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90/02 Kraftfahrgesetz;Norm
KFG 1967 §66 Abs2 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des K in P, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Dezember 1990, Zl. VerkR-17.563/7-1990-I/Si, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Dezember 1990 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die ihm erteilte Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, F und G entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß für die Zeit von drei Jahren, gerechnet ab Zustellung des Mandatsbescheides am 21. Juli 1989, keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf, wobei "in die Entzugsdauer die Zeit der Haft nicht einzurechnen ist".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde eine vom Beschwerdeführer zu erwartende Gefährdung der Verkehrssicherheit durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr und damit seine mangelnde Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. a KFG 1967 angenommen. Dabei ging sie vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 aus, weil der Beschwerdeführer - entsprechend dem (für sie bindenden) Schuldspruch eines in Rechtskraft erwachsenen Urteiles des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Linz vom 8. November 1989 - am 3. Juni 1989 in Linz einer namentlich genannten Person durch die Zufügung von Stichen im Bereich des Kopfes, des Halses und der Brust mit einem Fleischermesser absichtlich eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) zugefügt habe, wobei die Tat eine schwere Dauerfolge (§ 85 StGB) nach sich gezogen habe, und er hiedurch das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 87 Abs. 1 und 2, erster Fall StGB begangen habe.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "insofern in meinen Rechten verletzt, als über mich zu Unrecht eine zu hohe Entzugsdauer verhängt wurde bzw. die Zeit der Inhaftierung nicht in die Entzugsdauer miteingerechnet wurde"; dementsprechend heißt es auch in der Beschwerdebegründung, daß "sohin ein Fall des § 66 Abs. 2 lit. c KFG gegeben ist, welcher eine Entziehung der Lenkerberechtigung zweifelsohne rechtfertigt", und wird abschließend zum Ausdruck gebracht, daß "aus oben angeführten Gründen daher die belangte Behörde das ihr kraft § 66 in Verbindung mit § 73 KFG zustehende Ermessen bei der Festsetzung der Entzugsdauer RECHTSWIDRIG ausgeübt hat". Wenn daher in der Beschwerde weiters die Ansicht vertreten wird, daß "entgegen der Meinung der Berufungsbehörde mir allerdings eine Sinnesart gem. § 66 Abs. 1 lit. a KFG nicht angelastet werden kann", und sich der Beschwerdeführer darauf beruft, daß "grundsätzlich bei jedermann a priori die praesumptio iuris der Verkehrszuverlässigkeit zu bestehen hat, die von der Behörde gegebenenfalls erst zu widerlegen ist", so kann dies in Übereinstimmung mit dem genannten Beschwerdepunkt und dem übrigen Beschwerdevorbringen nur dahin verstanden werden, daß der Beschwerdeführer meint, daß bei ihm nicht eine solche Sinnesart vorliege, die die Prognose, er werde voraussichtlich erst in drei Jahren (und dies überdies ohne Einrechnung der Haftzeit) seine Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangen, rechtfertigt.
Die belangte Behörde hatte bei Festsetzung der Zeit gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967, die keine Ermessensentscheidung darstellt, auf die Wertungskriterien des § 66 Abs. 3 leg. cit. Bedacht zu nehmen (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1990, Zl. 90/11/0061, mit weiteren Judikaturhinweisen). Dabei hat sie unter Berücksichtigung der Ergebnisse des gerichtlichen Beweisverfahrens mit Recht das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers vom 3. Juni 1989 als besonders verwerflich gewertet. Die Absicht des Beschwerdeführers war, entsprechend dem durch dieses strafbare Verhalten verwirklichten Tatbild, auf den Eintritt der von ihm zugefügten schweren Folgen gerichtet, woraus darauf geschlossen werden muß, daß der Beschwerdeführer die körperliche Integrität anderer Personen gröblichst mißachtet. Er stellt auch die von der belangten Behörde herangezogenen Umstände, daß er "zum entscheidenden Gespräch mit dem späteren Opfer nicht unvorbereitet ging, sondern die Tatwaffe zu diesem Gespräch mitnahm, worauf er mehrmals, nämlich insgesamt sechsmal auf sein Opfer eingestochen hat", nicht in Abrede. Daraus ergibt sich die - von der belangten Behörde mit den Worten "massive Vorgangsweise" umschriebene - Zielstrebigkeit und Brutalität seines Verhaltens. Die vom Strafgericht bei der Strafbemessung berücksichtigten mildernden Umstände, die selbst der Beschwerdeführer nicht zu seinen Gunsten ins Treffen führt, vermögen an der Beurteilung der in diesem Verhalten zum Ausdruck kommenden Sinnesart des Beschwerdeführers, die die getroffene Sicherungsmaßnahme für den von der belangten Behörde ausgesprochenen Zeitraum geboten erscheinen läßt, nichts zu ändern. Insbesondere kommt dem Beschwerdeführer weder "eine schwierige psychische Situation bei der Tatbegehung" noch "die der Tat vorangehende Ausnützung durch das Opfer" oder "seine geringe intellektuelle Ausstattung" zugute, kann doch nicht ausgeschlossen werden, daß sich diese Komponenten auch bei seinem Verhalten im Straßenverkehr in gewissen Situationen nachteilig auswirken.
Unter dem Gesichtspunkt der Verwerflichkeit der zugrundeliegenden strafbaren Handlung hat aber die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend auch auf eine (im Strafurteil angeführte) Vorstrafe des Beschwerdeführers "wegen fahrlässiger Körperverletzung und Nötigung" hingewiesen. Es handelt sich hiebei um das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 4. Juli 1985, AZ nn/85, mit dem der Beschwerdeführer - soweit dies im gegebenen Zusammenhang von Belang ist - wegen der Vergehen der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB und der (vorsätzlichen) Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt wurde, weil er am 28. Jänner 1985 in Linz eine bestimmte Person mit Gewalt, nämlich durch Versetzen zweier Fußtritte gegen den Unterleib, zu einer Handlung, und zwar zum schnelleren Arbeiten, zu nötigen versucht und durch die geschilderte Tathandlung den Betreffenden durch Verursachen von starken Schmerzen im Genitalbereich an der Gesundheit geschädigt hat. Der Beschwerdeführer bringt vor, daß bei Beurteilung der "DERZEITIGEN Verkehrszuverlässigkeit möglichst auf den dem Anlaßfall unmittelbar vorangegangenen Zeitraum abzustellen ist, da sich nur aus der unmittelbaren Vergangenheit bzw. während des Führerscheinentzugsverfahrens ein verläßliches Bild von der derzeitigen Verkehrszuverlässigkeit ergibt", und "weit zurückliegende Verwaltungsübertretungen oder sonstige Sachverhalte hiebei vollkommen außer acht zu lassen bzw. nur in untergeordneter Weise zu berücksichtigen sind, da es eine bekannte Tatsache ist, daß sich die charakterliche Einstellung eines Menschen im Zeitablauf ändern kann". Darauf ist zunächst zu erwidern, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung als Berufungsbehörde sowohl ihre Kontrollfunktion als auch ihre reformatorische Funktion wahrzunehmen und sich jeweils danach der Zeitpunkt, auf den sich ihre Beurteilung zu beziehen hatte, zu richten hatte (vgl. dazu vor allem das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11237/A). Im übrigen ist dem Beschwerdeführer die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielsweise das bereits erwähnte Erkenntnis vom 9. Oktober 1990, Zl. 90/11/0061, und die dort angeführte weitere Judikatur) entgegenzuhalten, wonach bei der Wertung einer als bestimmte Tatsache geltenden strafbaren Handlung auf alle strafbaren Handlungen (dies sogar unabhängig von einer Tilgung) Bedacht zu nehmen ist, die einen Schluß auf die verkehrsrelevante Sinnesart des Beschwerdeführers zulassen, und daher sämtliche im Ermittlungsverfahren hervorgekommenen Vorfälle bzw. Vorstrafen zu berücksichtigen sind, und zwar auch dann, wenn sie nicht als bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 1 KFG 1967 gelten. Wohl ist "es eine bekannte Tatsache, daß sich die charakterliche Einstellung eines Menschen im Zeitablauf ändern kann", weshalb auch in dieser Richtung von der belangten Behörde eine Prognose zu stellen war; bei einem Rückfalltäter wie dem Beschwerdeführer kann aber von einer derartigen Änderung in der Vergangenheit nicht gesprochen, sondern muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß bei ihm eine Neigung zur Begehung von Gewaltdelikten vorliegt, die daher bei dieser Prognose besonders ins Gewicht fällt.
Die "Gefährlichkeit der Verhältnisse" der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlung vom 3. Juni 1989 ergibt sich bereits aus der Natur derartiger Delikte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 1989, Zl. 88/11/0204). Der belangten Behörde ist auch darin zu folgen, daß der Beschwerdeführer "für das Opfer besonders gefährliche Verhältnisse dadurch geschaffen hat, daß er nach der Tat flüchtete" und "das Opfer dadurch und auf Grund der erheblichen Verletzungen einen hohen Blutverlust erlitten hat, der eine dauernde Schädigung der Gesundheit mitbewirkte".
Schließlich kommen die Wertungskriterien der "seither verstrichenen Zeit" und des "Verhaltens während dieser Zeit" schon im Hinblick darauf, daß sich der Beschwerdeführer seit Begehung der Tat am 3. Juni 1989 in Haft befindet, nicht zum Tragen, weil der Beschwerdeführer auf diese Weise bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides mangels Freizügigkeit nicht in der Lage war, die Änderung seiner Sinnesart unter Beweis zu stellen. Aus demselben Grund hatte - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - bei Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 die Zeit seiner Haft außer Betracht zu bleiben (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1987, Zl. 87/11/0003, mit weiteren Judikaturhinweisen). Daß "das bis dato verspürte Haftübel" dem Beschwerdeführer "das Unrecht meiner Handlung drastisch vor Augen geführt hat", stellt eine bloße Behauptung des Beschwerdeführers dar, die erst durch sein künftiges Verhalten zu beweisen sein wird. Daher ist bei Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides auch ohne Bedeutung, ob bzw. wann die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung des Beschwerdeführers gemäß § 46 Abs. 2 StGB gegeben sind und ob in Bälde mit einer derartigen gerichtlichen Maßnahme zu rechnen ist; je geringer allerdings das tatsächliche Haftausmaß ist, umso früher tritt der für die rechtliche Möglichkeit eines Antrages auf Wiedererteilung der Lenkerberechtigung gemäß § 67 Abs. 4 KFG 1967 erforderliche Ablauf der bei der Entziehung festgesetzten Zeit ein. Dem angefochtenen Bescheid haftet daher keine Rechtswidrigkeit an.
Das sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991110018.X00Im RIS seit
19.03.2001