Index
50 GewerberechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Zulässiger Individualantrag auf Aufhebung des §7 Abs2 Wr. Fiaker-, Taxi- und Mietwagen-BetriebsO 1987 sowie der Wr. Fiakerkundmachung 1987; Delegation der Zuständigkeit in §7 Abs2 zur Erlassung bestimmter Verordnungen durch §10 Abs2 GelegenheitsverkehrsG nicht gedeckt; Beschränkung für das Auffahren auf Fiaker-Standplätzen durch die Wr. Fiakerkundmachung 1987 sachlich nicht gerechtfertigt; Verstoß des Verordnungsgebers gegen die Verpflichtung einer - hier iS des Art6 StGG und des Art7 B-VG möglichen - verfassungskonformen Auslegung des §10 Abs2 GelegenheitsverkehrsGSpruch
1. §7 Abs2 der Wiener Fiaker-, Taxi- und Mietwagen-Betriebsordnung, LGBl. für Wien Nr. 21/1987 und
die Kundmachung des Magistrates der Stadt Wien vom 1. Juni 1987, betreffend Beschränkungen bei Fiaker-Standplätzen im Bereich des 1. Wiener Gemeindebezirks (kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 23/1987)
werden als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Aufhebungen treten mit Ablauf des 31. Mai 1989 in Kraft.
Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.
2. Der auf Aufhebung weiterer Bestimmungen der Wiener Betriebsordnung 1987 gerichtete Antrag wird zurückgewiesen.
3. Der Bund (Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr) ist verpflichtet, dem Antragsteller zu Handen seines Rechtsvertreters die mit 11.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Dem §2 Abs2 des Gelegenheitsverkehrsgesetzes, BGBl. 85/1952, idF der Novelle BGBl. 125/1987 (GelVerkG) zufolge bedarf nicht nur die gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (§1 Abs1 und §2 Abs1), sondern auch jene "mit Landfahrzeugen, die durch die Kraft von Pferden bewegt und zu jedermanns Gebrauch an öffentlichen Orten bereitgehalten werden (mit Pferden betriebenes Platzfuhrwerks-Gewerbe)" einer Konzession.
§10 GelVerkG lautet unter Berücksichtigung des Bundesministeriengesetzes 1986 idF der Novelle BGBl. 78/1987 auszugsweise:
"(1) Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr kann für die diesem Bundesgesetz unterliegenden Gewerbe mit Verordnung Vorschriften erlassen über:
1. ........
(2) Erforderlichenfalls hat der Landeshauptmann im Interesse einer geordneten Gewerbeausübung und im Interesse der die Leistungen des betreffenden Gewerbes in Anspruch nehmenden Personen unter besonderer Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten weitere Vorschriften, insbesondere über ein Verbot oder eine Beschränkung des Auffahrens auf Standplätzen (§96 Abs4 StVO 1960) einer Gemeinde mit Taxifahrzeugen, die auf Grund von Konzessionen mit einem Standort außerhalb der betreffenden Gemeinde eingesetzt werden, über eine bestimmte Reihenfolge im Auffahren auf Standplätzen, über die Entgegennahme von Fahrtaufträgen mittels Standplatztelefon oder Funk sowie über den Nachtdienst durch Verordnung festzulegen. ....."
2. Aufgrund des §10 Abs2 GelVerkG erließ der Landeshauptmann von Wien am 13. Mai 1987 die Wiener Fiaker-, Taxi- und Mietwagen-Betriebsordnung, LGBl. 21/1987 (Wr. BetriebsO 1987).
Dem (in den Abschnitt "I. Allgemeine Bestimmungen" eingeordneten) §1 Abs1 zufolge gilt die Verordnung u.a. für die Ausübung der mit Pferden und Kraftfahrzeugen betriebenen Platzfuhrwerks-Gewerbe.
Die §§6 bis 13 (samt Überschriften) haben folgenden Wortlaut:
"II. Besondere Bestimmungen für das mit Pferden
betriebene Platzfuhrwerksgewerbe
Standplätze
§6. (1) Fahrzeuge des mit Pferden betriebenen Platzfuhrwerksgewerbes (Fiaker-Gewerbes) dürfen, sofern besondere straßenpolizeiliche Anordnungen nicht anderes verfügen, nur auf gemäß §96 Abs4 StVO 1960 festgesetzten, für Fiaker besonders gekennzeichneten Standplätzen auffahren.
(2) Das Aufstellen von Fiaker-Fahrzeugen außerhalb der Standplätze ist unbeschadet der straßenpolizeilichen Vorschriften gestattet, wenn
a) Fahrgäste aufgenommen oder abgesetzt werden,
b) die Fahrzeuge deutlich sicht- und lesbar als 'außer Dienst' gekennzeichnet sind.
(3) Außer Fahrdienst befindliche oder besetzte Fahrzeuge dürfen auf Standplätzen nicht abgestellt werden.
Auffahrordnung
§7. (1) Die Standplätze dürfen nur mit Fahrzeugen bezogen werden, die mit einer von der Behörde zugeteilten Fahrzeugnummer (§10) versehen sind; sie dürfen, soweit nicht anderes bestimmt ist, nach dem Grundsatz der freien Standplatzwahl bezogen werden.
(2) Standplätze, hinsichtlich derer Beschränkungen in bezug auf Fahrzeugnummern verfügt worden sind, dürfen nur nach Maßgabe dieser Beschränkungen bezogen werden. Verfügungen dieser Art sind von der Behörde zu treffen, wenn bei bestimmten Standplätzen ein besonderer Andrang von Fahrzeugen zu erwarten ist; die Beschränkungen sind entsprechend kundzumachen.
(3) Auf den Standplätzen sind die Fahrzeuge nach der Zeit ihrer Ankunft den vorhandenen Fahrzeugen anzureihen und so aufzustellen, daß ohne Gefährdung des übrigen Straßenverkehrs aus der Reihe herausgefahren werden kann.
(4) Verläßt ein Fahrzeug den Standplatz, haben die übrigen Fahrzeuge anzuschließen; an nicht angeschlossenen Fahrzeugen darf vorbeigefahren werden.
Fahrbereitschaft und Fahrzeugwahl
§8. (1) Die im Fahrdienst tätigen Personen der auf Standplätzen aufgestellten Fahrzeuge haben die Fahrzeuge stets fahrbereit zu halten und bei ihnen anwesend oder in leicht erreichbarer Nähe zu sein. Diese Personen haben stets einen mit einem Lichtbild versehenen Ausweis mitzuführen.
(2) Der Fahrgast darf ein beliebiges Fahrzeug aus der Reihe wählen.
Fahrgastaufnahme außerhalb von Standplätzen
§9. (1) Die Aufnahme von Fahrgästen außerhalb von Standplätzen darf nur erfolgen auf Grund einer in der Betriebsstätte oder Wohnung des Gewerbetreibenden eingelangten Bestellung oder wenn die Fahrgäste den Lenker bei der Fahrt zu einem Standplatz anhalten.
(2) Ein Anwerben von Fahrgästen durch Umherfahren auf Straßen oder bei insbesondere von Fremden aufgesuchten Sehenswürdigkeiten und sonstigen Örtlichkeiten, wie Volksbelustigungseinrichtungen, ist verboten.
Kennzeichnung der Fahrzeuge
§10. (1) Die im Fahrdienst verwendeten Fahrzeuge sind an gut sichtbarer Stelle mit einer von der Behörde zugeteilten Fahrzeugnummer zu versehen.
(2) Die Fahrzeugnummer ist auf Antrag des Inhabers einer Konzession für das mit Pferden betriebene Platzfuhrwerksgewerbe von der für die Erteilung der Konzession zuständigen Behörde für jedes im Betrieb verwendete Fahrzeug zuzuteilen.
(3) Bei Wechsel des Fahrzeuges darf die zugeteilte Fahrzeugnummer weiter verwendet werden. Die Verwendung ein und derselben Fahrzeugnummer für gleichzeitig im Fahrbetrieb stehende Fahrzeuge ist verboten.
III. Strafbestimmungen
§11. Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieser Verordnung werden nach §14 Abs1 Z7 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes als Verwaltungsübertretungen geahndet.
IV. Übergangs- und Schlußbestimmungen
§12. (1) ....... (bezieht sich auf Taxis)
(2) ....... (bezieht sich auf Mietwagen).
(3) Bei Zuteilung der Fahrzeugnummern nach §10 ist auf die beim Auffahren auf Standplätzen unter den Angehörigen des Wiener Fiaker-Gewerbes bisher getroffenen Vereinbarungen Bedacht zu nehmen; diesbezüglich hat die Behörde ein Gutachten der zuständigen Gliederung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien einzuholen. Diese Regelung gilt nur für Ansuchen um Zuteilung von Fahrzeugnummern für Fahrzeuge, die bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung im Fiaker-Gewerbe mit Standort in Wien verwendet worden sind, und wenn das Ansuchen bis längstens 31. Juli 1987 bei der Behörde eingebracht worden ist.
§13. (1) Diese Verordnung tritt mit 1. Juni 1987 in Kraft.
(2) Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung tritt die Verordnung des Landeshauptmannes von Wien vom 31. Jänner 1986, betreffend eine Betriebsordnung für die mit Pferden und Kraftfahrzeugen betriebenen Platzfuhrwerksgewerbe in Wien (Wiener Fiaker- und Taxi-Betriebsordnung), LGBl. für Wien, Nr. 13/1986, außer Kraft."
3. Mit Bezugnahme auf §7 Abs1 und 2 der Wr. BetriebsO 1987 erließ der Magistrat der Stadt Wien die Kundmachung vom 1. Juni 1987, Zl. MBA 1/8-650/87, betreffend Beschränkungen bei Fiaker-Standplätzen im Bereich des 1. Wiener Gemeindebezirks (Wr. Fiaker-Kundmachung 1987):
"1. Auf den Standplätzen Stephansplatz, Josefsplatz, Heldenplatz und Augustinerstraße gegenüber Albertina darf nur mit Fahrzeugen mit den amtlichen Fahrzeugnummern 1 bis 36 aufgefahren werden.
2. Auf dem Standplatz Stephansplatz ist darüber hinaus ein Auffahren mit einem der in Z1 angeführten Fahrzeuge an geraden Tagen nur mit einer auf eine gerade Zahl lautenden Fahrzeugnummer, an ungeraden nur mit einer auf eine ungerade Zahl lautenden Fahrzeugnummer gestattet."
II. 1.a) M S besitzt Konzessionen zur Ausübung des mit Pferden betriebenen Platzfuhrwerks-Gewerbes (Fiakergewerbes) mit insgesamt drei Gespannen in Wien. Gemäß §10 Abs2 der Wr. BetriebsO 1987 wurden ihm die Fahrzeugnummern 26, 40 und 41 zugeteilt.
b) Mit dem auf Art139 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Antrag vom 6. September 1988 begehrt er, die §§6 bis 11 und §12 Abs3 der Wr. BetriebsO 1987 sowie die Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben und ihm die Kosten des Verfahrens zuzusprechen.
c) Der Sache nach führt der Antragsteller zur Antragslegitimation aus, die angefochtenen Verordnungsstellen seien insoweit ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für ihn wirksam geworden, als er gehindert sei, mit seinen Gespannen Nr. 40 und 41 die in der Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 angeführten Standplätze anzufahren. Dadurch sei es ihm faktisch überhaupt unmöglich gemacht, mit diesen Gespannen seine Gewerbeberechtigung auszuüben; es könnten nämlich nur im 1. Wiener Gemeindebezirk Fahrgäste für Fiaker gefunden werden. Außer den in der Kundmachung erwähnten Standplätzen, auf die er aber mit den Gespannen Nr. 40 und 41 nicht auffahren dürfe, bestünde nur noch ein einziger Standplatz nächst dem Burgtheater, wo sich aber kaum Fahrgäste einfänden.
Es bestehe keine andere Möglichkeit, die behauptete Gesetzwidrigkeit der Verordnungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen als jene (nicht zumutbare), sich nach §11 der Wr. BetriebsO 1987 bestrafen zu lassen.
d) Gegen die bekämpften Verordnungsbestimmungen bringt der Antragsteller - zusammengefaßt - die folgenden verfassungsrechtlichen Bedenken vor:
aa) Der die erwähnten Verordnungen stützende §10 Abs2 GelVerkG sei verfassungswidrig; er bestimme den Verordnungsinhalt nicht auf eine dem Art18 Abs2 B-VG entsprechende Weise voraus.
bb) Sollte dem aber nicht so sein, so könne §10 Abs2 GelVerkG nur so verstanden werden, daß sich diese Gesetzesbestimmung ausschließlich auf das Taxigewerbe, nicht aber auf das Fiakergewerbe beziehe.
cc) Die Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 schließe bestimmte Fiaker vom Auffahren auf Standplätze überhaupt aus und regle daher - entgegen dem §10 Abs2 GelVerkG - gar nicht die Reihenfolge im Auffahren auf Standplätze. Die Verordnung sei daher im Gesetz nicht gedeckt.
dd) §7 Abs2 der Wr. BetriebsO 1987 delegiere eine andere Verwaltungsbehörde zur Erlassung einer Verordnung; das sei unzulässig. Auch die darauf beruhende Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 sei deshalb verfassungswidrig.
ee) Der Wiener BetriebsO 1987 und der Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 wohne die versteckte Absicht inne, die Ausübung des Fiakergewerbes mit den Gespann-Nummern 37 und darüber unmöglich zu machen; dies verstoße gegen Art6 StGG.
ff) Die Privilegierung der Gespanne Nr. 1 bis 36 gegenüber jenen mit höheren Nummern verletze den Gleichheitsgrundsatz.
2.a) Der Verfassungsgerichtshof forderte sowohl den Landeshauptmann von Wien (als Erlasser der Wr. BetriebsO 1987) als auch den Magistrat der Stadt Wien (als Erlasser der Wr. Fiaker-Kundmachung 1987) auf, sich in den Verordnungsprüfungsverfahren zu äußern.
Zu beiden Verordnungen erstattete (nur) der Landeshauptmann eine Äußerung; er meint, daß eine gesonderte Stellungnahme des Magistrates entbehrlich sei. Er beantragt, die angefochtenen Verordnungen nicht aufzuheben, sofern die Individualanträge überhaupt als zulässig erachtet werden.
In der Sache vertritt der Landeshauptmann die Auffassung, daß §10 Abs2 GelVerkG den Art18 Abs2 B-VG nicht verletze. Die Gesetzesbestimmung ermächtige dazu, auch für das Fiakergewerbe eine Betriebsordnung zu erlassen.
Zur Verteidigung der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungen führt der Landeshauptmann aus:
".... Entgegen der vom Antragsteller vertretenen Auffassung ist in dieser Bestimmung des §7 Abs2 der zitierten Betriebsordnung keine Delegation des Verordnungsgebers an eine untergeordnete Behörde zur Erlassung einer Verordnung enthalten. Mit dieser Bestimmung wurde der Magistrat als Gewerbebehörde nur darauf verwiesen, in welche Richtung er bei der Ausübung der ihn treffenden gewerbepolizeilichen Aufsicht vorzugehen hätte.
Bedingt durch die besondere örtliche Situation, die sich aus der Lokalisierung der Sehenswürdigkeiten von kultureller und historischer Bedeutung im 1. Wiener Gemeindebezirk ergibt, konzentriert sich der Andrang von Fiakerfahrzeugen nur an ganz bestimmten Standplätzen. Zur Sicherung einer geordneten Gewerbeausübung, aber auch zur Hintanhaltung der Beeinträchtigung des übrigen Verkehrs ist daher ein Eingreifen der Behörde unerläßlich, um auf diese Weise ein geregeltes Auffahren dieser Fahrzeuge zu den bevorzugten Standplätzen zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang hatte die Behörde auch auf die bis zur Aufhebung der Bedarfsprüfung von den Gewerbeinhabern selbst gepflogene Übung und getroffenen Vereinbarungen Bedacht zu nehmen. In dieser Hinsicht trat daher auch eine Änderung der bisher geltenden Regelung nicht ein, sondern wurde für diese nur eine rechtliche Grundlage geschaffen.
Durch die Beschränkung der Auffahrmöglichkeiten zu diesen bevorzugten Standplätzen wird in die verfassungsgesetzlich verankerte Erwerbsausübungsfreiheit keinesfalls in dem Maße eingegriffen, daß die Ausübung dieses Erwerbszweiges gänzlich unmöglich gemacht wird. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß den Gewerbetreibenden auch andere Standplätze - auch innerhalb des bevorzugten 1. Wiener Gemeindebezirkes - zur Verfügung stehen. Wenngleich der Auffassung des Antragstellers beizutreten ist, daß diese 'anderen' Standplätze wegen des geringen Kundenzuspruches wirtschaftlich weniger lukrativ sind, so ist gleichzeitig darauf hinzuweisen, daß es nicht Aufgabe des Gesetz- oder Verordnungsgebers bzw. der Gewerbebehörde ist, den Gewerbetreibenden die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Ausübung ihres Erwerbszweiges zu schaffen oder die Nachfrage nach den von ihnen angebotenen Leistungen zu sichern (vgl. VfSlg. 2586). Es unterliegt allein der wirtschaftlichen Disposition des einzelnen Gewerbetreibenden, die von ihm angebotenen Leistungen entsprechend der Nachfrage anzupassen. Da dem Antragsteller, der schon bisher eine Gewerbeberechtigung für das Fiaker-Gewerbe hatte, die besonderen Verhältnisse an den bevorzugten Standplätzen des 1. Wiener Gemeindebezirkes bekannt sein mußten, hätte er als Unternehmer danach handeln und allenfalls von einer Ausweitung seines Fiakerbetriebes Abstand nehmen müssen.
Zum weiters vorgebrachten Beschwerdegrund, durch die Regelung über die Vergabe von Fahrzeugnummern werde das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt, da eine Unterscheidung zwischen den bisherigen Gewerbeinhabern und Neubewerbern um eine Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Fiaker-Gewerbes getroffen werde, ist auf die zu Art7 B-VG ergangene Rechtsprechung zu verweisen. Der Gleichheitsgrundsatz verbietet dem Gesetzgeber nicht, sachlich gerechtfertigte Differenzierungen unter den Staatsbürgern vorzunehmen (VfSlg. 2930, 2957, 3014, 4036, 5356). Eine solche sachlich gerechtfertigte Unterscheidung liegt aber auch in der unterschiedlichen Behandlung von Personen, die bereits Inhaber einer Gewerbeberechtigung sind und solchen, die sich neu um eine Gewerbeberechtigung bewerben; andernfalls würde in das wohlerworbene Recht desjenigen, dem die Ausübung des betreffenden Gewerbes zusteht, eingegriffen. Solche Differenzierungen sind entgegen der Auffassung des Antragstellers auch schon bisher in all jenen Fällen vorgekommen, in denen die Begründung einer Gewerbeberechtigung durch eine neue gesetzliche Regelung an bestimmte Voraussetzungen gebunden wird und für die bisherigen Inhaber solcher Gewerbeberechtigungen Übergangsbestimmungen erlassen wurden. Die Auffassung des Beschwerdeführers ist schon deshalb verfehlt, weil in der angefochtenen Verordnung eine solche Differenzierung expressiv verbis gar nicht vorgenommen worden ist, sondern der Verordnungsgeber nur festgelegt hat, daß bei der Zuteilung der Fahrzeugnummern hinsichtlich jener Fahrzeuge, die schon vor dem Inkrafttreten der Verordnung in Verwendung standen und für die ein Antrag auf Nummernzuteilung bis längstens 31. Juli 1987 bei der Behörde eingelangt ist, auf die bisher unter den Angehörigen des Wiener Fiaker-Gewerbes getroffenen Vereinbarungen Bedacht zu nehmen ist."
b) Der als oberste Verwaltungsbehörde des Bundes (§58 Abs2 VerfGG) zur Abgabe einer Äußerung aufgeforderte Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr verteidigt lediglich die Verfassungsmäßigkeit des §10 Abs2 GelVerkG und verweist im übrigen auf die Stellungnahme des Landeshauptmannes.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
A. Zur Zulässigkeit der Anträge
1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die bekämpfte Verordnung für den Antragsteller nicht bloß behaupteterweise, sondern tatsächlich ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist (VfSlg. 8009/1977). Zu untersuchen ist vom Verfassungsgerichtshof hiebei lediglich, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Rechtswirkungen vorliegen (VfSlg. 8060/1977, 8587/1979, 10593/1985).
Der Antragsteller macht ausschließlich geltend, die auf Verordnungsstufe getroffene Regelung berühre seine Rechtsposition deshalb, weil er dadurch gehindert werde, seine Gewerbeberechtigung mit den Fiaker-Gespannen Nr. 40 und 41 auszuüben.
Dieser Rechtseingriff würde durch Aufhebung der Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 und des §7 Abs2 Wr. BetriebsO 1987 beseitigt. Da die übrigen Bestimmungen der Wr. BetriebsO 1987 damit nicht in untrennbarem Zusammenhang stehen und durch Aufhebung bloß des §7 Abs. 2 Wr. BetriebsO 1987 der verbleibende Verordnungsteil auch nicht einen völlig veränderten Inhalt bekäme (vgl. zB VfGH 28.9.1988 G69/88), war der auf Aufhebung der anderen Verordnungsstellen gerichtete Antrag mangels Legitimation zurückzuweisen (Pkt. 2 des Spruches).
Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung beschlossen werden.
2. Hingegen sind die Anträge, §7 Abs2 Wr. BetriebsO 1987 und die Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 als gesetzwidrig aufzuheben, zulässig (vgl. zu den Prozeßvoraussetzungen nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG zB VfSlg. 10 511/1985).
Dem Antragsteller wird durch diese Verordnungsbestimmungen in bestimmter Hinsicht verboten, seine Gewerbeberechtigung auszuüben. Der (nachteilige) Eingriff ist jedenfalls unter den oben (II.1.c) geschilderten - unbestritten gebliebenen - Umständen aktuell. Ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffs steht nicht zur Verfügung; das Provozieren eines Strafverfahrens ist unzumutbar (vgl. zB VfSlg. 9254/1981).
Die Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 ist ihres Zusammenhanges wegen untrennbar.
Auch alle übrigen Prozeßvoraussetzungen liegen hier vor.
B. Zur Sache selbst
1.a) Der Verfassungsgerichtshof hegt - entgegen der Ansicht des Antragstellers (s.o. II.1.d.aa) - nicht das Bedenken, daß §10 Abs2 GelVerkG dem Art18 Abs2 B-VG widerspricht (vgl. auch VfSlg. 10130/1984, S 95):
§10 Abs2 GelVerkG enthält keine sogenannte formalgesetzliche Delegation (vgl. hiezu zB VfSlg. 1932/1950, 4300/1962, 7945/1976, 8395/1978, 10296/1984). Vielmehr ist der Inhalt der Verordnung in ihren wesentlichen Konturen durch das Gesetz selbst vorgezeichnet. Diese sind bei Beachtung des Wortlautes des §10 Abs2 GelVerkG, seines Zusammenhanges mit den übrigen Bestimmungen des Gesetzes und seines Sinnes - wie auch die folgenden Ausführungen nachweisen - erkennbar.
b) Der erste Teil des §10 Abs2 GelVerkG bezieht sich - wie aus seinem Wortlaut und aus dem Zusammenhalt mit dem Einleitungssatz des vorangehenden Abs1 hervorgeht - auf alle dem GelVerkG unterliegende Gewerbe, also keineswegs bloß auf das Taxigewerbe, sondern auch auf das Fiakergewerbe. Diese allgemeine Verordnungsermächtigung des Landeshauptmannes wird durch die folgenden Beispiele illustriert. Nur das erste Beispiel bezieht sich ausschließlich auf Taxis, während die weiteren Beispiele (zB Regelung der Reihenfolge des Auffahrens auf Standplätzen) u.a. auch die Fiaker erfassen; Wortlaut und Zusammenhalt mit den vorhin erwähnten Bestimmungen lassen - entgegen der Meinung des Antragstellers (s.o. II.1.d.bb) - keine andere Auslegung zu.
2. Während dem Antragsteller sohin zu seinen erst- und zweitgenannten Bedenken (II.1.d.aa und bb) nicht beizupflichten ist, ist er mit den weiteren Bedenken (s.o. II.1.d.cc bis ff) im Recht:
a) §7 Abs2 der Wr. BetriebsO 1987 ermächtigt "die Behörde" (gemeint ist offenbar die Gewerbebehörde erster Instanz), für Fiaker besondere, "entsprechend kundzumachende Verfügungen" über das Beziehen von Standplätzen zu treffen. Bei einer solchen "Verfügung" - wie bei der dann tatsächlich aufgrund des §7 Abs2 der Wr. BetriebsO 1987 erlassenen Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 - handelt es sich um eine an die Allgemeinheit gerichtete generelle Norm, also um eine Rechtsverordnung. Die vom Landeshauptmann in seiner Gegenschrift vertretene Meinung, §7 Abs2 der Wr. Betriebsordnung 1987 "verweise den Magistrat als Gewerbebehörde nur darauf, in welcher Richtung er bei Ausübung der ihn treffenden gewerbepolizeilichen Aufsicht vorzugehen hätte" spricht nicht gegen den Rechtsverordnungscharakter der Norm (vgl. zB VfGH 29.2.1988 V11/87; 1.10.1987 V33/87).
§10 Abs2 GelVerkG ermächtigt den Landeshauptmann zur Erlassung bestimmter Durchführungsverordnungen. Damit wird anderen Behörden verwehrt, derartige Verordnungen zu erlassen. Dem Landeshauptmann ist mangels einer anderslautenden, ausdrücklichen Gesetzesbestimmung verboten, die ihm mit §10 Abs2 GelVerkG übertragene Kompetenz weiterzugeben (vgl. Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht, 1988, insb. 523, 532 und die dort zitierte Judikatur des VfGH und weitere Literatur).
Die durch §7 Abs2 Wr. BetriebsO ausgesprochene Delegation widerspricht sohin dem §10 Abs2 GelVerkG und verletzt also den Art18 Abs2 B-VG.
b) aa) Daher ist auch die (nur) auf der als gesetzwidrig erkannten Bestimmung des §7 Abs2 der Wr. BetriebsO beruhende Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 gesetzwidrig.
bb) Die Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 widerspricht aber auch aus weiteren Gründen dem Gesetz. Sie beschränkt nämlich die Möglichkeit der Erwerbsausübung und greift daher in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit ein. Ein solcher Eingriff ist als eine Beschränkung der Erwerbsausübung nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfGH 1.12.1987 G132/87, 4.10.1988 G107/88) nur zulässig, wenn er durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt ist. Wenn auch dem (einfachen) Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen steht als bei Regelungen, die den Erwerbsantritt beschränken, weil und insoweit der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre durch Ausübungsregelungen weniger gravierend ist, müssen doch auch Ausübungsregelungen bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein.
bb) Die Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 verbietet bestimmten Konzessionsinhabern (nämlich denen die Fahrzeugnummern 37 und darüber zugeteilt wurden - vgl. §10 Wr. BetriebsO 1987) auf bestimmten Fiaker-Standplätzen aufzufahren. Da nun einerseits gemäß §6 der Wr. BetriebsO 1987 in Wien Fiaker nur auf für sie bestimmter Standplätzen auffahren dürfen, andererseits die in der Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 angeführten Standplätze nahezu die einzigen sind, auf denen - wie das Verordnungsprüfungsverfahren ergeben hat - mit dem Zusteigen von Fahrgästen gerechnet werden kann, wird den erwähnten Konzessionsinhabern die Ausübung der Erwerbstätigkeit faktisch fast unmöglich gemacht (vgl. hiezu zB VfSlg. 3968/1961).
Der Verfassungsgerichtshof hat unter dem Gesichtspunkt dieses Verordnungsprüfungsverfahrens auch keine Bedenken, daß §10 Abs2 GelVerkV den Art6 StGG verletzt (siehe auch oben III.B.1.a). Es liegt nämlich offenkundig im öffentlichen Interesse, gegebenenfalls die Reihenfolge des Auffahrens auf einem Standplatz zu regeln.
Der Verordnungsgeber hat ein von ihm durchgeführtes Gesetz verfassungskonform - so insbesondere, daß es nicht den Art6 StGG und Art7 B-VG widerspricht - auszulegen.
Bei verfassungskonformer Interpretation trägt §10 Abs2 GelVerkG dem Landeshauptmann auf, die Reihenfolge des Auffahrens nicht derart zu regeln, daß bestimmten Konzessionsinhabern die Ausübung ihres Gewerbes in der wirtschaftlichen Auswirkung überhaupt verboten wird; vielmehr muß die für die Gemeinde geltende Auffahrordnung - insgesamt betrachtet - derart beschaffen sein, daß allen Konzessionsinhabern (bei einer Durchschnittsbetrachtung) die gleichen Chancen, Fahrgäste zu bekommen, gewahrt werden.
Die Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 enthält sohin eine Beschränkung für das Auffahren auf Fiaker-Standplätzen, die sachlich nicht zu rechtfertigen ist. Sie steht im Gegensatz zu §10 Abs2 GelVerkG, sofern diese Gesetzesbestimmung nur verfassungskonform interpretiert wird, wozu aber - wie dargetan - der Verordnungsgeber verpflichtet ist.
c) Sowohl §7 Abs2 der Wr. BetriebsO 1987 als auch die Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 widersprechen sohin dem Gesetz und sind daher aufzuheben.
3. Die übrigen Aussprüche des Punktes 1 des Spruches gründen sich auf Art139 Abs5 B-VG.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §61a VerfGG.
In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 1.000 S enthalten.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Prüfungsgegenstand, Behördenzuständigkeit, Delegation formalgesetzliche, Delegierung der Zuständigkeit zur Verordnungserlassung, Gelegenheitsverkehr, Fiaker, Auslegung verfassungskonforme, ErwerbsausübungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:V174.1988Dokumentnummer
JFT_10109699_88V00174_00