TE Vwgh Erkenntnis 1991/11/12 91/08/0125

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Veröffentlicht am 12.11.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ABGB §1152;
ABGB §879;
ASVG §4 Abs2;
AuslBG §29 Abs1;
AuslBG §3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der R OHG in N, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 10. Juli 1991, Zl. 121.762/1-7/91, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. C, 2. D, 3. B,

4.

K, 5. Tiroler Gebietskrankenkasse,

6.

Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 7. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit vier Bescheiden vom 25. September 1989 stellte die fünftmitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, daß vier namentlich genannte Dienstnehmer in verschiedenen, im Dezember 1988 und Jänner 1989 gelegenen Zeiträumen als Hilfsstubenmädchen bzw. Rezeptionistin bei der Beschwerdeführerin sozialversicherungs- und arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen seien. Nach der Begründung der Bescheide sei durch eine Beitragsprüfung festgestellt worden, daß die Dienstnehmerinnen gegen ein monatliches Bruttogehalt von S 10.000,-- bzw. S 15.220,-- bei der Beschwerdeführerin in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit beschäftigt gewesen seien.

In den gegen diese Bescheide erhobenen Einsprüchen brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, die Dienstnehmerinnen hätten keine Arbeitsbewilligungen durch das Arbeitsamt erhalten. Eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit setze die Entgeltlichkeit voraus. Das "Vorliegen eines monatlichen Bruttoentgeltes" setze wiederum ein rechtswirksames Arbeitsverhältnis voraus. Da das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) unter Strafdrohung die Beschäftigung von Ausländern ohne die entsprechende Bewilligung verbiete, könne infolge § 879 ABGB wegen Nichtigkeit kein rechtswirksames Vertragsverhältnis entstanden sein. Der dem ausländischen Arbeitnehmer gemäß § 29 AuslBG zustehende lohnähnliche Entgeltanspruch gründe sich ausschließlich auf das Bereicherungsrecht und nicht auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses. Für die Anwendung des § 4 Abs. 2 ASVG bleibe daher kein Raum, weil ansonsten Rechtsfolgen an ein absolut nichtiges Vertragsverhältnis geknüpft würden.

Der Landeshauptmann von Tirol wies die Einsprüche als unbegründet ab.

Die belangte Behörde gab der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung, in der die Beschwerdeführerin im wesentlichen ihre im Einspruchsverfahren vorgetragene Auffassung wiederholte, nicht Folge und bestätigte den Einspruchsbescheid. Begründend führte sie nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage im wesentlichen aus, die Beschäftigung der Arbeitnehmerinnen in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit während der im Spruch genannten Zeiträume sei unbestritten; ebenso sei unbestritten, daß die Beschwerdeführerin die Arbeitnehmerinnen für die verrichteten Tätigkeiten während der genannten Zeiträume bezahlt habe. Die Beschwerdeführerin bestreite lediglich, daß die von ihr geleisteten Zahlungen als monatliches Bruttoentgelt qualifiziert werden könnten, da kein rechtswirksames Vertragsverhältnis vorliege. Es sei zutreffend, daß Vertragsverhältnisse, die entgegen den Bestimmungen des AuslBG ohne Erteilung der erforderlichen Beschäftigungsgenehmigung zustande gekommen seien, als gemäß § 879 ABGB nichtig anzusehen seien. Gleichzeitig normiere jedoch § 29 Abs. 1 AuslBG, daß dem ausländischen Arbeitnehmer für die Dauer der Beschäftigung die gleichen Ansprüche - somit auch die gleichen Entgeltansprüche - wie auf Grund eines gültigen Arbeitsvertrages zustünden. Dieser "einfachgesetzlichen lex speciales" sei jedenfalls klar zu entnehmen, daß der Gesetzgeber entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sehr wohl Rechtsfolgen an das grundsätzlich nichtige Vertragsverhältnis knüpfen und keineswegs die Nichtigkeit ex tunc eintreten lassen wolle. Wie der auf § 29 Abs. 1 AuslBG beruhende Entgeltanspruch nach den Regeln des Zivilrechtes zu qualifizieren sei, sei für die Frage der Pflichtversicherung irrelevant. Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG sei lediglich auf das tatsächliche Vorliegen einer Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt abzustellen. Als Entgelt im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung sei jede Zahlung zu werten, die für eine Dienstnehmertätigkeit im Sinne des § 4 ASVG geleistet werde. Allein auf das tatsächliche Vorliegen einer solchen Konstellation stelle § 4 Abs. 2 ASVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet, die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer.

Nach § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, daß die im angefochtenen Bescheid genannten Personen in den dort genannten Zeiträumen in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit bei ihr beschäftigt waren. Sie hält der Annahme der Vollversicherungspflicht vielmehr entgegen, eine Person sei nur dann "gegen Entgelt" im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG beschäftigt, wenn ein Entgeltanspruch aus einem Dienstvertrag bestehe. Im vorliegenden Fall seien - wegen des Verstoßes gegen Vorschriften des AuslBG - keine rechtswirksamen Dienstverträge zustande gekommen. Den Beschäftigten stehe daher kein Entgeltanspruch, sondern lediglich ein Bereicherungsanspruch zu.

Damit verkennt die Beschwerdeführerin zunächst, daß - ausgehend vom Schutzzweck des Sozialversicherungsrechts - das Vorliegen eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses (und damit die Versicherungspflicht) auch dann zu bejahen ist, wenn das Arbeitsverhältnis vereinbart und in Erfüllung gesetzt wurde, die Vereinbarung aber zu keinem gültigen Vertrag geführt hat, sofern die rechtlichen Gründe für die Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages nicht auch die sozialversicherungsrechtlichen Rechtsfolgen ausschalten (vgl. Krejci-Marhold in Tomandl, System 1.2.2. D; Krejci, VersRdsch 1976, 314 ff; ders., Das Sozialversicherungsverhältnis 56; Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages 49). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 4. Dezember 1957, Slg. 4495/A, vom 19. November 1969, Slg. 7686/A, und vom 4. Juli 1979, Slg. 9905/A), wird das Beschäftigungsverhältnis durch den "Einstellungsakt" begründet und setzt einen (wirksamen) "Verpflichtungsakt" nicht voraus. Schon daraus folgt, daß "Beschäftigung gegen Entgelt" nicht nur dann vorliegt, wenn der Entgeltanspruch des Beschäftigten aus einem wirksamen Arbeitsvertrag resultiert. Maßgeblich ist lediglich, daß dem Beschäftigten ein Anspruch auf Gegenleistung für die erbrachten Dienste zukommt. Auch der bei Fehlen einer wirksamen vertraglichen Grundlage im allgemeinen in Betracht kommende, im Analogieweg aus § 1152 ABGB abgeleitete bereicherungsrechtliche Nutzenausgleich ist somit Entgelt im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG (vgl. Krejci, Das Sozialversicherungsverhältnis 42).

§ 29 Abs. 1 AuslBG räumt dem entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes beschäftigten Ausländer für die Dauer der (faktischen) Beschäftigung gegenüber dem Betriebsinhaber die gleichen Ansprüche wie auf Grund eines gültigen Arbeitsvertrages ein. Daß der Anspruch der Beschäftigten auf Gegenleistung für die erbrachten Dienste im Beschwerdefall somit nicht auf einem wirksamen Arbeitsvertrag, sondern auf dem Gesetz beruht, hindert es somit nicht, die Gegenleistung als Entgelt im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG anzusehen, da es nach dem oben Gesagten nicht auf den Rechtsgrund des Anspruches ankommt. Die Sozialversicherungspflicht des in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigten Ausländers ist daher auch bei unerlaubten (gegen § 3 AuslBG verstoßenden) Beschäftigungsverhältnissen zu bejahen (vgl. Krejci aaO 61; Schnorr, AuslBG2 143).

Wie sich aus der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt, ist die belangte Behörde ihrer aus den §§ 60, 67 AVG resultierenden Verpflichtung, in der Begründung des Bescheides unter anderem die Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen, ausreichend nachgekommen; auch der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Dienstnehmer Begriff Beschäftigung gegen Entgelt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991080125.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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