Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des D in R, vertreten durch Dr. W und Dr. P, Rechtsanwälte in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 19. Februar 1990, Zl. 693.795/4-2.5/89, betreffend Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die gegen einen Einberufungsbefehl des Militärkommandos Steiermark vom 6. Juli 1989 erhobene Berufung (auch) als Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes gewertet und gemäß § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 abgewiesen.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 18. Juni 1990, B 510/90, die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde abgelehnt und diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, er sei im Gewerbebetrieb seines Vaters unabkömmlich. Eine wesentliche Sparte des Betriebes könne in Ansehung der Befähigung nur von ihm betreut werden. Der Ausfall dieser Sparte würde den wirtschaftlichen Ruin des Unternehmens nach sich ziehen.
1. Vorauszuschicken ist, daß die belangte Behörde zutreffend davon ausgeht, daß der Beschwerdeführer keine wirtschaftlichen Interessen an seiner Befreiung von der Präsenzdienstpflicht hat. Der Betrieb, von dem unabkömmlich zu sein der Beschwerdeführer behauptet, steht im Eigentum seines Vaters. Nur auf dessen Seite können wirtschaftliche Interessen bestehen. Das Gesetz fordert aber, daß die besonders rücksichtswürdigen Interessen auf seiten des Wehrpflichtigen gegeben sind. Eine erst beabsichtigte Betriebsübernahme ändert daran nichts (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. September 1989, Zl. 89/11/0088).
2. Der Beschwerdeführer läßt außer acht, daß er über Anregung des Betriebsinhabers mit Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 2. Oktober 1989 gemäß § 37 Abs. 2 lit. a des Wehrgesetzes 1978 vom Amts wegen bis 15. November 1989 von der Präsenzdienstleistung befreit worden ist. Dieser Bescheid enthält den Hinweis, daß der Beschwerdeführer mit seiner Einberufung für den 1. Jänner 1990 zu rechnen habe. Dem Betriebsinhaber wurde empfohlen, geeignete Dispositionen zu treffen, damit der Beschwerdeführer von diesem Zeitpunkt an seinen Präsenzdienst werde leisten können.
Wird eine befristete Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, die (u.a.) zu dem Zweck gewährt wurde, um den Wehrpflichtigen bzw. seinen Dienstgeber in die Lage zu versetzen, Vorkehrungen zur Ermöglichung einer künftigen Präsenzdienstleistung zu treffen, nicht zu diesem Zweck genützt, und wäre dies auch möglich und zumutbar gewesen, so wird davon auszugehen sein, daß weder wirtschaftliche noch familiäre Interessen an einer weiteren Befreiung besonders rücksichtswürdig im Sinne des Gesetzes sind. Zwar war die dem Vater des Beschwerdeführers hiefür eingeräumte Frist verhältnismäßig kurz. Der Beschwerdeführer behauptet aber nicht, daß sie für den in Rede stehenden Zweck zu kurz bemessen gewesen sei. Er beharrt vielmehr auf seinem Standpunkt, er sei im Betrieb schlechthin unersetzbar. Auch seine drei Geschwister seien nicht in der Lage, seine Arbeitskraft im Betrieb zu ersetzen, weil ihnen die nötigen Kenntnisse hiefür fehlten. Mangels eines konkreten Vorbringens in der Beschwerde zur Frage der Unmöglichkeit der Setzung innerbetrieblicher Maßnahmen zur Ersetzung der Arbeitskraft des Beschwerdeführers vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, daß die in Rede stehende Annahme der belangten Behörde, er könne auf Grund solcher innerbetrieblicher Maßnahmen, die während der Dauer seiner befristeten Befreiung von der Präsenzdienstpflicht hätten gesetzt werden können, während der Dauer seiner Präsenzdienstleistung - abgesehen von seiner gelegentlichen Mitarbeit in der freien Zeit - von seinen Geschwistern ersetzt werden, unrichtig wäre. Das auf die Dartuung der Unabkömmlichkeit des Beschwerdeführers abzielende Beschwerdevorbringen geht daher ins Leere.
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber darüber hinaus gegenüber den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens folgende Frage aufgeworfen: Ein tragendes Element der Begründung des den Befreiungsantrag des Beschwerdeführers abweisenden angefochtenen Bescheides scheine zu sein, daß der ältere Bruder des Beschwerdeführers, Maximilian D., durch seine Mitarbeit im väterlichen Betrieb den Ausfall der Arbeitskraft des Beschwerdeführers während der Dauer der Präsenzdienstleistung wettmachen könne. In dem den Befreiungsantrag des Maximilian D. abweisenden Bescheid vom 13. Oktober 1989 (beim Verwaltungsgerichtshof mit der zur Zl. 90/11/0078 protokollierten Beschwerde angefochten) sei in vergleichbarer Weise auf die Arbeitskraft des Beschwerdeführers zum Ausgleich des Ausfalls des Maximilian D. hingewiesen worden. Beide Bescheide scheinen miteinander zu ergeben, daß beide Brüder jederzeit - und damit auch gleichzeitig - zur Leistung des Grundwehrdienstes einberufen werden könnten, obwohl für die Abweisung ihrer Befreiungsanträge die im Betrieb aufrechte Arbeitskraft jeweils des anderen Bruders maßgebend gewesen wäre. Ein subjektives Recht darauf, zu bestimmten Zeiten nicht eingezogen zu werden, scheine nicht zu bestehen, sodaß es mit rechtlichen Mitteln nicht möglich sein dürfte, die gleichzeitige Einberufung zu verhindern.
Der Beschwerdeführer hat sich dazu nicht geäußert. Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, daß die Einberufung eines der beiden Brüder in Ansehung der Präsenzdienstpflicht des anderen eine wesentliche Sachverhaltsänderung darstellte; ein auf diesen Umstand gestützter neuerlicher Befreiungsantrag dürfte nicht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Auffassung an. Das Ergehen eines Einberufungsbefehles an zumindest einen der beiden Brüder stellte für die Dauer des Präsenzdienstes für den anderen Bruder einen Befreiungsgrund dar. Einem Befreiungsantrag wäre stattzugeben, sodaß die gleichzeitige Einberufung beider Brüder abgewendet werden könnte.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990110141.X00Im RIS seit
12.11.1991