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L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Tir 1989 §30 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des A in B, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. August 1991, Zl. Ve-550-1488/3, betreffend Nachbareinwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde B) 2. X), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der vorliegenden Beschwerde und der ihr beigeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der Zweitmitbeteiligte beantragte beim Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die Erteilung der Baubewilligung für den Abbruch und den Neubau des Stall- und Wirtschaftsgebäudes auf einer Grundparzelle, die vom Grundstück des Beschwerdeführers durch einen Hohlweg getrennt ist und in der sogenannten "roten Wildbachgefahrenzone" liegt, während die Liegenschaft des Beschwerdeführers diese Gefahrenzone zwar berührt, sich aber im übrigen in der "gelben Wildbachgefahrenzone" befindet.
Der Beschwerdeführer hat in der über dieses Bauvorhaben durchgeführten Bauverhandlung die - auch noch in der Beschwerde aufrechterhaltene - Einwendung erhoben, durch den Neubau des Stall- und Wirtschaftsgebäudes des Zweitmitbeteiligten werde die Vermurungsgefahr für das Anwesen des Beschwerdeführers erhöht, und zwar deshalb, weil durch das geplante Bauobjekt die derzeit bestehenden Zwischenräume an der Nordseite zwischen dem Stall und einem östlich anschließenden Objekt im Ausmaß von ca. 4 m und an der Westseite zwischen dem bestehenden Objekt und einem bereits abgetragenen, alten Objekt im Ausmaß von 5,3 m verschlossen würden. Gleichzeitig komme die neue Nordfront der geplanten Baulichkeit um einige Meter weiter nördlich zu stehen, als dies bisher der Fall gewesen sei. Diese Umstände würden im Falle eines Murenabganges dazu führen, daß ein Abfließen des Murenmaterials auf das Grundstück des Zweitmitbeteiligten im bisherigen Umfang nicht mehr möglich wäre und daher mit einer verstärkten Ablagerung des vom geplanten Bauwerk des Zweitmitbeteiligten abgelenkten Murenmaterials auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers zu rechnen sei.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. Oktober 1990 wurde der zweitmitbeteiligten Partei die Baubewilligung erteilt.
Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 4. April 1991 abgewiesen; die vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung blieb erfolglos. Die belangte Behörde stützte sich in ihrem Bescheid vom 29. August 1991 auf ein von ihr eingeholtes Gutachten der zuständigen Gebietsbauleitung des forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung vom 6. Juni 1991, worin dargelegt wird, daß durch die Bauführung eine Verschlechterung der Situation des Beschwerdeführers hinsichtlich eines möglichen Murenabganges nicht eintreten werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Hinsicht beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. dazu u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A, uva.).
Gemäß § 30 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989, sind Nachbarn Eigentümer von Grundstücken, die zu dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß durch die bauliche Anlage oder durch deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf ihr Grundstück oder die darauf errichtete bauliche Anlage zu rechnen ist. Dem Grundeigentümer ist der Bauberechtigte gleichgestellt.
Gemäß § 30 Abs. 4 TBO hat die Behörde über eine Einwendung abzusprechen, die - von einem Nachbarn erhoben - die Verletzung eines Rechtes behauptet, das in einer Bestimmung dieses Gesetzes oder einer Verordnung aufgrund dieses Gesetzes begründet ist, die nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dient (subjektiv-öffentlich rechtliche Einwendung). Subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen können insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, insbesondere auf die §§ 12 bis 16b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden.
Gemäß § 4 Abs. 1 erster und zweiter Satz TBO dürfen bauliche Anlagen nur auf Grundstücken errichtet werden, die sich nach ihrer Widmung, Lage, Form, Größe und Bodenbeschaffenheit für die vorgesehene Bebauung eignen und eine dieser Bebauung entsprechende, rechtlich gesicherte Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche haben. Im Freiland, mit Ausnahme von Sonderflächen, dürfen bauliche Anlagen nicht auf Grundstücken errichtet werden, die durch Hochwasser, Vermurungen, Steinschlag, Erdrutsch, Lawinen oder andere Gefahren bedroht sind, es sei denn, daß Maßnahmen zur Abwendung dieser Gefahren technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar sind.
Diese für murengefährdete Grundstücke geltenden Baubeschränkungen dienen nur dem Schutz des Bauwerbers und der Personen, welche sich in der Baulichkeit aufhalten werden, allenfalls darüber hinaus auch dem öffentlichen Interesse an einer die Naturgefahren berücksichtigenden Bebauung, nicht jedoch dem Interesse des Nachbarn. Auch handelt es sich bei den vom Beschwerdeführer befürchteten Auswirkungen von Murenabgängen nicht um Rückwirkungen, die - im Sinne des § 30 Abs. 1 TBO - durch die bauliche Anlage oder durch deren Benützung entstehen. Der Beschwerdeführer hat unter baurechtlichen Gesichtspunkten weder ein subjektiv-öffentliches Recht darauf, daß der Zweitmitbeteiligte das Eindringen von Murenmaterial im Falle eines Murenabganges auf seine Liegenschaft im bisherigen Umfang auch weiterhin hinzunehmen hätte, noch darauf, daß bei baulichen Maßnahmen auf Nachbargrundstücken darauf zu achten wäre, daß die im Katastrophenfall für das Grundstück des Beschwerdeführers zu erwartende Materialablagerung keine quantitative Veränderung erfährt. Es ist vielmehr in erster Linie Sache jedes Grundeigentümers (so auch des Beschwerdeführers) sich durch geeignete Schutzvorrichtungen selbst vor den Auswirkungen von Naturgewalten zu schützen. Soweit sich solche Ansprüche des Beschwerdeführers allenfalls aus dem Zivilrecht (z.B. § 364 Abs. 2 ABGB) herleiten, sind sie vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen.
Eine sonstige Gefährdung durch die Bauführung oder durch vom Bauvorhaben des Zweitmitbeteiligten ausgehende Immissionen wird vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht behauptet. Da dem Beschwerdeführer schon auf dem Boden des Beschwerdevorbringens subjektiv-öffentliche Nachbarrechte im Rahmen der von ihm erhobenen Einwendungen nicht zukommen und somit schon die Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991060187.X00Im RIS seit
03.05.2001