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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ArbIG 1974 §9 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. April 1991, Zl. MA 63 - W 60/90/Str., betreffend Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes (mitbeteiligte Partei: W in M, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde "von der Fortsetzung des gegen Herrn W als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der als Arbeitgeber fungierenden W-Gesellschaft m. b.H. eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens wegen Beschäftigung von Arbeitnehmern während der Wochenendruhe am 26. November 1988 gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG 1950" abgesehen und die Einstellung des Verfahrens verfügt. Nach der Begründung stehe aufgrund der unwiderlegten Angaben in der Anzeige des Arbeitsinspektorates fest, daß die in der Anzeige genannten Arbeitnehmer im dort angeführten Betrieb am Samstag, dem 26. November 1988, nachmittags dort beschäftigt worden seien, obwohl dieser Betrieb auch am Samstag, dem 5. November 1988, nachmittags offengehalten worden wäre. Ferner heißt es:
"Nach dem glaubhaften Vorbringen des Beschuldigten haben die Arbeitnehmer am 26. November 1988 im Sinne des § 3 Abs. 4 des Arbeitsruhegesetzes Arbeitszeit eingearbeitet, die innerhalb der siebenwöchigen Frist des § 4 Abs. 3 des Arbeitszeitgesetzes in Verbindung mit Feiertagen ausgefallen ist. Nach den unbedenklichen Aussagen der Zeugen Dr. R (Leiter des rechts- und gewerbepolitischen Referates der Sektion Handel der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien) und Mag. E (Leiter des sozialpolitischen Referates der Sektion Handel der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien) war nach Auffassung der genannten Kammer ein solches Einarbeiten auch dann zulässig, wenn der Betrieb am 5. November 1988 nachmittags offengehalten worden war, sodaß die Wochenendruhe der Arbeitnehmer am 26. November 1988 gemäß § 3 Abs. 4 des Arbeitsruhegesetzes bis spätestens 18.00 Uhr aufgeschoben werden konnte. Diese Rechtsmeinung wurde nach Aussage der Zeugen schon vor diesem Zeitpunkt einer nicht mehr feststellbaren großen Zahl von Kammermitgliedern telefonisch mitgeteilt und auch in Medien verbreitet. Es ist deshalb davon auszugehen, daß diese Meinung unter den Kammermitgliedern allgemein verbreitet war. Da der Beschuldigte auf die Richtigkeit der von der zuständigen gesetzlichen Interessenvertretung geäußerten Rechtsmeinung vertrauen durfte, erscheint es im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 516/1987 glaubhaft, daß ihn selbst dann, wenn diese Meinung unrichtig war, an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Die Einstellung des Verfahrens war daher ohne weitere Prüfung der Rechtslage zu bestätigen."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 9 Abs. 2 ArbIG 1974 gestützte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen hat:
Die belangte Behörde ging bei ihrer Entscheidung davon aus, daß der Mitbeteiligte auf die Richtigkeit der von Organen seiner gesetzlichen Interessenvertretung geäußerten Rechtsmeinung über die Zulässigkeit der Beschäftigung von Arbeitnehmern gemäß § 4 Abs. 3 des Arbeitszeitgesetzes in Verbindung mit § 3 Abs. 4 des Arbeitsruhegesetzes vertraut habe, und knüpfte daran die rechtliche Beurteilung, daß er dies auch durfte. "Ohne weitere Prüfung der Rechtslage" (und ohne nähere Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes) vermeinte die belangte Behörde, aus diesem Grunde ein Verschulden des Mitbeteiligten an den ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen ausschließen zu können. Dabei übersah sie jedoch, daß sich der Mitbeteiligte im Verwaltungsstrafverfahren zu seiner Rechtfertigung nie darauf berufen hat, einer bestimmten, von Organen seiner gesetzlichen Interessenvertretung geäußerten Rechtsmeinung vertraut zu haben. Die der Begründung des angefochtenen Bescheides offenbar zugrundeliegende Annahme, daß "diese" - in der Begründung des angefochtenen Bescheides im übrigen bloß in allgemein gehaltener Form wiedergegebene - Meinung, weil "unter den Kammermitgliedern allgemein verbreitet", auch dem Mitbeteiligten bekannt gewesen sein müßte, findet im Inhalt der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens keine Deckung.
Da der Sachverhalt somit in einem wesentlichen Punkte von der belangten Behörde aktenwidrig angenommen wurde, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991190209.X00Im RIS seit
23.03.2001Zuletzt aktualisiert am
01.10.2013