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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §71 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des NN in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 19. November 1990, Zl. Ve-550-1725/3, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Bausache (mitbeteiligte Partei: Gemeinde P), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
In einem baupolizeilichen Verfahren wurde dem Beschwerdeführer am 27. Juli 1990 ein Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde zugestellt. Der Bescheid enthielt die Rechtsbelehrung, daß nach Erschöpfung des Instanzenzuges bei der Landesregierung dagegen Vorstellung erhoben werden könne, und weiters, daß die Vorstellung binnen zwei Wochen nach Zustellung beim Gemeindeamt einzubringen sei.
Die Vorstellung gegen diesen Bescheid gab der Beschwerdeführer am 8. August 1990 zur Post, er adressierte sie jedoch nicht an das Gemeindeamt, sondern an das Amt der Tiroler Landesregierung. Die Weiterleitung von der Tiroler Landesregierung an das Gemeindeamt erfolgte erst am 14. August 1990. Die Vorstellung wurde daher mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 28. September 1990 wegen Verspätung zurückgewiesen, da der letzte Tag zur rechtzeitigen Einbringung der Vorstellung der 10. August 1990 gewesen wäre.
Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer gegen die Versäumung der Vorstellungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, daß ein Rechtsirrtum vorgelegen und er, zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertreten, der Meinung gewesen sei, die Vorstellung sei beim Amt der Tiroler Landesregierung einzubringen. Dieser Rechtsirrtum sei u.a. dadurch herbeigeführt worden, daß im Bescheid des Gemeindevorstandes ein Hinweis darauf enthalten sei, daß zur Entscheidung über die Vorstellung die Landesregierung berufen sei. Überdies hätte die Frist zur Einbringung der Vorstellung beim Gemeindeamt gewahrt werden können, wenn das Amt der Tiroler Landesregierung die Vorstellung unverzüglich an das Gemeindeamt weitergeleitet hätte.
Mit dem angefochtenen Bescheid lehnte die belangte Behörde diesen Antrag auf Wiedereinsetzung mit der Begründung ab, daß der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund nach § 71 Abs. 1 lit. a AVG (1950) nicht vorliege. Da die Rechtsbelehrung ausdrücklich den Satz enthalten habe, daß die Vorstellung beim Gemeindeamt einzubringen sei, könne auch dadurch, daß die Landesregierung als zur Entscheidung befugte Behörde angeführt werde, für eine sorgfältige Prozeßpartei nicht zweifelhaft sein, wo die Vorstellung einzubringen sei. Falls er jedoch im Zweifel gewesen sei, hätte er diesbezüglich Informationen einholen können. Es müsse daher - gemessen am Maßstab einer sorgfältigen Prozeßpartei - das Vorliegen von Fahrlässigkeit angenommen werden. Bereits leichte Fahrlässigkeit schließe jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes aus. Der Behörde sei auch eine verspätete Weiterleitung des unrichtig an sie adressierten Schriftstückes nicht vorzuwerfen gewesen, da die Vorstellung erst am 9. August 1990 beim Amt der Tiroler Landesregierung eingelangt sei. Im Hinblick auf den Umfang des Amtes sei eine Frist von fünf Tagen zur Weiterleitung durchaus angemessen. Es könne daher der Behörde weder eine vorsätzliche noch eine fahrlässige Verzögerung der Erledigung vorgeworfen werden. Es könne von Bediensteten einer Posteinlaufstelle nicht verlangt werden, die Unzuständigkeit der Behörde zu erkennen und die Eingabe weiterzuleiten.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 11. Juni 1991, Zl. B 1356/90, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß zur Entscheidung abtrat.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides als rechtswidrig.
Hierüber hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG zusammengesetzten Senat erwogen:
In der hier noch anzuwendenden Fassung des AVG 1950 vor der Novelle 1990, BGBl. Nr. 357, (die gemäß ihrem Art. IV erst mit 1. Jänner 1991 in Kraft getreten ist, ohne daß sie auf zu diesem Zeitpunkt anhängige Verfahren anzuwenden wäre) ist nach § 71 Abs. 1 lit. a gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Im Gegensatz zur Fassung der Novelle 1990 setzt also die Fassung des § 71 AVG 1950 vor dieser Novelle das Fehlen jeglichen Verschuldens voraus. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht erkennen, aus welchem Grund bei gehöriger Aufmerksamkeit eine Partei trotz der ausdrücklichen Belehrung, wo die Vorstellung einzubringen sei, nur aus der Angabe, welche Behörde über die Vorstellung entscheide, entnehmen konnte, daß das Rechtsmittel dort einzubringen sei. Den Beschwerdeführer trifft also insofern ein gewisses Verschulden, als er entweder die Rechtsbelehrung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gelesen oder aber, wenn er sie wirklich nicht verstanden haben sollte, nicht die entsprechende Auskunft darüber bei einer Behörde oder einem Rechtsvertreter eingeholt hat. Dies schließt aber nach dem noch anzuwendenden Recht die Bewilligung der Wiedereinsetzung aus.
Auf die vom Beschwerdeführer im Hinblick auf § 6 Abs. 1 AVG aufgeworfene Frage, innerhalb welcher Zeit das Amt der Landesregierung das falsch adressierte Schriftstück an die richtige Einbringungsstelle zurücksenden hätte müssen, war schon deshalb nicht einzugehen, weil dies für die Frage der Wiedereinsetzung ohne Bedeutung ist. Bemerkt sei nur, daß es gleichgültig wäre, ob fünf Tage interner Aktenlauf ausreichend oder zu viel seien, da die Verspätung bereits durch einen Tag Aktenlauf, der der Behörde jedenfalls zugebilligt werden müßte, eingetreten wäre.
Da sich bereits aus dem Beschwerdevorbringen ergibt, daß die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt hat, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahrens in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991060132.X00Im RIS seit
07.11.1991