-KG. vom 30. August 1976, geändert am 15. April 1977, (Überbauung der A - Fabriksgebäude) Maßstab 1 : 100, dargestellt. Auf Seite 4 der Niederschrift, Beschreibung des Altgebäudes (Bau 6), 4. Obergeschoß heiße es:

"verschiedene Kleinmaschinen in der Rahmerei, 2 Handspritzstände. Lager für Halbfertigleder". Als zusätzliche Auflage sei im Gutachten hiezu vorgeschlagen worden, daß Spritzarbeiten nur mit wässrigen Farblösungen durchgeführt werden dürften; die Verwendung organisch brennbarer Flüssigkeiten sei generell unzulässig. Auf Seite 18 der Niederschrift, Obergeschoß des Hauptgebäudes (Bau 16), Zurichterei heiße es: "an Maschinen sind hier vorhanden: 5 Spritzbänder mit Absaugung über Dach, wobei die Absaugung getrennt für Spritzstand und Trockenstrecke erfolgt. Lediglich an einem der Spritzbänder erfolgt eine Zurichtung mit Nitrodeckfarben; bei den übrigen Spritzbändern wird mit wässrigen Emulsionen gearbeitet ..."

Mit dem Bescheid der Erstbehörde vom 18. Juni 1969 sei der Neubau der Wasserwerkstätte und der Gerbhalle auf dem Grundstück Nr. 62/2 KG. N gewerbebehördlich genehmigt worden. Dieses Bauvorhaben sei nicht zur Ausführung gekommen, weshalb mit dem rechtskräftigen Bescheid der Erstbehörde vom 18. Mai 1977 das Erlöschen der vorzitierten Genehmigung im Sinne des § 80 Abs. 1 GewO 1973 festgestellt worden sei. Das vom Beschwerdeführer vorgebrachte Zitat aus der Verhandlungsschrift vom 19. Mai 1969, daß "die im Betrieb am Marktplatz verwendeten Maschinen wieder eingebaut und verwendet würden", sei somit gegenstandslos. Im übrigen sei dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, daß zum damaligen Zeitpunkt eine elektronisch gesteuerte optische Erfassung noch nicht am Markt gewesen sei.

Zutreffend sei die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, daß sämtliche Einrichtungen und Objekte einer Anlage eine Einheit bildeten und als Gesamtobjekt einer Genehmigungspflicht unterlägen. Daraus ergebe sich, daß sämtliche Anlageteile, die für sich genommen nicht gesondert genehmigungspflichtig seien und allenfalls in den Unterlagen nicht gesondert angeführt würden, als genehmigt anzusehen seien. Dies treffe jedoch auf die Rundlaufspritzmaschinen nicht zu. Ob in der Zurichterei gefährliche Stoffe eingesetzt würden oder nicht, sei im gegenständlichen Verfahren nicht relevant.

Zur Frage des Ermittlungsverfahrens sei festzuhalten, daß der Einsatz von 5 Spritzbändern bereits bei der Überprüfung im Jahre 1981 aufgezeigt worden sei. Bei der Überprüfung am 10. Juli 1990 sei der Einsatz von 5 Rundlaufspritzmaschinen beanstandet worden, einerseits mangels gewerbebehördlicher Genehmigung, andererseits wegen der unzureichenden technischen Ausführung aus der Sicht des Nachbarschutzes. Die in die Seiten 2 und 3 der Niederschrift vom 10. Juli 1990 aufgenommenen Ausführungen des technischen Amtssachverständigen begründeten schlüssig und eindeutig die Erforderlichkeit der gewerbebehördlichen Genehmigung zur Wahrnehmung der Schutzinteressen nach § 74 Abs. 2 GewO 1973. Ob die beanstandeten Rundlaufspritzmaschinen identisch seien mit den 1981 als Spritzbänder bezeichneten Einrichtungen, sei im vorliegenden Zusammenhang nicht zu prüfen. Der Umstand, daß die Spritzanlagen zum Zeitpunkt der Erteilung von andere Betriebsanlagenteile betreffenden Genehmigungen bereits vorhanden und in Betrieb gewesen seien, vermöge keineswegs das Fehlen des Tatbestandsmerkmales "Änderung einer genehmigten Betriebsanlage" zu begründen; dies schon im Hinblick darauf, daß eine Betriebsanlagegenehmigung nur auf Antrag zu erteilen sei. Sämtliche vorliegenden gewerbebehördlichen Genehmigungen seien in der Niederschrift vom 1. und 5. Oktober 1981 vollständig und übersichtlich zusammengefaßt. Die Genehmigung vom 18. Juni 1969 sei in dieser Aufstellung nicht enthalten, weil diese erloschen sei. Das Erlöschen dieser Genehmigung - wegen Nichtausführung eines Bauvorhabens - habe keinen Zusammenhang mit der vorliegenden Änderung der Betriebsanlage durch die Aufstellung und den Betrieb von fünf Rundlaufspritzmaschinen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht schuldig erkannt und nicht dafür bestraft zu werden. Er trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, die belangte Behörde habe dem angefochtenen Bescheid nicht den gesamten Gewerbeakt der G-GmbH zugrunde gelegt. Insbesondere sei auf das unter der Zl. Ge 848-1970 geführte Verfahren zu verweisen, in dessen Rahmen der Einreichplan mit der Aufstellung von drei Rundlaufspritzmaschinen behördlich genehmigt worden sei.

Der Beschwerdeführer ist mit diesem Vorbringen im Ergebnis im Recht.

Nach § 366 Abs. 1 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung u.a., wer (Z. 4) eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, (Z. 2) die Nachbarn u.a. durch Geruch zu belästigen.

Wenn es zur Wahrnehmung der in § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf im Grunde des § 81 Abs. 1 GewO 1973 auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen.

Gemäß § 60 AVG 1950 sind in der Begründung von Bescheiden die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Diese Bestimmung gilt zufolge § 67 AVG 1950 auch für die Bescheide der Berufungsbehörde.

Im Zuge der Ergänzung des Ermittlungsverfahrens richtete die belangte Behörde an die Erstbehörde unter Bezugnahme auf die Niederschrift Ge-787/1981 das Ersuchen um Vorlage u.a. des Aktes Ge-848/1970, Genehmigungsbescheid vom 17. Februar 1971. Obwohl in dem im Spruch dieses Genehmigungsbescheides als Genehmigungsgrundlage angeführten Plan (verfaßt von der Ing. D-KG als Baumeister, datiert mit 8. Oktober 1970 und versehen mit dem Genehmigungsvermerk der Erstbehörde vom 17. Februar 1971) Rundlaufspritzmaschinen eingezeichnet sind, unterließ es die belangte Behörde, in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf diesen Genehmigungsbescheid einzugehen und sich mit ihm auseinanderzusetzen. Mangels Darstellung dieses Genehmigungsbescheides in der Begründung des angefochtenen Bescheides bedarf der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung. Ferner wurde mangels einer Auseinandersetzung mit diesem Genehmigungsbescheid die Verfahrensvorschrift des § 60 AVG 1950 außer acht gelassen, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Einhaltung dieser Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die Geltendmachung von "Barauslagen" (siehe hiezu den Tatbestand "Barauslagen" in § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991040055.X00

Im RIS seit

05.11.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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