TE Vwgh Erkenntnis 1991/11/11 91/19/0279

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Veröffentlicht am 11.11.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §46 Abs13;
AAV §46 Abs6;
AAV §46 Abs9;
AAV §93 Abs5;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
ASchG 1972 §31 Abs5;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
BArbSchV §1;
BArbSchV §19 Abs4;
BArbSchV §2;
VStG §24;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 idF 1983/176;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Dipl. Ing. S in V, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 1. August 1991, Zl. 14-SV-3080/3/91, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung-AAV, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Schuldspruches sowie des Straf- und Kostenausspruches wegen der Übertretung nach "§ 46 Abs. 9 und 13" AAV wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. August 1991 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der T. Ges.m.b.H. zu verantworten, daß, wie anläßlich einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat auf einer näher angeführten Baustelle am 16. Oktober 1989 festgestellt worden sei, 1) beim gesamten Stahlrohrgerüst die Mittelwehren gefehlt hätten, obwohl die Absturzhöhe 6 m betragen habe und Arbeitnehmer auf diesem Gerüst beschäftigt worden seien und 2) ein Vormerk über die Überprüfung dieses Stahlgerüstes nicht vorgelegt hätte werden können. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen und zwar zu 1) nach § 46 Abs. 6 AAV und zu 2) nach § 46 Abs. 9 und 13 AAV begangen. Es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

ZUR ÜBERTRETUNG NACH § 46 ABS. 6 AAV:

Zum Verhältnis zwischen der Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 267/1954 (im folgenden kurz: BV), zur AAV sei der Beschwerdeführer zunächst auf das hg. Erkenntnis vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0184, verwiesen, wonach entsprechend dem Wortlaut des § 2 BV in Verbindung mit § 93 Abs. 5 AAV bei den unter den Geltungsbereich der BV fallenden Arbeiten grundsätzlich die einschlägigen Vorschriften der AAV zusätzlich zu denen der BV anzuwenden sind und dieser Grundsatz unter dem Vorbehalt steht, daß im nachstehenden, d.h. in den weiteren, dem § 2 BV folgenden Bestimmungen dieser Verordnung nicht anderes bestimmt, also die Anwendungen "auch" der AAV ausgeschlossen wird. Weiters wurde in diesem Erkenntnis dargelegt, daß Gerüstlagen (Gerüstbeläge), bei denen eine Absturzgefahr aus mehr als 2 m besteht, insgesamt mit einer Brustwehr und einer Fußwehr, dies nach § 19 Abs. 4 BV, sowie mit einer Mittelwehr, dies nach § 46 Abs. 6 AAV, versehen sein müssen; verzichtet § 19 Abs. 4 BV bei einfach gestellten Leitergerüsten auf die Fußwehr, dann bedeutet das nicht, daß auch eine Mittelwehr nicht angebracht sein muß. § 19 Abs. 4 BV nennt keine Mittelwehr; es kann aus seiner Formulierung nicht auf den Wegfall dieser nach § 46 Abs. 6 AAV geforderten Wehr geschlossen werden.

Im übrigen ist der Beschwerde zur Frage der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes entgegenzuhalten, daß sich das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren auf das Fehlen der "Brustwehren", nicht jedoch auf das Fehlen von "Mittelwehren" bezogen hat. Mit dem im Instanzenzug aufrecht erhaltenen Schuldspruch wurde dem Beschwerdeführer allerdings allein das Fehlen von "Mittelwehren" vorgeworfen. Da auch die vom Beschwerdeführer beantragte Einvernahme des Poliers Sch. nicht auf das Fehlen der Mittelwehren bezogen war, kann das Unterbleiben dieser Zeugeneinvernahme in Hinsicht auf den objektiven Tatbestand keinen wesentlichen Verfahrensmangel bilden.

Aber auch die subjektive Tatseite wurde von der belangten Behörde richtig beurteilt: Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren läßt sich dahin zusammenfassen, daß der Beschwerdeführer die Bestellung des Poliers Sch. als Bevollmächtigten im Sinne des § 31 Abs. 5 des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972 (im folgenden kurz: ASchG) ins Treffen führte.

Nach § 31 Abs. 2 lit. p ASchG begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte dann eine Verwaltungsübertretung, wenn sie den Vorschriften der auf Grund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den auf Grund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln.

Gemäß § 31 Abs. 5 ASchG sind Arbeitgeber neben ihren Bevollmächtigten strafbar, wenn die Übertretung mit ihrem Wissen begangen wurde oder wenn sie bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung der Bevollmächtigten es an der erforderlichen Sorgfalt haben fehlen lassen.

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 91/19/0246) ist von der Behörde von Amts wegen zu ermitteln, ob der Arbeitgeber (bzw. in Fällen des § 9 VStG das dort genannte Organ) etwa bei der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten es an der erforderlichen Sorgalt habe fehlen lassen, wobei dem Arbeitgeber dabei die Verpflichtung obliegt, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen. Ob der Arbeitgeber dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit ist, hängt im Einzelfall davon ab, ob er sich (entsprechend dieser Mitwirkungspflicht) darauf zu berufen vermag, daß er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen; die bloße Erteilung von Weisungen reicht nicht hin, entscheidend ist deren wirksame Kontrolle, wobei vom Arbeitgeber das bezügliche Kontrollsystem dazulegen ist.

Von der Darlegung eines diesbezüglichen Kontrollsystems durch den Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren kann allerdings keine Rede sein. Selbst wenn das Vorbringen des Beschwerdeführers dahin zu verstehen gewesen wäre, daß er eine "stichprobenartige" Überwachung des Bevollmächtigten vorgenommen habe, so wäre für den Beschwerdeführer damit nichts gewonnen, weil dies nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa vom 23. April 1990, Zl. 90/19/0068) nicht als ausreichend erachtet wird. Es bedurfte daher auch nicht der vom Beschwerdeführer beantragten Zeugeneinvernahme für die Richtigkeit seines Vorbringens.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin in bezug auf die Verwaltungsübertretung nach § 46 Abs. 6 AAV als unbegründet, sodaß die Beschwerde in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

ZUR ÜBERTRETUNG NACH § 46 ABS. 9 UND 13 AAV:

Diese Vorschriften lauten:

§ 46 (9) Gerüste dürfen nur von geeigneten, fachkundigen und hiezu berechtigten Personen oder unter fachkundiger Aufsicht von mit solchen Arbeiten vertrauten Personen aufgestellt, wesentlich geändert oder abgetragen werden. Die mit diesen Arbeiten nicht beschäftigen Arbeitnehmer haben sich außerhalb des Gefahrenbereiches aufzuhalten. Gerüste sind nach ihrer Fertigstellung einer Prüfung zu unterziehen; sie dürfen erst nach ihrer Fertigstellung und Prüfung in Verwendung genommen werden.

(13) Prüfungen nach den Abs. 2, 9 und 10 sind von geeigneten, fachkundigen und hiezu berechtigten Aufsichtspersonen durchzuführen. Über die Prüfungen nach den Abs. 9 und 10 sind bei Gerüsten, von denen Arbeitnehmer mehr als 2 m abstürzen können, Vormerke zu führen.

Der angefochtene Bescheid ist mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weil der dem Beschwerdeführer gemachte Vorwurf, daß ein Vormerk über die Überprüfung des Stahlgerüstes "nicht vorgelegt werden konnte", weder unter die zitierte Vorschrift des § 46 Abs. 9 AAV noch unter jene des § 46 Abs. 13 AAV subsumierbar ist, zumal nach dem zweiten Satz der letztangeführten Vorschrift lediglich das "Führen" der Vormerke geboten ist.

Der angefochtene Bescheid war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht Arbeiterschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991190279.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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