TE Vwgh Erkenntnis 1991/11/12 91/05/0169

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.11.1991
beobachten
merken

Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §52;
BauO OÖ 1976 §32 Abs2;
BauO OÖ 1976 §46 Abs3;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des Franz B in G, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. Juli 1991, Zl. BauR-010631/1-1991 See/Bi, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. J in G, 2. I in G, 3. Stadtgemeinde G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der drittmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 2.300,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erst- und die Zweitmitbeteiligte haben mit dem am 17. September 1990 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten Ansuchen die Erteilung der Baubewilligung für Zu- und Umbauten auf den Grundstücken Nr. n1 und n2, EZ nn, KG G, beantragt. Über dieses Ansuchen wurde am 18. Oktober 1990 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der auch der Beschwerdeführer als Anrainer unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG geladen wurde.

Während dieser Verhandlung wurde nach eingehender Beschreibung des Bauvorhabens durch den Amtssachverständigen festgestellt, daß ein geschlossen bebautes Gebiet vorliege. Dazu führte der Sachverständige aus, daß noch die meisten Objekte dieses Seeuferbereiches Haus an Haus stünden. Konkret seien das westseitige Objekt des Beschwerdeführers FN-Platz 01, sowie das Objekt FN-Platz 02 direkt an die zu bebauende Liegenschaft der Bauwerber herangebaut. Derzeit sei zwischen den genannten Objekten ein etwa 2,50 bis 3 m breiter und dem Haus Nr. 01 zugeordneter Hofbereich unbebaut, wobei an dieser Stelle ebenfalls eine Feuermauer bis auf die Höhe des ersten Obergeschoßes bestehe. Die im Osten an die zu bebauende Liegenschaft angrenzende Baufläche sei ebenfalls direkt an das Objekt der Bauwerber herangebaut. Die Anbaulänge betrage etwa 18,50 m. Darüber hinaus seien die ostseitigen Objekte Nr. n3, n4, n5, n6, n7, n8 usw. jeweils bis an die Grundstücksgrenzen herangebaut, wobei diese Objektstiefen aufgrund der unterschiedlichen Parzellengrößen von 39 bis 10 m größenmäßig gestaffelt seien. Weiters seien noch die Objekte M, S und F direkt aneinander gebaut.

Der Vertreter des Beschwerdeführers brachte in der Verhandlung vor, das gegenständliche Objekt liege zwar entsprechend dem Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Stadtgemeinde in einem Kerngebiet, die vorherrschende Bauweise im Rückfeld des FN-Platzes sei jedoch eine von vielen Grünzonen unterbrochene gekuppelte Bauweise. Mangels eines anderslautenden Bebauungsplanes wäre bei einem Erweiterungsbau der in der Oberösterreichischen Bauordnung vorgeschriebene Mindestabstand zum Objekt des Beschwerdeführers einzuhalten. Zwischen den beiden Häusern des Beschwerdeführers (N-Platz 01 und N-Platz 02) befinde sich ein Hof mit einem Flächenmaß von weniger als 50 m2. In diesen Hof mündeten sowohl aus dem Haus FN-Platz 01 als auch aus dem Hause FN-Platz 02 Fenster von Haupträumen. Die Erweiterung des Hauses der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien würde diesen Hof umbauen und damit einen späteren Umbau der Objekte des Beschwerdeführers erschweren. Der Beschwerdeführer beabsichtige, in einem seiner Häuser ein Fenster einzubauen, zumal die entsprechende Mauer im Obergeschoß des Hauses Nr. 02 nicht als Feuermauer bestimmt sei. Schließlich würden für den vorgesehenen Um- bzw. Erweiterungsbau keine Stellplätze für Kraftfahrzeuge ausgewiesen.

Mit Bescheid vom 22. November 1990 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden abgewiesen.

Der dagegen eingebrachten Berufung des Beschwerdeführers gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 18. April 1991 keine Folge. Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 3. Juli 1991 ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens mit einer Gegenschrift vorgelegt und ebenso wie die drittmitbeteiligte Partei die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 2 und 3 der Oö. Bauordnung (BO), LGBl. Nr. 35/1976, können Nachbarn gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind. Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechtes oder eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen.

In seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10317/A, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde im Falle einer beschränkten Parteistellung des Berufungswerbers, wie es für Nachbarn im Baubewilligungsverfahren typisch ist, auf jenen Themenkreis eingeschränkt ist, in dem diese Partei mitzuwirken berechtigt ist. Die eingetretene Präklusion ist sowohl von der Berufungsbehörde als auch von der Aufsichtsbehörde und dem Verwaltungsgerichtshof zu beachten.

Der Beschwerdeführer erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in der unrichtigen Beurteilung des "geschlossen bebauten Gebietes" nach § 32 BO. In diesem Zusammenhang rügt der Beschwerdeführer, daß kein ausreichendes Ermittlungsverfahren zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes stattgefunden habe. Da ein geschlossen bebautes Gebiet tatsächlich nicht vorliege, hätte der im § 32 Abs. 2 lit. b BO festgelegte Mindestabstand zur Grundgrenze des Beschwerdeführers eingehalten werden müssen.

§ 32 Abs. 1 und 2 BO idF LGBl. Nr. 82/1983, lautet wie

folgt:

"§ 32

Lage und Höhe der Gebäude

(1) Sofern sich aus baurechtlichen Vorschriften und dem Bebauungsplan nichts anderes ergibt, gelten hinsichtlich der Lage und Höhe von baurechtlich bewilligungspflichtigen Gebäuden die Bestimmungen der folgenden Absätze.

(2) Neubauten und solche Zubauten, die eine Vergrößerung des Gebäudes der Länge oder Breite nach bezwecken, müssen außerhalb eines geschlossen bebauten Gebietes gegen die seitlichen Grenzen des Bauplatzes (§ 2) und gegen die innere Bauplatzgrenze,

a)

wenn es sich um Hochhäuser handelt, einen Mindestabstand von der Hälfte der Gesamthöhe des Gebäudes,

b)

wenn es sich nicht um Hochhäuser handelt, einen Mindestabstand von einem Drittel der Gesamthöhe des Gebäudes, jedenfalls aber einen Mindestabstand von drei Meter

erhalten. Die Gesamthöhe des Gebäudes ist jeweils vom tiefsten Punkt des Geländeanschnittes an der der Bauplatzgrenze nächstgelegenen Gebäudewand bis zum höchsten Punkt des Gebäudes zu messen."

Zum Begriff "geschlossen bebautes Gebiet" hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 29. April 1980, Slg. N.F. Nr. 10112/A, ausgeführt und näher begründet, daß er mit dem Ausdruck "geschlossene Bauweise" im Raumordnungsgesetz nicht identisch ist, da die Wendung "außerhalb eines geschlossen bebauten Gebietes" lediglich einen tatsächlichen Zustand umschreibt. Vielmehr sei darunter ein Gebiet zu verstehen, in welchem die Häuser verhältnismäßig eng - wenn auch mit Zwischenräumen - beieinander stehen, insbesondere Ortskerne, in denen sich die Gebäude überwiegend in der Nähe der Besitzgrundgrenzen befinden (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1987, Zl. 87/05/0145, BauSlg. Nr. 1028, sowie vom 11. Dezember 1990, Zl. 87/05/0075). In dem bereits zitierten Erkenntnis vom 15. Dezember 1987, Zl. 87/05/0145, hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgeführt, daß die Feststellung, ob ein geschlossen bebautes Gebiet vorliegt, zwar nicht der Beiziehung eines Sachverständigen bedarf, die Behörde aber zur Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse als Grundlage dieser Beurteilung einen Amtssachverständigen heranziehen kann.

Im Rahmen der Bauverhandlung vom 18. Oktober 1990 hat der Amtssachverständige eine eingehende Beschreibung des an die zu bebauende Liegenschaft angrenzenden Gebietes vorgenommen und dabei festgestellt, daß die Häuser verhältnismäßig eng und überwiegend an die Grundgrenze angebaut sind. Diesen Sachverhaltsfeststellungen ist der Vertreter des Beschwerdeführers während der Verhandlung nicht entgegengetreten. Zu Recht konnten daher sowohl die Baubehörden als auch die Gemeindeaufsichtsbehörde von der Richtigkeit des vom Amtssachverständigen während der Verhandlung vom 18. Oktober 1990 beschriebenen Gebietscharakters ausgehen. Aufgrund dieser Beschreibung ist aber unzweifelhaft vom Vorliegen eines geschlossen bebauten Gebietes auszugehen, weshalb die erwähnten Vorschriften über Mindestabstände im vorliegenden Fall nicht einzuhalten sind.

Eine weitere Rechtswidrigkeit erblickt der Beschwerdeführer darin, daß durch die Realisierung des verfahrensgegenständlichen Projektes der zwischen den Häusern des Beschwerdeführers liegende Lichthof nicht mehr den Vorschriften des § 19 Abs. 2 der Oö Bauverordnung entsprechen würde, zumal die durch diesen Hof belichteten und belüfteten Räumlichkeiten als Haupträume benützt würden. Dazu hat die belangte Behörde zutreffend festgestellt, daß auch nach dem geplanten Bauvorhaben der gegenständliche Hof an einer Stelle (zum Grundstück Nr. n/3 KG G) offenbleibt. Schon aus diesem Grund kann aber § 19 Abs. 2 der Oö Bauverordnung 1985, LGBl. Nr. 5, (ab 1. Oktober 1989 gemäß LGBl. Nr. 37/1989 auf Gesetzesstufe) nicht angewendet werden. Im übrigen hat der Nachbar kein Recht, daß durch die Errichtung eines Neubaues die früheren Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse nicht beeinträchtigt werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Mai 1963, Slg. N.F. Nr. 6032/A, sowie vom 11. Dezember 1984, Zl. 84/05/0164).

Dem Beschwerdevorbringen, gemäß § 12 Abs. 2 der Oö Bauverordnung müßte der Beschwerdeführer seine Mauer als Feuermauer ausbilden, ist zu entgegnen, daß Gegenstand des verwaltungsbehördlichen Verfahrens nur die Zulässigkeit des von den Erst- und Zweitmitbeteiligten eingereichten Projektes sein konnte. Inwiefern sich daraus für den Beschwerdeführer Einschränkungen oder Erfordernisse künftiger Baumaßnahmen ergeben, war in diesem Baubewilligungsverfahren nicht zu erörtern.

Zutreffend ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen hinsichtlich der Brandgefahr jedenfalls präkludiert war, da er bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 1990 keine Einwendungen in dieser Richtung vorgebracht hat.

Schließlich ist zu dem in der Beschwerde gerügten Fehlen von Stellplätzen festzustellen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Vorschriften über die Schaffung von Stellplätzen und Garagen nicht dem Interesse der Nachbarn dienen (siehe hiezu Hauer, Der Nachbar im Baurecht, zweite Auflage, Seite 211, und die dort zitierte Judikatur). Auch zur Oberösterreichischen Bauordnung hat der Gerichtshof bereits mit seinen Erkenntnissen vom 29. Juni 1976, Zl. 1800/75, sowie vom 18. Juni 1991, Zlen. 91/05/0105, AW 91/05/0030, ausgesprochen, daß Vorschriften für zu schaffende Abstellflächen als ausschließlich im öffentlichen Interesse erlassen anzusehen sind. Der Gerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Anschauung abzugehen. Durch die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung im Sinne des § 2 der Oö Stellplatzverordnung ist somit der Beschwerdeführer in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt. Der Gerichtshof hat auch wiederholt ausgesprochen, daß den Nachbarn hinsichtlich der Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Straßen kein subjektiv-öffentliches Recht zusteht, wobei die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Straßen auch den ruhenden Verkehr umfassen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 18. Juni 1991, Zlen. 91/05/0105, AW 91/05/0030). Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, in bezug auf die drittmitbeteiligte Partei im Rahmen ihres Kostenbegehrens.

Schlagworte

Sachverständiger Entfall der BeiziehungPlanung Widmung BauRallg3Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Belichtung Belüftung BauRallg5/1/3Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Gebiet geschlossen bebautesPlanungSachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Bautechniker Ortsbild LandschaftsbildSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991050169.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten