TE Vwgh Erkenntnis 1991/11/12 91/05/0082

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Veröffentlicht am 12.11.1991
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §38 Abs3;
BauO Wr §4;
BauRallg;
B-VG Art139 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde

1) des Otto S und 2) des Karl S in Wien, beide vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 6. Dezember 1990, Zl. MDR-B XIX-74 und 75/90, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: A-GmbH in Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 18. September 1990 erteilte der Wiener Magistrat der mitbeteiligten Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die baubehördliche Bewilligung zur Abänderung des auf der Liegenschaft Wien 19., B-Straße 16, bestehenden Betriebsgebäudes in ein Bürogebäude unter gleichzeitiger Änderung der Raumeinteilungen in sämtlichen Geschoßen. Einwendungen des Erstbeschwerdeführers wurden, soweit sie sich auf das Zustandekommen des Plandokumentes 5935 sowie auf die behauptete Untrennbarkeit von Baurecht, Wasserrecht und Bundesstraßenrecht bezogen, als unzulässig zurückgewiesen, soweit sie sich auf Eigentums- und Grenzverhältnisse bezogen, auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Gleichzeitig wurde festgestellt, daß die Servitut des Geh- und Fahrrechtes des Erstbeschwerdeführers vom Bauwerber zur Kenntnis genommen und im Lageplan vermerkt worden sei. Der Antrag des Zweitbeschwerdeführers, ihn als außerbücherlichen Eigentümer der Bundesstraße anzuerkennen und somit als Anrainer dem Bauverfahren beizuziehen, wurde unter Punkt II abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß mit dem Plandokument 5935, beruhend auf einem Beschluß des Wiener Gemeinderates vom 25. September 1986, der geltende Flächenwidmungs- und Bebauungsplan festgesetzt worden sei und dieses Plandokument alle erforderlichen Angaben mit der dazugehörigen Zeichenerklärung enthalte. Der Baubehörde sei es verwehrt, das ordnungsgemäße Zustandekommen einer solchen Verordnung zu überprüfen. Zwischen Baurecht und Wasserrecht bzw. zwischen Baurecht und Bundesstraßenrecht gelte grundsätzlich das Kumulationsprinzip und es könne daher eine Baubewilligung nicht von Entscheidungen nach dem Wasserrecht oder dem Bundesstraßengesetz abhängig gemacht werden. Der Einwand bezüglich Unklarheiten hinsichtlich Grenzen, Grundstücksgrößen und Eigentumsverhältnissen sei deswegen abzuweisen gewesen, weil nach der Bauordnung für Wien nur der jeweilige Grundbuchstand einem Bauverfahren zugrundezulegen sei, derartige Rechtsstreitigkeiten allenfalls im Zivilrechtsweg zu bereinigen seien. Hinsichtlich der Liegenschaft, auf der die Bauführung durchgeführt werden soll, sei das Eigentumsrecht unbestritten und es handle sich demnach bei den von den Beschwerdeführern zu lösenden Fragen um keine Vorfragen im Sinne des § 38 AVG. Diesbezüglich sei daher der Antrag des Zweitbeschwerdeführers, als Anrainer anerkannt zu werden, abzuweisen gewesen, da nach dem derzeitigen Grundbuchstand das Grundstück nn/1, KG Heiligenstadt, im Eigentum der Republik Österreich - Bundesstraßenverwaltung stehe.

Auf Grund der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung entschied die Bauoberbehörde für Wien, daß die Berufung des Erstbeschwerdeführers gegen den Baubewilligungsbescheid als unbegründet abgewiesen und die Berufung des Zweitbeschwerdeführers gegen diesen Baubewilligungsbescheid als unzulässig zurückgewiesen wurde. Auf Grund der Berufung des Zweitbeschwerdeführers wurde der Punkt II des erstinstanzlichen Bescheides aufgehoben und gleichzeitig die Berufung des Erstbeschwerdeführers gegen diesen Punkt als unzulässig zurückgewiesen. Nach Wiedergabe des § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien vertrat die Berufungsbehörde die Auffassung, daß der Zweitbeschwerdeführer nicht zu der im § 134 Abs. 3 leg. cit. genannten Personengruppe zähle und ihm daher als Nachbar die Rechtsstellung einer Partei im vorliegenden Verfahren nicht zukomme. Mangels Parteistellung sei daher seine Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid zurückzuweisen, dagegen der Punkt II des erstinstanzlichen Bescheides aufzuheben, weil hier die Erlassung eines Feststellungsbescheides nicht zulässig gewesen sei. Die Berufung des Zweitbeschwerdeführers beschäftige sich, wie bereits seine Einwendungen, im wesentlichen mit Fragen des Straßenrechtes und des Wasserrechtes sowie mit Einwendungen gegen den geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan sowie mit Verfahrensrügen, die eine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen, von der Baubehörde wahrzunehmenden Rechtes nicht zum Gegenstand hätten. Diese Einwendungen könnten, soweit sie mit dem Gegenstand der Verhandlung in keinem Zusammenhang stehen, keinesfalls geeignet sein, die Versagung der beantragten Baubewilligung "herbeizuführen". Dies gelte auch für die Einwendungen gegen den gültigen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften werde zu Unrecht gerügt, weil der Erstbeschwerdeführer ordnungsgemäß zur Bauverhandlung geladen worden sei und den Akten nicht entnommen werden könne, daß er in seinen Parteienrechten in irgendeiner Weise geschmälert worden sei. Der Ausspruch nach Punkt II des erstinstanzlichen Bescheides betreffe nicht den Erstbeschwerdeführer und daher sei seine Berufung in dieser Hinsicht mangels Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung dieser Gerichtshof mit Beschluß vom 13. März 1991, Zl. B 103/91-4, jedoch ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In ihrem ergänzenden Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu unterbrechen und beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag gemäß Art. 139 B-VG auf Verordnungsprüfung des Plandokumentes 5935 zu stellen sowie den angefochtenen Bescheid, soweit er der Berufung des Zweitbeschwerdeführers gegen den Punkt II des erstinstanzlichen Bescheides nicht Folge gegeben und diesen Bescheidpunkt nicht aufgehoben habe, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit bzw. wegen Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften aufzuheben. Ausdrücklich erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem durch § 1 Abs. 3 der Bauordnung für Wien gewährleisteten Recht auf Ausfolgung der Beschlüsse und der dazugehörigen Planbeilagen sowie in ihren Rechten auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und eine gesetzmäßige Begründung verletzt, der Zweitbeschwerdeführer auch in seinem Recht auf Parteistellung im Bauverfahren.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zunächst ist klarzustellen, daß mit dem erstinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Partei eine Baubewilligung ausdrücklich nur für die Abänderung des bestehenden Betriebsgebäudes in ein Bürogebäude mit damit verbundenen Änderungen auf der Liegenschaft B-Straße 16 erteilt worden ist. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof muß sich daher auf die Frage beschränken, ob die Beschwerdeführer durch die erteilte Baubewilligung in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden sind, die die Baubehörde nach den von ihr anzuwendenden Bauvorschriften wahrzunehmen hat.

Nach § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien sind im Baubewilligungsverfahren außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien. (Die in dieser Gesetzesstelle behandelte Regelung für Wohnungseigentümer und Baurechtsinhaber kann hier außer Betracht bleiben.) Ferner sind Eigentümer (Miteigentümer) der benachbarten Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarn dienen; hiezu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes über die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes).

Diese Regelung läßt eindeutig erkennen, wie dies auch in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stets zum Ausdruck gebracht wurde (vgl. etwa die bei Geuder/Hauer, Das Wiener Baurecht, zu § 134 wiedergegebene Rechtsprechung), daß die Eigentümer benachbarter Liegenschaften im Baubewilligungsverfahren nur eine beschränkte Parteistellung besitzen, diese Parteistellung selbst aber eben nur dann gegeben ist, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Eine Verletzung solcher subjektiv-öffentlicher Rechte durch die erteilte Baubewilligung haben die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gar nicht geltend gemacht, vielmehr behauptet der Erstbeschwerdeführer die Verletzung eines ihm zustehenden Servitutsrechtes, der Zweitbeschwerdeführer die Außerachtlassung des Umstandes, daß er in Wahrheit Miteigentümer des Grundstückes nn/1, KG Heiligenstadt, sei und daher schon aus diesem Grunde Parteistellung im Verfahren besessen hätte. Nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 134 Abs. 3 BO sind aber die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften nur dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Bei dem hier gegebenen Bauvorhaben, bei dem es im wesentlichen um die Abänderung eines bestehenden Betriebsgebäudes in ein Bürogebäude geht, kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß ein Nachbar durch eine derartige Baubewilligung in subjektiv-öffentlichen Rechten berührt wird. Die behauptete Verletzung von Rechten des Erstbeschwerdeführers betrifft ein Servitutsrecht, also jedenfalls ein Privatrecht, bei dem es sich um kein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 134 Abs. 3 BO handelt, sodaß selbst dann, wenn sein Vorbringen zutreffen sollte, die Baubehörde nicht mit einer Versagung des Bauvorhabens hätte vorgehen dürfen.

Selbst dann, wenn man davon ausgeht, daß der Zweitbeschwerdeführer Miteigentümer des Grundstückes nn/1, KG Heiligenstadt, ist, so zeigen die bei den Verwaltungsakten erliegenden Pläne, daß dieses Grundstück von jenem Grundstück (nn/2), auf dem das Bauvorhaben der Mitbeteiligten ausgeführt wird, durch eine breite Verkehrsfläche getrennt ist, weil hier für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar ist, welche subjektiv-öffentlichen Rechte des Zweitbeschwerdeführers durch das bewilligte Bauvorhaben verletzt werden könnten. Wenn bei einer solchen Situation die belangte Behörde die Parteistellung des Zweitbeschwerdeführers durch die Zurückweisung seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid verneint hat, so entspricht eine solche Entscheidung der gegebenen Rechtslage. Wenn in der Beschwerde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen wird, die Tatsache, daß zwischen zwei Liegenschaften öffentliche Straßen liegen, schließe die Zuerkennung der Parteistellung nicht aus, so trifft dies für eine Reihe von Bauvorhaben zweifelsohne zu, doch kommt es immer auf die konkrete Art des Bauvorhabens an, wie ja die Bestimmung des § 134 Abs. 3 BO ausdrücklich klarstellt. Es konnte daher hier unerörtert bleiben, ob der Zweitbeschwerdeführer nicht auch schon deshalb keine Parteistellung besitzen kann, weil nach dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan jene Grundfläche, deren Miteigentümer er seinem Vorbringen nach ist, ja offensichtlich zur Gänze als Verkehrsband ausgewiesen ist. Dadurch aber, daß die belangte Behörde seine Berufung als unzulässig zurückgewiesen hat, hat sie ohnehin über die Frage der Parteistellung entschieden, sodaß zwischen Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides ein insofern in der Beschwerde behaupteter Widerspruch nicht vorliegt.

Soweit aber die Beschwerdeführer ausdrücklich behaupten, in Verfahrensrechten nach dem AVG verletzt worden zu sein, übersehen sie, daß ihre verfahrensrechtliche Stellung nicht weiter reichen kann als ihre materiell-rechtliche, sodaß auf das diesbezügliche Vorbringen nicht näher einzugehen war. Soweit die Beschwerdeführer ausdrücklich begehren, das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu unterbrechen und einen Antrag gemäß Art. 139 B-VG an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, ist darauf hinzuweisen, daß der Verfassungsgerichtshof mit dem eingangs erwähnten Beschluß vom 13. März 1991 die Behandlung ihrer Beschwerde ausdrücklich abgelehnt hat, und auch das Vorbringen in dem ergänzenden Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof keine Gesichtspunkte enthält, die eine solche Anfechtung rechtfertigen. Der Umstand, daß der Flächenwidmungsplan eine Grundfläche als Verkehrsfläche ausweist, für die ein Enteignungsverfahren letztlich nicht erfolgreich war, muß für sich allein noch nicht die Gesetzwidrigkeit der Verordnung bedeuten. Keinesfalls kann damit aber eine Gesetzwidrigkeit jenes Teiles des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes dargetan werden, der für das erteilte Baubewilligungsverfahren allein präjudiziell ist. In dieser Beziehung vermag der Verwaltungsgerichtshof den Ausführungen in der Beschwerde nicht zu folgen. Dies gilt auch für jenen Teil der Beschwerdeausführungen, in denen behauptet wird, das hier maßgebliche Plandokument sei den Beschwerdeführern ohne Zeichenerklärung ausgefolgt worden, zumal nach den vorgelegten Verwaltungsakten die Zeichenerklärung sich unmittelbar aus dem Plandokument selbst ergibt.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und auf die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991050082.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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