TE Vwgh Beschluss 1991/11/5 91/04/0254

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Veröffentlicht am 05.11.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 lita impl;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über den Antrag der E in H, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in S, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. Juni 1991, Zl. 310.198/2-III-3/91, betreffend gewerbliche Betriebsanlage, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben.

Begründung

In dem am 1. Oktober 1991 zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird im wesentlichen ausgeführt, der Rechtsvertreter der Antragstellerin habe am letzten Tag der Frist seine seit 1. November 1981 beschäftigte Mitarbeiterin beauftragt, die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eingeschrieben an diesem Tage zur Post zu bringen. Am nächsten Tag, dem 18. September 1991, als er das Rezepisse angefordert habe, um dieses in den Akt zu heften, habe sich herausgestellt, daß die mit der Postaufgabe beauftragte Mitarbeiterin aus einem unergründlichen Versehen heraus das Schriftstück nicht abgesandt habe. Der Umstand, daß entgegen dem vom Rechtsvertreter erteilten Auftrag die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nicht zur Post gebracht worden sei, stelle sowohl für den Rechtsvertreter, als auch für die Antragstellerin ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis dar. Es könne auch bei dem klar erteilten Auftrag und bei dem bisherigen Verhalten der Angestellten nicht davon die Rede sein, daß der Rechtsvertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht nicht nachgekommen sei, weil ja in diesem Falle von ihm verlangt werden müßte, daß er die Poststücke selbst zur Post bringe. Anhaltspunkte für eine mangelnde Verläßlichkeit der Angestellten, die mit diesem Auftrag beauftragt gewesen sei, lägen nicht vor.

Dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag wurde eine von der Mitarbeiterin unterzeichnete "eidesstattliche" Erklärung, datiert mit 1. Oktober 1991, beigegeben.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einer Partei, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die Wiedereinsetzung ist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG auch zu bewilligen, wenn eine Frist durch ein Verhalten von Angestellten des Bevollmächtigten der Partei versäumt wurde, es sei denn, es läge ein - über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes - Verschulden der Partei vor (vgl. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 25. März 1976, Slg. N.F. Nr. 9024/A). Dem Verschulden der Partei selbst ist das Verschulden ihres Vertreters gleichzustellen (vgl. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 19. Jänner 1977, Slg. N.F. Nr. 9226/A).

An diesen Aufsichts- und Kontrollpflichten eines Rechtsvertreters hat sich auch durch die Neufassung des § 46 Abs. 1 VwGG auf Grund des Bundesgesetzes, BGBl. Nr. 564/1985 nichts geändert. Es ist daher in derartigen Fällen weiterhin ausschlaggebend, ob der Rechtsvertreter der genannten Verpflichtung entsprochen hat, wobei der Unterschied zur früheren Rechtslage lediglich darin besteht, daß dann, wenn ein Verschulden des Rechtsvertreters hervorkommt, nunmehr noch zusätzlich zu klären ist, ob es sich hiebei nicht um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat es nun in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht als zweckmäßige und zumutbare Kontrollmaßnahme angesehen, daß sich der Rechtsvertreter nach Übergabe sämtlicher Schriftstücke an die bisher bewährte Kanzleikraft in jedem Fall noch von der tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung, etwa durch nochmalige Vorlage des Handaktes, überzeugt, zumal auch eine solche Maßnahme in vielen Fällen nicht zielführend erschiene, z.B. bei der - wie im gegenständlichen Fall - durchaus zulässigen Erledigung am letzten Tag der Frist oder beim Vertauschen von Schriftstücken oder Beilagen mehrerer Postsendungen (vgl. die hg. Beschlüsse vom 27. Jänner 1983, Zl. 82/08/0205, vom 22. September 1983, 83/08/0108, und vom 28. Februar 1989, Zl. 89/04/0019).

Der Verwaltungsgerichtshof legt das sich aus dem vorliegenden Antrag und der ihm beigegebenen "eidesstattlichen" Erklärung ergebende Sachverhaltsvorbringen seiner Entscheidung zugrunde. Davon ausgehend erweist sich aber die im vorliegenden Fall eingetretene Unterlassung der Postaufgabe als ein für den Vertreter der Antragstellerin und damit auch für die Antragstellerin selbst unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, welches ihn jedenfalls ohne ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden an der Beschwerdeerhebung innerhalb der Frist hinderte.

Dem vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher stattzugeben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991040254.X00

Im RIS seit

05.11.1991

Zuletzt aktualisiert am

23.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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