TE Vwgh Erkenntnis 1991/11/11 91/10/0100

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Veröffentlicht am 11.11.1991
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Index

L55006 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Steiermark;
L55056 Nationalpark Biosphärenpark Steiermark;
L81506 Umweltschutz Steiermark;
L81516 Umweltanwalt Steiermark;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §8;
NatSchG Stmk 1976 §13 Abs4;
NatSchG Stmk 1976 §13 Abs5;
UmweltschutzG Stmk 1988 §6 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Puck, Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde des Umweltanwaltes des Landes Steiermark, Stempfergasse 7, 8010 Graz, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 13. März 1991, Zl. 6-53 Sa 1/8-1991, betreffend Ausnahmegenehmigung nach dem Naturschutzgesetz (mitbeteiligte Partei: P in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte begehrte mit Eingabe vom 2. Jänner 1991 eine Bewilligung zum Sammeln von Schmetterlingen und ihren Entwicklungsstadien. Die daraus resultierenden Erkenntnisse würden in der ZOODAT gespeichert. Der Antrag wurde von einem Sachverständigen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Arbeitsgruppe für Ökologie und Naturschutz, befürwortet. Die Zuführung der Daten in das Projekt ZOODAT werde es in Hinkunft ermöglichen, diese Daten im Rahmen der Faunistik der Steiermark zu nutzen. Von seiten des Landesmuseums Joanneum wurden keine Einwände gegen die vom Mitbeteiligten geplante Sammeltätigkeit erhoben, sofern die ermittelten Daten der Abteilung für Zoologie zur Verfügung gestellt würden.

Ohne dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährt zu haben, erteilte die Steiermärkische Landesregierung mit Bescheid vom 13. März 1991 - er umschreibt seinen Gegenstand mit "Ansuchen um Sammelgenehmigung von Schmetterlingen und deren Entwicklungsstadien" - gemäß § 13 Abs. 5 lit. a des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976 - NSchG 1976, LGBl. Nr. 65, in Verbindung mit der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung über den Schutz wildwachsender Pflanzen und von Natur aus freilebender und nicht der Jagdausübung unterliegender Tiere (Naturschutzverordnung), LGBl. Nr. 52/1987, dem Mitbeteiligten "aufgrund des Ansuchens vom 2.1.1991" eine bis Ende 1991 befristete Ausnahmebewilligung "für die Mitnahme von Exemplaren von geschützten Tieren" unter einer Reihe von Auflagen. Diese lauten (auszugsweise):

"1. Je Art der gesammelten Tiere dürfen nur so viele Exemplare entnommen werden, wie dies zur Bestimmung unerläßlich ist.

2. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind der Abteilung für Zoologie, A-8010 Graz, Raubergasse 10, zur Verfügung zu stellen. Eine Sammeltätigkeit in Naturschutzgebieten ist zu unterlassen.

3.

....

4.

Sehr seltene Arten oder Arten, die in der Roten Liste als gefährdet bis zum Aussterben bedroht klassifiziert sind, dürfen nicht gesammelt, getötet, aus ihrem Lebensraum entfernt oder sonstwie beeinträchtigt werden.

              5.              ...."

Begründet wurde dieser Bescheid damit, daß die Überprüfung der Angelegenheit durch einen Sachverständigen sowie durch das Landesmuseum Joanneum keine Bedenken gegen die Mitnahme von Belegexemplaren durch den Mitbeteiligten ergeben habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde nach Art. 131 Abs. 2 B-VG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde erstattet und den Verwaltungsakt vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 13 Abs. 1 NSchG 1976 ermächtigt die Landesregierung, durch Verordnung wildwachsende Pflanzen und von Natur aus freilebende und nicht der Jagdausübung unterliegende Tiere, für die eine Gefährdung oder Vernichtung ihres Vorkommens zu befürchten ist und für die ein Schutzbedürfnis besteht, vollkommen oder, wenn es für die Erhaltung der Art ausreicht, teil- oder zeitweise zu schützen. Auf Grund dieser Ermächtigung erging die Naturschutzverordnung, laut deren § 4 lit. E Z. 6 die dort angeführten Arten von Schmetterlingen im Sinne des § 13 Abs. 4 NSchG 1976 ganzjährig geschützt sind.

Gemäß § 13 Abs. 4 NSchG 1976 dürfen geschützte Tiere nicht mutwillig beunruhigt, nicht verfolgt, gefangen, gehalten, getötet, lebend oder tot anderen überlassen, erworben, verwahrt, befördert, gehandelt oder verarbeitet werden. Der Schutz erstreckt sich sinngemäß auch auf die Entwicklungsformen, auf Tierteile und auf Brutstätten. Nach Abs. 5 dieses Paragraphen kann die Landesregierung Ausnahmen von den Schutzbestimmungen nach Abs. 2 bis Abs. 4 auf Antrag im Einzelfall mit Zustimmung des Grundeigentümers (Verfügungsberechtigten) und bei Tieren nach Anhörung der Steirischen Landesjägerschaft für bestimmte Flächen bei reichlichem Vorkommen und gesichertem Weiterbestand

a)

aus wissenschaftlichen oder Zuchtgründen,

b)

zur Hintanhaltung von Schäden,

c)

aus gerechtfertigten wirtschaftlichen Gründen bewilligen.

2. Der Beschwerdeführer wendet ein, die Ausnahmebewilligung sei "nicht auf einen Einzelfall abgestellt", sondern gelte generell für die Mitnahme von Exemplaren von geschützten Tieren; Abs. 5 lasse jedoch eine Sammelbewilligung "nur eingeschränkt für bestimmte Arten" zu.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag dieses Verständnis der Wendung "im Einzelfall" in § 13 Abs. 5 NSchG 1976 nicht zu teilen. Der Wortlaut und insbesondere der Zusammenhang mit der unmittelbar vorangehenden Wendung "auf Antrag" lassen erkennen, daß hier unter "im Einzelfall" die durch den jeweils gestellten Antrag konkret bestimmte, bescheidmäßig zu erledigende Rechtssache gemeint ist.

3. Der Beschwerdeführer hält die bekämpfte Ausnahmebewilligung auch wegen fehlender Zustimmung der betroffenen Grundeigentümer für gesetzwidrig. § 13 Abs. 5 NSchG 1976 sehe dieses Erfordernis vor, um so eine allfällige Besitzstörung zu vermeiden. Die belangte Behörde meint demgegenüber (in der Gegenschrift), § 13 Abs. 5 NSchG 1976 setze bei den in der Natur freilebenden Tieren die Zustimmung des Grundeigentümers nicht voraus, weil diese Tiere grundsätzlich nicht dem gehörten, über dessen Grund sie sich bewegen. Das Erfordernis der Zustimmung des Grundeigentümers könne sich dem Sinne nach nur auf die Entnahme von Pflanzen beziehen.

Diese Auffassung kann nicht geteilt werden. Mangels einer insoweit differenzierenden Regelung im Gesetz gilt das Erfordernis der Zustimmung des Grundeigentümers sowohl für geschützte Pflanzen als auch für geschützte Tiere. Bei den letzteren kommt freilich noch ein weiteres Erfordernis hinzu (arg.: "und"), nämlich die Anhörung der Steirischen Landesjägerschaft. Daß dieses Auslegungsergebnis auch der Absicht des Gesetzgebers entspricht, zeigt die Entstehungsgeschichte. In den Materialien zum NSchG 1976 (Vorlage der Steiermärkischen Landesregierung, Blg. Nr. 30 zu den stenographischen Berichten, Steiermärkischer Landtag, VIII. Periode, 1975, Einl.-Zahl 438/1, S. 40) heißt es dazu:

"Die in Abs. 5 lit. c angeführten wirtschaftlichen Interessen sind gegenüber der gegenwärtig geltenden Rechtslage neu eingeführt, da z.B. das Sammeln von Schnecken tatsächlich einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellt. Allerdings stehen diesen auch bedeutende Nachteile für das Niederwild oder junge Forstkulturen gegenüber. Es erscheint daher unerläßlich, die Zustimmung des Grundbesitzers (gemeinsam mit dem Jagdberechtigten) und eine Stellungnahme der Landesjägerschaft zu verlangen." Daraus ergibt sich nicht nur, daß der Gesetzgeber auch bei geschützten Tieren die Zustimmung des jeweiligen Grundeigentümers für erforderlich erachtet, sondern insbesondere auch, daß dieses Zustimmungserfordernis nicht, wie der Beschwerdeführer meint, den Schutz gegen allfällige Besitzstörungen durch unbefugtes Betreten von Grundstücken bezweckt, sondern vielmehr den Schutz allfälliger wirtschaftlicher Interessen der Grundeigentümer am Vorhandensein der geschützten Tiere oder Pflanzen. Die belangte Behörde hat (wie auch ihre Gegenschrift erkennen läßt), insoweit die Rechtslage verkannt und offenbar deshalb dem Erfordernis der Zustimmung der betroffenen Grundeigentümer keine Beachtung geschenkt. Infolge Fehlens dieser Zustimmung ist der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.

4. Berechtigt ist weiters das Vorbringen, die erteilte Ausnahmebewilligung lasse ein Sammeln von Schmetterlingen im ganzen Land zu und entspreche damit nicht dem § 13 Abs. 5 NSchG 1976, der "ein Sammeln nur auf bestimmten Grundflächen" vorsehe. Da nämlich das Gesetz die Erteilung einer Ausnahmebewilligung ausdrücklich "für bestimmte Flächen" vorsieht, ist im spruch eines solchen Bescheides die Fläche, für die die Bewilligung erteilt wird und hinsichtlich der, wie vorhin dargetan, die Zustimmung der betroffenen Grundeigentümer vorliegen muß, bestimmt zu bezeichnen. Diesem Erfordernis wird der angefochtene Bescheid mangels Bezeichnung der Fläche, für die die Ausnahmebewilligung erteilt wird, nicht gerecht. Darin liegt eine weitere inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.

5. Als Begründungsmangel macht der Beschwerdeführer geltend, aus dem angefochtenen Bescheid gehe nicht hervor, worin der wissenschaftliche Wert der Aneignung der Schmetterlinge liege und welches Ergebnis die Überprüfung der Angelegenheit erbracht habe. Belegexemplare seien bereits in einschlägigen wissenschaftlichen Instituten vorhanden und könnten dort ausreichend studiert werden. Dem Beschwerdeführer sei außerdem kein Parteiengehör zu jenen Stellungnahmen, auf die sich die belangte Behörde gestützt habe, gewährt worden.

Der Beschwerdeführer war berechtigt, an dem zum angefochtenen Bescheid führenden Verwaltungsverfahren betreffend Ausnahme von den Schutzbestimmungen des § 13 Abs. 2 bis 4 NSchG 1976 als Partei teilzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1991, Zl. 90/10/0175). Ihm stand daher unter anderem das Recht auf Parteiengehör zu. Nach der Aktenlage wurde ihm jedoch entgegen dem Gebot des § 45 Abs. 3 AVG kein Parteiengehör zu den von der belangten Behörde eingeholten Stellungnahmen zu der Frage, ob wissenschaftliche Gründe im Sinne der lit. a des § 13 Abs. 5 NSchG 1976 vorliegen, gewährt. Wie der Beschwerdeführer weiters zu Recht rügt, ist aus dem angefochtenen Bescheid der offenbar als gegeben erachtete wissenschaftliche Grund für die erteilte Ausnahmebewilligung nicht ersichtlich. Die Begründung entspricht insoweit nicht dem Gebot des § 60 AVG, daß in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. Infolge dieser Verfahrensmängel war der Beschwerdeführer gehindert, zu der maßgebenden Frage des Vorliegens wissenschaftlicher Gründe im Sinne der lit. a des § 13 Abs. 5 NSchG 1976 Stellung zu nehmen. Diese Verfahrensmängel sind deshalb wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Beschwerdeführer, wäre ihm der Inhalt der Stellungnahmen bekannt gewesen, ein Vorbringen erstattet hätte, auf Grund dessen die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid gekommen wäre.

6. Aus den unter Punkt 3. und 4. aufgezeigten Gründen ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Schlagworte

Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete GesetzesbestimmungMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinGrundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur Rechtsverletzungsmöglichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991100100.X00

Im RIS seit

11.11.1991

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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